Für Herman Melville waren die bedeutendsten Schriftsteller der Weltliteratur vor allem eines: Meister in der großen Kunst, die Wahrheit zu sagen. Moby-Dick stellte seine eigene Meisterschaft unter Beweis, doch auch seine essayistischen Arbeiten, die hier zum ersten Mal übersetzt und sorgfältig kommentiert vorgestellt werden, sind selbstbewußte Annäherungen an dieses Ideal. Zivilisationskritik, Skeptizismus, Idealismus, Imagination, Ironie und ein vom demokratischen Gedanken durchdrungenes Kunst- und Kulturverständnis verbinden diese Texte über Walfang, amerikanische Literatur, Südseereisen und antike Skulpturen mit Melvilles ausufernden Romanwelten. Mit leichter Hand werden persönliche Erfahrungen mit Lektüren und leidenschaftlichen Appellen verknüpft. Dem Leser öffnet sich eine Schatzkiste voll funkelndem Sprachwitz und verblüffenden Assoziationen; zugleich sind diese Seiten ein kurzweiliger Einstieg und eine notwendige Ergänzung zum vielschichtigen Werk des großen amerikanischen Autors.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.10.2005Die Reformation der Salzwasserpoesie
Hatte die Arche Noah ein Logbuch? Sie muss eins gehabt haben. Denn Joseph C. Hart zitiert Auszüge daraus in seinem Buch „The Romance of Yachting” (1848). Wir wissen das von Herman Melville, der sich in einem empörten Brief an den Herausgeber der Zeitschrift Literary World weigerte, dieses Buch zu rezensieren. Denn es sei kein Buch, sondern „nur ein festes Bündel Packpapier”.
Melville hat zwischen 1847 und 1850 einige Artikel für die Literary Review geschrieben. Alexander Pechmann hat sie jetzt zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt, kommentiert und ihnen die Texte jener Vorträge beigegeben, die Melville in den Jahren 1857 bis 1859 unter den Titeln „Statuen in Rom”, „Die Süd-See” und „Das Reisen - Lust, Leid und Lehrreiches” hielt.
Die kleinen Zeitungstexte des großen Autors sind vor der Publikation des „Moby Dick” erschienen. Aber schon die erste Rezension, „Skizzen einer Walfangreise”, führt in die Werkstatt des Romanciers: „Seit undenklichen Zeiten hat man zahllose prächtige Geschichten und Lieder über das Meer vernommen. Und es gab Zeiten, da hielt man Matrosen für waschechte Wassermänner; und der Ozean selbst war die Bühne des Phantastischen und des Wunderbaren. Doch in den letzten Jahren wurden so viele schlichte, nüchterne Einzelheiten in Zusammenhang mit dem Leben auf See offengelegt, das die Salzwasserpoesie gegenwärtig deutlich zurückgegangen ist.” Das geht gegen Lord Byrons Gedicht „The Sea” aus dem „Don Juan”.
Aber hier wie stets hat das Programm realistischer Ernüchterung einen doppelten Boden: „Moby Dick” verarbeitet die Dokumentarliteratur des Meeres, um mit der Bibel, Shakespeare und Miltons „Paradise Lost” zu konkurrieren. lmue
Herman Melville
Die große Kunst, die Wahrheit zu sagen
Von Walen, Dichtern und anderen Herrlichkeiten. Aus dem Amerikanischen übersetzt und herausgegeben von Alexander Pechmann. Verlag Jung und Jung, Salzburg und Wien 2005. 150 Seiten, 18 Euro.
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Hatte die Arche Noah ein Logbuch? Sie muss eins gehabt haben. Denn Joseph C. Hart zitiert Auszüge daraus in seinem Buch „The Romance of Yachting” (1848). Wir wissen das von Herman Melville, der sich in einem empörten Brief an den Herausgeber der Zeitschrift Literary World weigerte, dieses Buch zu rezensieren. Denn es sei kein Buch, sondern „nur ein festes Bündel Packpapier”.
Melville hat zwischen 1847 und 1850 einige Artikel für die Literary Review geschrieben. Alexander Pechmann hat sie jetzt zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt, kommentiert und ihnen die Texte jener Vorträge beigegeben, die Melville in den Jahren 1857 bis 1859 unter den Titeln „Statuen in Rom”, „Die Süd-See” und „Das Reisen - Lust, Leid und Lehrreiches” hielt.
Die kleinen Zeitungstexte des großen Autors sind vor der Publikation des „Moby Dick” erschienen. Aber schon die erste Rezension, „Skizzen einer Walfangreise”, führt in die Werkstatt des Romanciers: „Seit undenklichen Zeiten hat man zahllose prächtige Geschichten und Lieder über das Meer vernommen. Und es gab Zeiten, da hielt man Matrosen für waschechte Wassermänner; und der Ozean selbst war die Bühne des Phantastischen und des Wunderbaren. Doch in den letzten Jahren wurden so viele schlichte, nüchterne Einzelheiten in Zusammenhang mit dem Leben auf See offengelegt, das die Salzwasserpoesie gegenwärtig deutlich zurückgegangen ist.” Das geht gegen Lord Byrons Gedicht „The Sea” aus dem „Don Juan”.
Aber hier wie stets hat das Programm realistischer Ernüchterung einen doppelten Boden: „Moby Dick” verarbeitet die Dokumentarliteratur des Meeres, um mit der Bibel, Shakespeare und Miltons „Paradise Lost” zu konkurrieren. lmue
Herman Melville
Die große Kunst, die Wahrheit zu sagen
Von Walen, Dichtern und anderen Herrlichkeiten. Aus dem Amerikanischen übersetzt und herausgegeben von Alexander Pechmann. Verlag Jung und Jung, Salzburg und Wien 2005. 150 Seiten, 18 Euro.
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