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James Leslie Mitchell (1901-1935) schrieb immer wieder uber seine Heimat Schottland, insbesondere die Gegend um Aberdeen. Auch wenn seine Romane und journalistischen Arbeiten oft nach Afrika und in den Nahen und Fernen Osten führen, die er als Verwaltungsangestellter beim Militär kennengelernt hatte, kehrt er in seinen bedeutendsten Texten doch zurück in den rauen Norden Großbritanniens.
In "Szenen aus Schottland", einer Sammlung von Erzählungen und essayistischer Prosa zum schottischen Leben in den frühen 1930er Jahren, ist seine literarische Kunst in komprimierter Form zu entdecken.
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Produktbeschreibung
James Leslie Mitchell (1901-1935) schrieb immer wieder uber seine Heimat Schottland, insbesondere die Gegend um Aberdeen. Auch wenn seine Romane und journalistischen Arbeiten oft nach Afrika und in den Nahen und Fernen Osten führen, die er als Verwaltungsangestellter beim Militär kennengelernt hatte, kehrt er in seinen bedeutendsten Texten doch zurück in den rauen Norden Großbritanniens.

In "Szenen aus Schottland", einer Sammlung von Erzählungen und essayistischer Prosa zum schottischen Leben in den frühen 1930er Jahren, ist seine literarische Kunst in komprimierter Form zu entdecken. Menschen, Gespräche, Landstriche, Jahreszeiten, Historie und Mythen werden in einer Sprache geschildert, die - sanft und poetisch wie auch schroff und klar - mit all ihren regionalen Eigenheiten der schottischen Landschaft selbst zu entsprechen scheint.

In den wenigen Jahren, die ihm fur sein Schreiben zur Verfügung standen, hat James Leslie Mitchell sechzehn Bücher veröffentlicht. Seine kurzeren Prosastucke, von denen dieser Band eine Auswahl aus "Scottish Scene" (1934) vorstellt, entziehen sich einer eindeutigen Kategorisierung, weil sie Mitchells originärem und originellem Zugang zur Welt entspringen. Es sind poetische Versuche, Not und Elend - materiell wie emotional - eines "Menschenschlags" darzustellen, der geprägt ist von Gnadenlosigkeit: im Klima, in der kargen Landschaft, in einer noch tief im Feudalismus verankerten Gesellschaft. Mitchells Texte sind durchzogen von kritischen Tönen und entspringen doch einer tiefen Liebe zu seiner Heimat, zur Sprache, zur Landschaft und den Menschen.
Autorenporträt
James Leslie Mitchell (1901-1935) wurde in der Nähe von Auchterless, Aberdeenshire in Schottland als Sohn eines Kätners geboren. Schon im Alter von sechzehn Jahren verließ er die höhere Schule und arbeitete als Journalist fu¿r Zeitungen in Aberdeenshire und Glasgow. Gleichzeitig beteiligte er sich schon damals an der Gru¿ndung des Aberdeener Sowjets, der sich in Anlehnung an die Russische Revolution bildete. Nach dem Verlust seiner Arbeitsstelle ging er zuerst nach Glasgow, trat jedoch kurz darauf in die Armee ein. Als kleiner Verwaltungsangestellter bei den Militärbehörden war er im Nahen Osten, Indien und Ägypten stationiert. In dieser Zeit begann er, Kurzgeschichten, Romane und Bu¿cher u¿ber Entdeckungen und Entdecker zu schreiben. Nach der Entlassung aus der Armee 1929 ließ er sich als freiberuflicher Autor in Welwyn Garden City, dem zweiten »Gartenstadtprojekt« Englands, nieder und engagierte sich publizistisch in der politischen Linken. Er veröffentlichte, teilweise auch unter seinem Pseudonym Lewis Grassic Gibbon, bis zu seinem Tod 1935 zahlreiche Artikel und Bu¿cher, darunter der Roman »Sunset Song«, der ihn u¿ber die Grenzen Schottlands hinaus beru¿hmt machte.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.04.2016

