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Großartige Künstler, Schriftsteller, Theatermacher, Musiker und Philosophen versuchten zwischen 1933 und 1945 im amerikanischen Exil in der Nähe von Hollywood neue Arbeitsmöglichkeiten zu finden. Erstaunlicherweise ließen sich viele in den der Region Pacific Palisades nieder, wo in den privaten Häusern mit Blick auf den Pazifischen Ozean ein reger Austausch über die Arbeit, das Leben und das Überleben stattfand. Doch nur wenigen gelang es in der Fremde an ihre berufliche Erfolge zu Hause anzuknüpfen, darunter Thomas Mann, Vicki Baum, Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Franz Werfel oder Salka…mehr

Produktbeschreibung
Großartige Künstler, Schriftsteller, Theatermacher, Musiker und Philosophen versuchten zwischen 1933 und 1945 im amerikanischen Exil in der Nähe von Hollywood neue Arbeitsmöglichkeiten zu finden. Erstaunlicherweise ließen sich viele in den der Region Pacific Palisades nieder, wo in den privaten Häusern mit Blick auf den Pazifischen Ozean ein reger Austausch über die Arbeit, das Leben und das Überleben stattfand. Doch nur wenigen gelang es in der Fremde an ihre berufliche Erfolge zu Hause anzuknüpfen, darunter Thomas Mann, Vicki Baum, Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Franz Werfel oder Salka Viertel. Die Anzahl derer, die scheiterten, wie der berühmte Regisseur Max Reinhardt, der Schriftsteller Alfred Döblin, der Schauspieler Marten Koslek oder auch der Historiker Heinrich Mann, war ungleich höher. Woher kamen die Arbeitsaufträge, und wie überstand man die entsetzliche Sorge um die Daheimgebliebenen? In welchen Häusern lebten die Exilanten, und wer wohnt heute darin?

Die Antworten, die der Autor Thomas Blubacher gibt, wie es sich in der sprachlichen Fremde, in dieser Zeit und an jenem Ort leben ließ, verdichten sich zu einem spannenden Porträt deutscher Kultur im Exil. Dabei werden Individualität und Werk genauso brillant beschrieben wie das feine Netzwerk, dessen Fäden die Künstler untereinander in Beziehung setzte. Von der Nähe zu Hollywood und der boomenden Filmindustrie versprachen sich vor allem deutsche und österreichische Künstler, die nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten ihre Heimat verlassen mussten, die Möglichkeit, in ihrem alten oder einem neuen Beruf ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Als Regisseure, Schriftsteller, Komponisten oder Schauspieler suchten sie ein Glück, das nur wenigen beschieden war. Vicki Baum, die den Bestseller Menschen im Hotel schrieb, der Nobelpreisträger Thomas Mann, der damalige Auflagenmillionär Emil Ludwig, der Komponist Hanns Eisler, der Philosoph Max Horkheimer, der legendäre Regisseur MaxReinhardt oder der weitsichtige Schriftsteller Lion Feuchtwanger waren nur einige von vielen großartigen Künstlern, die in Pacific Palisades ein landschaftliches Paradies vorfanden, in dem sich dennoch schwer leben ließ. Mit großem Optimismus lernten einige von ihnen angesichts der bevorstehenden Emigration noch in der alten Heimat Englisch: "Die Schauspielerinnen, die noch vor kurzer Zeit in Wien vom Publikum gefeiert wurden, gehen jetzt nur noch mit einer englischen Grammatik unter dem Arm spazieren . Ihr Ehrgeiz ist nun der Broadway oder der amerikanische Film", berichten Klaus und Erika Mann.
Autorenporträt
Blubacher, Thomas
Thomas Blubacher, 1967 in Basel geboren und promovierter Theaterwissenschaftler, ist als freischaffender Autor und als Regisseur für Bühnen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA tätig. Er publizierte mehrere Bücher, u.a. eine Biographie über Gustaf Gründgens, schrieb für verschiedene Zeitungen und verfaßte mehrere Radiofeatures.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2011

Zwischen Himmel und Erde und fern von zu Hause

Wie fühlte es sich an, das amerikanische Exil? Thomas Blubacher blickt hinter die Kulissen des Lebens europäischer Auswanderer nach 1933.

Von Jan Wiele

Für Franz Werfel und Alma Mahler-Werfel war es tatsächlich ein Paradies: Sie schrieb dies wörtlich am 31. August 1943 in ihr Tagebuch, und er hatte bereits im Juli 1942 seiner Schwester das kalifornische Exil in folgenden Stichworten geschildert: "Paradies - kühl balsamisch - Blumenorgien - Swimming Pool mit schönsten Mädchen." Doch so erleichtert viele der Künstler und Intellektuellen, die zwischen 1933 und 1945 aus Europa nach Amerika entkamen, auch über ihre gelungene Flucht sein konnten - glücklich wurden am Pazifik nicht alle.

Nach einer nun schon mehr als ein halbes Jahrhundert währenden engen Verbindung oder auch Verschmelzung amerikanischer mit europäischer Kultur fällt es schwer, sich heute den "Schock" vorzustellen, den die Ankunft im transatlantischen Exil für einen im ausgehenden 19. Jahrhundert geborenen Europäer bedeutete. Bücher wurden in Amerika anders geschrieben, Theater und Filme anders gemacht, und ein Berliner Flaneur musste sich verloren fühlen auf den Autostraßen in Los Angeles. Ein reichbebilderter Band mit dem Titel "Paradies in schwerer Zeit" widmet sich nun dem Leben der deutschsprachigen Emigranten in der Umgebung von Pacific Palisades, jenem Ort, der zum Inbegriff dieses Exils geworden ist.

