DAS BESTE, was es über den amerikanischen Kultautor Charles Bukowski zu lesen gibt, stammt von ihm selbst. Essteht in den Briefen, die er von 1958 bis kurz vor seinem Tod (1994) geschrieben hat. In ihnen dokumentiert er seinegesamte Karriere als Schriftsteller und erzählt mit der für ihn typischen Offenheit und satirischen Streitlust vom Aufund Ab seiner letzten fünfunddreißig Lebensjahre; vor allem von seinen katastrophalen Affären mit angeknackstenEmanzen, Oben-Ohne-Schlangentänzerinnen, alleinerziehenden Müttern auf Speed, Stewardessen und Rock'n'Roll-Plattenlabel-Exekutivdamen. Und für Zeitgenossen, die gern etwas Höherstehendes lesen, zitiert er Horaz im Original.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2005Schreie vom Balkon - von Bukowski
Ein schöner Mann war er nicht gerade. Aber Charles Bukowski war unverwüstlich. Er war ein Wrack, liebte die Frauen und den Alkohol, blieb nur dem Alkohol treu, posierte, rechts eine Nutte im Arm, links die Bierflasche, dazwischen das Aknegesicht und der Hängebauch unterm T-Shirt. Mit 35 war er halbtot, trank aber unbeeindruckt weiter und schrieb - neben Gedichten, Kurzgeschichten und Romanen - Briefe an seine Freunde. Diese Briefe von "Hank", wie ihn seine Freunde nannten, hat Carl Weissner, der am 14. März 1994 bei Bukowskis Begräbnis mit Sean Penn zu denen gehörte, die seinen Sarg trugen, übersetzt. Und sie sind wunderschön, weil man in ihnen nicht nur den großmauligen Anti-Helden findet, sondern auch die Stimme eines Verletzten, Geschundenen, der fürs Schreiben überleben will und der, bei aller Abgewracktheit, vor allem ein sehr, sehr lustiger Zeitgenosse gewesen sein muß.
jia
Charles Bukowski: "Schreie vom Balkon". Briefe 1958-1994. Herausgegeben von Seamus Cooney. Deutsch von Carl Weissner. Ginko Press, Hamburg 2005, 560 Seiten, 24,90 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein schöner Mann war er nicht gerade. Aber Charles Bukowski war unverwüstlich. Er war ein Wrack, liebte die Frauen und den Alkohol, blieb nur dem Alkohol treu, posierte, rechts eine Nutte im Arm, links die Bierflasche, dazwischen das Aknegesicht und der Hängebauch unterm T-Shirt. Mit 35 war er halbtot, trank aber unbeeindruckt weiter und schrieb - neben Gedichten, Kurzgeschichten und Romanen - Briefe an seine Freunde. Diese Briefe von "Hank", wie ihn seine Freunde nannten, hat Carl Weissner, der am 14. März 1994 bei Bukowskis Begräbnis mit Sean Penn zu denen gehörte, die seinen Sarg trugen, übersetzt. Und sie sind wunderschön, weil man in ihnen nicht nur den großmauligen Anti-Helden findet, sondern auch die Stimme eines Verletzten, Geschundenen, der fürs Schreiben überleben will und der, bei aller Abgewracktheit, vor allem ein sehr, sehr lustiger Zeitgenosse gewesen sein muß.
jia
Charles Bukowski: "Schreie vom Balkon". Briefe 1958-1994. Herausgegeben von Seamus Cooney. Deutsch von Carl Weissner. Ginko Press, Hamburg 2005, 560 Seiten, 24,90 Euro
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Seamus Cooneys Auswahl der Briefe von Charles Bukowski aus den Jahren 1958 bis 1994 kürt ein angenehm überraschter Helmut Krausser zum "wichtigsten" Buch von Bukowski "überhaupt", zumindest seit "Ham on Rye", und das war 1982. Der "Briefroman" über die zweite Hälfte des angeblich nur noch Müller-Thurgau trinkenden Poeten mache alle kursierenden "ohnehin unsäglichen" Biografien überflüssig, stellt Krausser fest. Von "einem der klügsten" Autoren, die er jemals unter die Leselupe bekommen hat, möchte er lieber seitenlang zitieren als eine lange Rezension zu schreiben, beugt sich dann aber doch den Konventionen. Bukowski dagegen verstößt gegen jedwede Klischees, die sich über ihn festgesetzt haben. In den ehrlichen Briefen, die sich unter anderem mit dem eigenen Ruf, dem Schriftstellerdasein und privaten Problemen beschäftigen, trifft Krausser nicht nur auf einen unerhört "lakonischen, witzigen, gutmütigen", sondern sogar stellenweise "hoch moralischen" Bukowski. Wer den "dirty old man" nach den 560 Seiten nicht verehrt und schätzt, schließt der Rezensent, der "möge fortan Thomas Mann lesen, bis ihm die Augen aus den Höhlen faulen".
© Perlentaucher Medien GmbH
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