Kalk im Kopf
Wiederentdeckt: James Leslie
Mitchells „Szenen aus Schottland“
Wenn der Schriftsteller James Leslie Mitchell und seine vierjährige Tochter eine Meinungsverschiedenheit hatten, pflegte das in England geborene Kind den Streit gerne mit dem Satz „Du bist ja bloß schottisch!“ zu beenden. Und Mitchell konnte nicht widersprechen. Geboren wurde er 1901 als Spross einer Landarbeiterfamilie in der Nähe von Aberdeen. Diese Landschaft und ihre Menschen haben Mitchell nie losgelassen, obwohl er als Verwaltungsangestellter der Militärbehörde unter anderem im Nahen Osten, in Indien und in Ägypten stationiert war, ehe er sich nach seiner Rückkehr in England niederließ, wo er im Alter von nur 34 Jahren starb.
  Nun hat der Guggolz Verlag eine kleine, von Esther Kinsky ausgezeichnet übersetzte Sammlung von Mitchells Erzählungen publiziert, in denen das Verhältnis von Landschaft und Mentalität ausgelotet wird. Mitchell war Sozialist und Antinationalist; in seiner Prosa finden sich keine Verklärungstendenzen, keine schottischen Folkloreambitionen. Er erzählt in erstaunlichem Vokabelreichtum von einer ungemein schönen und ungemein kargen Gegend, in der das Leben hart ist und die die Menschen hart gemacht hat. Das Land erzieht seine Bewohner zu einer an Verrohung grenzenden Unerbittlichkeit.
  Da ist der Bauer, der mit allen Kräften versucht, ein Stück Moor für die Landwirtschaft urbar zu machen, und darüber sogar die Krebserkrankung seiner Frau ignoriert. Während der Beerdigung fällt es ihm ein: „Verdammt, Mensch, ich hab’s! Kalk hätte ich beim Sommergetreide draufgeben müssen. Der hat ja geschrien nach dem Zeug, der Acker am Hang!“ Die bittere Pointe der Geschichte: Kurz darauf stirbt auch der Bauer selbst an Erschöpfung. Sein letzter Gedanke gilt dem Feld. Geschont wird hier niemand.
  Nicht nur die Überlebensbedingungen sorgen dafür, dass bei Mitchell nie der Verdacht einer Idyllisierung aufkommt; zudem machen sich auch die Auswirkungen des Industriezeitalters bemerkbar. Man isst Corned Beef aus Dosen statt selbstgeernteter Brombeeren. In seinen starken Momenten, etwa in dem vierteiligen Zyklus „Das Land“, der dem Verlauf der Jahreszeiten folgt, erinnert Mitchells poetischer Realismus an Wilhelm Raabes fein erspürte Zeitenwendeprosa. Mitchell bleibt stets ambivalent und offen.
  Die Städteporträts „Glasgow“ und „Aberdeen“ sind deutlich meinungsstärker und journalistischer als die fiktionalen Texte. Mitchell beschreibt darin zum einen schonungslos die Verarmungstendenzen („die Nahrung der Hundertfünfzigtausend ist nicht besser als Abfall, schlecht gekocht und schlecht gegessen mit rasch verfaulenden Zähnen“), andererseits erscheinen die Städte auch als Räume mit utopischem Potenzial, in denen die Landbevölkerung möglicherweise dereinst zu einem besseren Leben finden kann.
  Diese Texte verdienen mehr als nur ein historisches Interesse. Das hat in erster Linie damit zu tun, dass Mitchell sich jenseits aller politischen Friktionen und immer wieder beschworenen Klassenunterschiede ein ungebrochenes Interesse an Menschen bewahrt hat. In seinen sorgfältig ausgearbeiteten Charakterstudien erscheinen die Figuren nie als Typen. Es sind Individuen, denen die Bedingungen ihrer Existenz oft keine Wahlmöglichkeit lässt. Mitchells differenzierter, auf die Details hin geschulter Blick, findet auf wenigen Seiten in diesem Lebensumfeld Schönheit und Grausamkeit, Leid und hin und wieder auch Trost.
CHRISTOPH SCHRÖDER
James Leslie Mitchell: Szenen aus Schottland. Aus dem Englischen von Esther Kinsky. Guggolz Verlag, Berlin 2016. 168 Seiten, 19 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Christoph Schröder findet in den nachgelassenen Erzählungen des 1901 geborenen Schotten James Leslie Mitchell ein ungeschöntes, von keinerlei Nationalismen geprägtes Bild einer kargen, erbarmungslosen Landschaft. Mitchells Bauer, der über die Sorge um den Acker die eigene Frau vergisst, rührt Schröder ebenso wie die Städteporträts von Aberdeen und Glasgow. Und immer leuchten ihm Mitchells bittere Pointen, sein stets offener und differenzierter poetischer Realismus und bei allem ein Gefühl des Autors für utopische Potenziale. Vor allem aber beeindruckt Schröder das in den Texten sich offenbarende Interesse des Autors am Menschen. Mitchells Charakterstudien, meint er, zeigen keine Typen, sondern Individuen zwischen Schönheit und Grausamkeit, Leid und Trost.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.02.2017