In seiner Einleitung erinnert der Theaterregisseur und Autor Thomas Blubacher an die Formel vom "Weimar unter Palmen", die für diese Schicksalsgemeinschaft gefunden wurde: "Hier versammelten sich zwischen den Bergen und der Bucht von Santa Monica bedeutende Geistesgrößen auf ähnlich kleinem Raum wie im klassischen Weimar der Goethezeit, und hier trafen im Exil einige der wichtigsten Exponenten der Weimarer Republik zusammen." Und doch war allein die Landschaft am Pazifik von jener Mitteleuropas so verschieden, dass diesem Vergleich enge Grenzen gesetzt sind. Die Treffen in privaten Salons etwa waren seit 1941, dem Jahr des Kriegseintritts Amerikas, nicht mehr freiwillig, sondern dem "curfew" geschuldet - jener nächtlichen Ausgangssperre und täglichen Begrenzung auf einen Radius von fünf Meilen für alle "feindlichen Ausländer".

Was das Empfinden der Einzelnen anging, bestimmte häufig auch das Sein das Bewusstsein, wie Blubacher dann in einigen Kurzdarstellungen zeigt: Denn nicht jeder traf es so gut wie etwa Lion und Marta Feuchtwanger, die zuletzt in Castellamare ein regelrechtes "Schloss am Meer" bewohnten, wie Thomas Mann bemerkte, der sich selbst in seiner Villa am San Remo Drive hübsch eingerichtet hatte, wogegen ein Schriftsteller wie Alfred Döblin nach dem Auslaufen seines einjährigen Vertrags als Drehbuchschreiber für Metro-Goldwyn-Mayer auf Arbeitslosenunterstützung angewiesen war. Und während einige Schauspieler und Filmregisseure wie Fred Zinnemann und Luise Rainer in Hollywood Traumkarrieren machten, wurde ein Theaterregisseur wie Max Reinhardt trotz eines vielversprechenden Starts mit der Zeit immer weniger beachtet. Die Exilanten halfen sich allerdings auch gegenseitig: die Schauspielerin Salka Viertel richtete etwa für Heinrich Mann in ihrem Haus in der Mabery Road den Ping-Pong-Tisch festlich her und fuhr ein fürstliches Menü auf, weil der Autor sich für die Feier seines siebzigsten Geburtstags kein Restaurant leisten konnte.

Nach den zuletzt vielbeachteten fiktionalen Verarbeitungen dieses Exilthemas von Michael Lentz und Klaus Modick hat Blubacher einen sachlicheren Zugang gewählt, der neben Bildzeugnissen auch faksimilierte Dokumente versammelt wie Empfehlungsschreiben, Briefe und Manuskriptseiten. Es versteht sich von selbst, dass bei dieser Darstellungsform und auch bei noch so treffend gewählten Anekdoten der Band nicht die Tiefe der jeweiligen persönlichen Erfahrungen der Exilanten ausloten kann. Welche Abgründe sich auftaten, deutet sich aber manchmal an: so etwa bei dem Cellisten und Bankierssohn Francesco de Mendelssohn, der sich in Kalifornien "melancholissimo" fühlte und wohl darüber nachdachte, "aus Langeweile" nach Deutschland zurückzukehren, wo ihm das Konzentrationslager gedroht hätte. Er landete indessen in der geschlossenen Psychiatrie und starb vereinsamt.

So stellt sich schließlich das Gesamtbild dieses pazifischen Exils als Panoptikum beinahe Brueghelschen Ausmaßes dar, mit an Gatsby erinnernden Feiern und elitären Teestunden, mit Depressionen und materieller Armut, mit aufblühendem und abstürzendem Erfolg im Land der Freiheit, der oftmals im krassen Gegensatz zur vorhergehenden europäischen Biographie stand: kurzum nicht als reines Paradies, sondern eher als Ort "Between Heaven and Earth", wie Franz Werfel sein Bekenntnisbuch von 1944 nannte, oder in der deutschen Übersetzung sogar noch prosaischer: "Zwischen Oben und Unten".

Thomas Blubacher: "Paradies in schwerer Zeit". Künstler und Denker im Exil in Pacific Palisades und Umgebung.

Elisabeth Sandmann Verlag, München 2011. 176 S., geb., 29,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Es hat in letzter Zeit einige Auseinandersetzungen mit der Sphäre des kalifornischen Exils gegeben, merkt Rezensent Jan Wiele an, darunter auch literarische, etwa von Michael Lentz und Klaus Modick. Dieser Band wählt einen anderen, dokumentarischen Ansatz, der den Rezensenten aber vollauf überzeugt. Die Anekdoten seien gut gewählt, und mit Interesse betrachtet Wiele die zahlreichen Fotos und faksimilierten Dokumente, die ihm das ganze Panoptikum der Exilerfahrungen vor Augen führen, von Gestalten wie Lion Feuchtwanger, der in einer schlossähnlichen Villa residieren konnte, bis hin zu Alfred Döblin, der von Arbeitslosengeld leben musste, über Regisseure wie Fred Zinneman, die in Amerika ihre eigentlichen Erfolge feierten bis hin zu Max Reinhardt, der in Los Angeles in Vergessenheit geriet. Ein Ort "zwischen Himmel und Erde", resümiert Wiele mit einem Wort Franz Werfels.

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