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Kurz, prägnant, streitbar - der Autor, ein in Israel bekannter Journalist, macht sich Gedanken über die moderne israelische Gesellschaft und darüber, welche Prägung den Terror überdauern wird: Zionismus oder Amerikanisierung.
In seinen Werken zur Geschichte Israels hat Tom Segev immer wieder fest verwurzelte Ansichten zu entscheidenden Momenten in der israelischen Vergangenheit infrage gestellt. In seinem neuesten Buch, einer scharfsinnigen und scharfzüngigen Streitschrift, wendet sich Segev dem heutigen Israel zu und fordert lieb gewonnene Annahmen über die moderne israelische Gesellschaft…mehr

Produktbeschreibung
Kurz, prägnant, streitbar - der Autor, ein in Israel bekannter Journalist, macht sich Gedanken über die moderne israelische Gesellschaft und darüber, welche Prägung den Terror überdauern wird: Zionismus oder Amerikanisierung.
In seinen Werken zur Geschichte Israels hat Tom Segev immer wieder fest verwurzelte Ansichten zu entscheidenden Momenten in der israelischen Vergangenheit infrage gestellt. In seinem neuesten Buch, einer scharfsinnigen und scharfzüngigen Streitschrift, wendet sich Segev dem heutigen Israel zu und fordert lieb gewonnene Annahmen über die moderne israelische Gesellschaft und ihre ideologischen Grundlagen heraus.
Untermauert durch persönliche Erfahrungen wie durch verschiedenste Ausdrucksformen der israelischen Massenkultur - Shopping-Malls, Fast Food, Kunst, Fernsehen, religiöser Kitsch -, kommt der Autor zu einer provozierenden Schlussfolgerung: Die weitgehende Amerikanisierung des Landes, von den meisten beklagt, hatte einen ausgesprochen positiven Einfluss. Denn sie brachte nicht nur McDavids und Dunkin Donuts, sondern auch Tugenden wie Pragmatismus, Toleranz und Individualismus mit sich.
Die damit einhergehende Aufweichung der nationalen Identität und Ideologie, die in den vergaen zehn Jahren stattfand, könnte ein Vorbote eines neuen Geistes von Kompromissbereitschaft und Offenheit sein, so Segevs These. Ob sich dieser Geist angesichts der gegenwärtigen Krise, in der sich Israelis und Palästinenser auch in ideologischer Hinsicht verschanzen, durchsetzen kann, wird die Zukunft zeigen. Um zu verstehen, um welche Positionen gerungen wird, ist Segevs "Elvis in Jerusalem" ein leicht zugänglicher und unverzichtbarer Beitrag.
Autorenporträt
Tom Segev ist Historiker, Journalist und schreibt als Kolumnist für "Ha'aretz". Er wurde bekannt mit seinen Büchern zur israelischen Geschichte. Auszeichnung mit dem National Jewish Book Award für "Es war einmal ein Palästina", das auch von der "New York Times" zu den neun besten Büchern des Jahres 2000 gezählt wurde. Der Autor lebt in Jerusalem.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.05.2003

Currywurst bei Elvis
Im modernen Israel wächst die Zahl der Nicht-Juden und der Orthodoxen – ein Land auf der Suche nach seiner Identität
TOM SEGEV: Elvis in Jerusalem. Die moderne israelische Gesellschaft. Siedler Verlag, Berlin 2003. 170 Seiten, 18 Euro.
An der Schnellstraße von Tel Aviv nach Süden gibt es einen Wegweiser zum Fastfood Imbiss „Elvis Presley”. Das Schild daneben weist ins 5000 Jahre alte Jerusalem. Hier Säkularität und Moderne, dort Religiosität und Rückständigkeit – seit Jahren streiten die Säkularen und Religiösen miteinander über den Charakter ihres Staates: Wer bestimmt die Regeln des Zusammenlebens? Wie lange noch sollen die Bewohner am Sabbat nicht Auto fahren dürfen? Wird die Zivilehe eingeführt, oder bleibt beispielsweise das Familien- und Scheidungsrecht Teil der religiösen Gesetzgebung?