Es wird gelaufen, und zwar bei jedem Sauwetter
Schottische Renaissance: James Leslie Mitchell erzählt auf harte und doch poetische Weise vom Landleben

Man muss den Flecken Arbuthnott im östlichen Schottland zwischen Dundee und Aberdeen nicht unbedingt kennen, obwohl die Landschaft bestimmt ihre Reize hat. Dasselbe könnte für Luthermuir, Laurencekirk und Glenbervie gelten, ebenso für Auchenblase, Marykirk und Craigo. In dieser Gegend zeigt einem die digitale Landkarte, wenn man näher hineinzoomt, "Unterkunft für Selbstversorger", näher zur Küste auch schon mal einen Golfplatz. Das berühmte St. Andrews, die Wiege des Golfsports, liegt nur sechzig Meilen weiter südlich. Es ist also hübsch und kühl und leer dort, mit viel Grün von unten, einer Menge Grau von oben und mittendrin einem erbarmungslosen Wind, der schon manchen um den Verstand gebracht haben dürfte.

In einem dieser Orte, nämlich Arbuthnott, wurde James Leslie Mitchell 1901 "als Sohn eines Kätners" geboren, wie seine Übersetzerin Esther Kinsky in ihrem informativen Nachwort schreibt; das wird sich von "Kate" ableiten und lässt ahnen, dass es hier vor hundert Jahren, lange bevor ermüdete Städter zu temporären Selbstversorgern wurden, bäuerlich und sehr karg zuging. Und genau so war es. Mitchell war ein Bauernkind, verließ die höhere Schule ohne Abschluss (1917 war er an der Gründung des Aberdeener Sowjets beteiligt), arbeitete in Glasgow als Journalist, ließ sich als Verwaltungsangestellter der britischen Militärbehörden in den Nahen Osten, nach Indien und Ägypten schicken. Dann schrieb er innerhalb weniger Jahre unter dem Pseudonym Lewis Grassic Gibbon zahlreiche Romane, Erzählungen und Artikel. Man rechnet ihn zu den markanten Namen der "Schottischen Renaissance", Volk und Welt in der DDR etwa hatte vor fast einem halben Jahrhundert sein Werk "Ein schottisches Buch" im Programm; Band eins hieß "Der lange Weg durchs Ginstermoor", und auch wenn das heute unfreiwillig komisch klingt, steckt darin nicht nur des Autors berühmter Roman "Sunset Song" (1932), Teil eins einer Trilogie, sondern die Essenz von James Leslie Mitchell: Bei ihm wird sehr viel gelaufen, und immer geht es durch diese harte, fordernde, alle Figuren zeichnende Landschaft - schlechter Ackerboden, Sauwetter mit immer wieder dramatischen Lichteffekten, von denen das Landvolk, das sich hier krumm arbeitet, nichts hat.

