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Produktdetails
Trackliste
CD
1Wind It Up00:03:13
2The Sweet Escape00:04:08
3Orange County Girl00:03:24
4Early Winter00:04:45
5Now That You Got It00:03:02
64 In The Morning00:04:51
7Yummy00:04:57
8Fluorescent00:04:19
9Breakin' Up00:03:46
10Don't Get It Twisted00:03:37
11U Started It00:03:08
12Wonderful Life00:03:59
13Wind It Up (Harajuku Lovers Live Version)00:03:25
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.2006

Der Soundtrack zur Winterkollektion
Sie war schon mit ihrer Band No Doubt sehr erfolgreich - alleine ist sie kaum zu toppen: Jetzt erscheint Gwen Stefanis zweites Solo-Album

Vor genau zehn Jahren, als MTV noch ein Musiksender und kein Abspielkanal für "Date My Mom", "Pimp My Whatever" oder andere Drei-Wort-Formate war, tauchte dort plötzlich ein zukünftiger Superstar auf. Das Video zur melancholisch angerockten Liebeskummer-Ballade "Don't Speak" der amerikanischen Ska-Rock-Wave-Band No Doubt lief rund um die Uhr und machte deren umwerfend gutaussehende Sängerin Gwen Stefani mit einem Schlag weltbekannt. Man schien auf die damals 27jährige gewartet zu haben: ein megablondes All American Girl mit Street-Credibility, bestechender Ausstrahlung und kräftiger, wenn auch weitgehend vibratoloser Stimme. Nicht zu brav und nicht zu wild - ein kalifornisches Rock-Chick, das unter schweißtreibendem Einsatz Konzertsäle zum Kochen bringt, um am nächsten Tag wieder perfekt geschminkt und trockengepudert für die Cover internationaler Modemagazine zu posieren.

Stones & U2

Schon das Video zu "Don't Speak" hatte behutsam mit dem Thema einer möglichen Solokarriere gespielt - bis die Plattenfirma Interscope Gwen Stefani so weichklopfen und davon überzeugen konnte, das bandexterne Wagnis eines Soloalbums einzugehen, sollte allerdings noch einige Zeit vergehen, denn viele erfolglose Jahre hatten No Doubt zusammengeschweißt. 1986 zunächst als reine Madness-Ska-Coverband im südkalifornischen Anaheim gegründet, ließ der große Durchbruch lange auf sich warten. Gwen Stefani, die anfangs nur als Backgroundsängerin der Gruppe beigetreten war, übernahm 1988, nach dem Selbstmord des Bandbegründers John Spence, zwangsweise die Rolle der Frontfrau. Das dritte Album "Tragic Kingdom", das sich bis heute weltweit über 15 Millionen Mal verkauft hat, katapultierte No Doubt ganz nach oben. Die Folgealben "The Return of Saturn" (2000) und "Rock Steady" (2001) konnten zwar an Verkaufszahlen dieser Dimension nicht anknüpfen, der Popularität No Doubts tat dies aber keinen Abbruch.

Ende 2002 hatten No Doubt kräftezehrende Welttourneen an der Seite der Rolling Stones und von U2 hinter sich gebracht und waren nach 16 Jahren gemeinsam verbrachter Bandzeit ihrer selbst überdrüssig. Sie beschlossen, als Band auf unbestimmte Zeit zu pausieren. Diesen Zeitpunkt nutzte Stefanis Plattenfirma, um ein weiteres Mal alles daranzusetzen, ihre Solokarriere anzustoßen. 2004 war es schließlich soweit: In Zusammenarbeit mit Outcasts André 3000, Dr. Dre, The Neptunes und Linda Perry stampfte Stefani das Dance-Album "Love.Angel.Music.Baby." aus dem Boden. Eine Singleauskopplung jagte die andere, sechs der zwölf Albumtitel konnten sich in den Charts plazieren. Der Erfolg übertraf alle Erwartungen, die Verkaufszahlen liegen mittlerweile im Acht-Millionen-Bereich. Der Song "Hollaback Girl" ging als erster Musiktitel, der über eine Million Mal legal und gegen Bezahlung aus dem Internet heruntergeladen wurde, in die Musikgeschichte ein.

Parallel zu ihrer explodierenden Karriere als Solokünstlerin hatte sich Stefani außerdem schon längst, zum Entsetzen ihrer Rockfans, als omnipräsente Fashion-Ikone mit dezentem Nervfaktor etablieren können. Wie nur wenige kann sie all das tragen, was ihr Top-Fashion-Designer wahrscheinlich unaufgefordert hinterherwerfen. Trotz der sich daraus ergebenden stilistischen Vielfalt schafft sie es, einen sofort wiedererkennbaren Gwen-Look zu kreieren: Gouvernantenkostüme von Vivienne Westwood, Wickelkleider von Diane von Furstenberg, aufgeplusterte Röcke von Viktor & Rolf, atemberaubende John-Galliano-High-Heels, die bombastischsten Sonnenbrillen von Chanel, Dior oder Louis Vuitton. Und natürlich Jeans, Kleider und Shirts ihrer eigenen, 2005 ins Leben gerufenen Modelinien "L.A.M.B." und "Harajuku Lovers". Mag sein, daß ihr markantes Make-up - sie gehört nicht gerade zur Fraktion der dezent Geschminkten - und ihr häufig wechselndes, zwischen Pink und Platinblond oszillierendes Frisurenprogramm dazu beitragen, Stefanis Mode-Eklektizismen zusammenzuhalten.