Marcel Reich-Ranicki hat einmal gesagt, Arbeiterliteratur sei ihm egal. Oder hat er das über Bauernliteratur gesagt? Über Gewerkschaftsliteratur? Egal. Er meinte: Zum Lesen taugt es nur, wenn es gut geschrieben ist, nicht gut gemeint. Wer gut schreibt, bei dem spielt das Sujet keine Rolle. Den jüngst gestorbenen John Berger, wenn die Erinnerung nicht trügt, hat Reich-Ranicki also völlig zu Recht von seinem Bannfluch auf die Bauernliteratur ausgenommen, und wäre er noch da und könnte Meinungen unter die Leute bringen, würde er dasselbe gewiss mit James Leslie Mitchell tun. Denn die Prosa in diesem Band mit dem wenig aufregenden Titel "Szenen aus Schottland" ist erst einmal sehr gute Literatur, ohne Bonus oder Artenschutz.

Die 150 Seiten enthalten vier Erzählungen und drei Essays. In den Stories geht es hart zu - "Mumm" etwa beschreibt eine furchterregende Matriarchin, stark wie eine Stute, stur wie ein Ochs, die mit harter Hand ihre Kinder großzieht, im entscheidenden Augenblick aber auch noch etwas zu lernen vermag, anders als manche ihrer moralinsauren Nachkommen. Das Materielle treibt viele dieser Figuren an, auch den aufstiegsbesessenen Sim in der gleichnamigen Erzählung, der seinen wahnhaften Ehrgeiz erst auf die eine Tochter projiziert, dann auf die andere. Ein wenig erinnert diese Sturheit an Faulkners "poor white" und das Titanenhafte ihres Kampfes gegen ein missgünstiges Schicksal, und die Übersetzerin bringt das Ganze mit zupackender Sprache und einer so schmutzigen Poesie ins Deutsche, dass ihr ein großes Mitverdienst an der starken Wirkung der Texte gebührt.

Das geradezu programmatische Stück heißt "Das Land". Darin geht Mitchell die Jahreszeiten in seiner Gegend durch und erklärt, was es mit der Liebe zum Land (einerseits) und der Zurückweisung dieses Erbes (andererseits) auf sich hat. Hier also empfindet er Stolz, sieht sich als Erwachsenen, "weil das Land so tief und innig zu mir gehört (in der Erntezeit wickelte meine Mutter mich in eine Decke und legte mich in den Schutz einer Kornraufe, während sie bei der Ernte half)" - dort erkennt er die menschenschindende Brutalität der Lebensbedingungen, die seine Leute, die es durch Zufall oder Pech in diesen zugigen Winkel der Erde verschlagen hat, für immer in der Armut festhält.

Ihm selbst war nur gegeben, das alles zu erkennen und sich schleunigst aus dem Staub zu machen: "Während ich diesem nassen Graupelprasseln lausche, sehe ich die verkümmernden Heuschober unter dem Eisregen, ich denke an den Wind, der über unbedeckten Boden fegt, an die Ackerknechte in ihren feuchten Gesindebuden bei den Höfen weit draußen, an alte, gebeugte, verrunzelte Menschen auf den Höfen, so viel Freude, Hoffnung und Streben nach Hohem haben sie auf ihren öden Dienst an diesen Gewannen vergeudet, die sich fast wie Lebewesen ins Dunkel der Nacht krümmen. Ich denke und sehe all das immer noch mit großer Klarheit, obwohl ich hier im warmen Zimmer sitze und diesen netten kleinen Aufsatz schreibe und Freude daran habe, Wörter auf einer leeren Seite zu bewegen."

James Leslie Mitchell starb, nicht einmal vierunddreißig Jahre alt, 1935 in England. Erstaunlich, was alles in sein kurzes Leben passte. Er schilderte auch die Elendsquartiere von Glasgow und schrieb sozial engagierte Essays wie die beiden Städteporträts in diesem Band. Das alles ist sympathisch, hochherzig und von einnehmender Selbstironie, aber fraglos weniger wichtig als seine kraftvollen, ungeschönten Bilder des Landlebens. Mit ihnen lebt er in dieser illustrierten, schön ausgestatteten Ausgabe weiter.

PAUL INGENDAAY

James Leslie Mitchell: "Szenen aus Schottland".

Aus dem Englischen und mit einem Nachwort von Esther Kinsky. Guggolz Verlag, Berlin 2016. 170 S., Abb., geb., 19,- [Euro].

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