Viktor & Rolf

Auf dem Cover ihres zweiten Solo-Albums "The Sweet Escape" ist Gwen Stefani in komplett neuem Look zu sehen. So etwas Ähnliches wie eine strenge, um einen kräftigen Pony ergänzte Neuinterpretation der platinblonden Perücke, mit der Cher ihre Farewell-Tour 2004 bestritt, umrahmt Stefanis geometrisch makelloses Gesicht. Das Foto stammt von der amerikanischen Fotografin Jill Greenberg, deren Porträtserie absichtlich zum Weinen gebrachter Kleinkinder vor ein paar Monaten in den internationalen Feuilletons für Aufregung sorgte und aufgeregte, feuilletonbelesene Mütter auf Kinderspielplätzen vor Empörung zum Weinen brachte. Gwen Stefani ist, nachdem sie in Interviews achtzehn Jahre lang darüber gesprochen hat, im Mai dieses Jahres nun auch endlich Mutter geworden, was sie aber nicht davon abhielt - natürlich in Begleitung ihres Sohnes Kingston James - sich den Studiostrapazen einer neuen CD-Produktion auszusetzen.

Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft sind sie nun also da, Gwen Stefanis zweites Soloalbum und die gute Nachricht, die gleichzeitig eine schlechte ist: "The Sweet Escape" klingt wie sein Vorgänger, nichts hat sich verändert. Ein aufwendig produziertes, massenkompatibles Popfeuerwerk, an dem man sich vielleicht zu schnell satt hören wird. Wer "Love.Angel.Music.Baby." liebte, wird von "The Sweet Escape" begeistert sein. Wer bislang mit Stefanis mitreißenden Dance-Beats nichts anfangen konnte und bei ihrem zweiten Soloalbum auf härtere Rock-Stücke spekulierte, die sie ja durchaus beherrscht, wird ein weiteres Mal enttäuscht. Herausgekommen sind dennoch einige hörenswerte Stücke unter der Mitwirkung von No-Doubt-Bassist Tony Kanal, Tim Rice-Oxley von Keane oder Nellee Hooper. Das Produzentenduo The Neptunes, bestehend aus Pharrell Williams und Chad Hugo, hat sich gleich um fünf der zwölf Titel gekümmert.

"Wind It up", unter Radiohörern auch als "das Jodellied" bekannt, verarbeitet Samples aus Gwen Stefanis Lieblingsfilm "The Sound of Music", der die Lebens- und Fluchtgeschichte der österreichischen Musikerfamilie von Trapp zu Zeiten des Dritten Reichs thematisiert. "Yummy", ein weiterer Dance-Track der Neptunes, erinnert stark an Pharrells Produktionen für Kelis. Überhaupt klingt Stefani erstaunlich oft wie jemand anderes, was sie eigentlich überhaupt nicht nötig hätte. Bei "4 in the Morning", "Fluorescent" und "U Started It" könnte man fast meinen, verschollene frühe Stücke von Kylie Minogue oder Madonna seien versehentlich auf die Platte geraten. Das Verhältnis zwischen Madonna und Gwen Stefani ist übrigens Gerüchten zufolge etwas angespannt, da sich Madonna wohl von Stefani kopiert sieht.

Madonna & Kylie

Vielleicht läßt sich das Hauptproblem von "The Sweet Escape" aber auch weniger an der durchaus akzeptablen Qualität der einzelnen Songs festmachen als vielmehr am mittlerweile totgelaufenen Konzept des Produzentenalbums. Das heute übliche Hinzuziehen verschiedener Produzenten für ein und dasselbe Album führt auch dazu, daß sich, trotz albuminterner Verschiedenartigkeit, auf dem Mainstream-Musikmarkt alles gleich anhört, egal ob es sich um die neue Platte von Christina Aguilera, Beyoncé, Nelly Furtado oder Gwen Stefani handelt. Man wünschte sich, anstatt eines bunt gemischten Produzenten-Samplers endlich wieder eine in sich stimmige Platte mit klarem Profil hören zu dürfen.

Gwen Stefani hat diese Woche angekündigt, daß es sich bei "The Sweet Escape" voraussichtlich um ihr letztes Soloalbum handelt. Sobald sie Mitte nächsten Jahres ihre Welttournee beendet hat, kehrt sie zu No Doubt zurück, um gemeinsam mit Kanal, Dumont und Young ein neues Album aufzunehmen. Das erste nach sechs Jahren. Vom Dance-Thron zurück in den Poprock-Keller. Ein mit High-Heels und Sonnenbrille vielleicht nicht einfach zu begehender Weg.

STEPHAN HERCZEG

Gwen Stefani "The Sweet Escape" ist bei Universal erschienen.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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