Wäre Israel nicht amerikanisierter und für seine jüdischen Traditionen – für die Bräuche, nicht die Religion – empfänglicher geworden, sagt Tom Segev, hätte der Kulturkampf wohl schon zum Bürgerkrieg geführt. Der israelische Journalist und Historiker untersucht Israels Identitätsfindungsprozess seit seiner Gründung 1948: vom sozialistischen, zum sozialdemokratischen und schließlich zum modernen marktwirtschaftlichen Staat. Der Mittelmeeranrainer sei selbstbewusster, multikultureller und offener geworden. Der Zionismus habe sein Ziel erreicht: Es herrsche Normalität in einem Staat, dessen Bürger mehrheitlich Juden sind. Als brauchbare Ideologie habe sich der von Theodor Herzl Ende des 19. Jahrhunderts gegründete Zionismus deshalb erledigt. Jetzt befinde man sich in der post-zionistischen Phase.
Die zionistische Rechte fasst die viel diskutierte Theorie vom Post- Zionismus als unerhörten Angriff auf das nationale Selbstverständnis auf. Post- Zionismus sei Anti-Zionismus, sagte Erziehungsministerin Limor Livnat. Die Likud-Politikerin giftete vor allem gegen die „neuen Historiker”, weil sie Israel die legitime Vergangenheit und Zukunft absprächen.
Segev zählt zu diesen kritisierten Historikern. Dass er seiner Heimat schaden wolle, ist allerdings ein Vorwurf, den man dem angesehenen Kolumnisten der Tageszeitung Ha'aretz nicht machen kann. Schon von Kindesbeinen an verabscheute er die Verschleierung von Tatsachen: „Meine Wut rührte daher, dass ich die Wahrheit hören wollte, die reine Wahrheit, und sie nicht fand. Nicht alle Kriege waren Israel aufgezwungen worden; nicht immer hat Israel alles versucht, um Krieg zu verhindern, Menschen waren durchaus umsonst getötet worden.” Die „neuen” sollten deshalb auch eher als die „ersten Historiker” bezeichnet werden, findet er, denn „in den frühen Jahren des israelischen Staates gab es keine Geschichtsschreibung, sondern nur Mythologie und Ideologie.”
Mit seinen bisherigen, voluminösen Werken (etwa: „Die siebte Million. Der Holocaust und Israels Politik der Erinnerung”) hat Segev wesentlich zur historischen Aufklärung beigetragen. Sein neuer Band fußt auf seinen bisherigen Arbeiten und ist ebenso anregend geschrieben.
Es geht ihm um „die Kämpfe, die Risse, die Kompromisse und die Rückschläge, mit denen die zionistische Bewegung im Laufe der Jahre fertig werden musste.” Nie habe der Zionismus das gesamte jüdische Volk repräsentiert, und seine prinzipiellen Gegner seien vor allem die Juden selbst gewesen. Der Zionismus habe auch keineswegs immer die Anziehungskraft gehabt, die man ihm noch heute zuschreibt: Die meisten Juden seien nicht aus Überzeugung, sondern aus Not nach Palästina gekommen.
Der permanente Kriegszustand und der Zionismus kitteten die Israelis in den Augen Segevs zusammen. Ende der 70er Jahre waren erste Bewegungen weg „vom ausdrücklichen Engagement für die sozialistischen Werte hin zum Zeitalter der freien Marktwirtschaft” zu erkennen. Der Staat war gereift und aufgrund seiner militärischen Stärke sicher geworden – eine der Erfolgsgeschichten des 20. Jahrhunderts. Weitere Einwanderungswellen aus Äthiopien und Russland veränderten die Gesellschaftsstruktur in den 90er Jahren. Die meisten der rund eine Million Russen haben mit dem Zionismus aber nichts am Hut – mehr als die Hälfte sind heute nicht einmal mehr Juden. Die vielen ultra-orthodoxen Einwohner lehnen den Zionismus ohnehin mehrheitlich ab. Und die zahlreichen Gastarbeiter aus Asien, Afrika und Osteuropa kommen nur der Arbeit wegen.
Während des Osloer Friedensprozesses war erkennbar, dass ein Großteil der Israelis ein neues Bewertungs- und Wertemuster entwickelt hatte: Anstelle der Betonung des Kollektivs und eines starken Anpassungsdrucks war der individuelle Lebensstil in den Mittelpunkt gerückt, die Toleranz für kulturelle Vielfalt und für Partikularismen wurde größer. Der Holocaust, jüdische Geschichte und Traditionen wurden stattdessen zum neuen gemeinsamen Bezugspunkt. Tabus purzelten, und man diskutierte bislang undenkbare Fragen über den teils widersprüchlichen Charakter Israels – wofür der eloquente Historiker viele eindrückliche Beispiele gibt.
Der Imbiss mit dem Namen Elvis steht für den allgegenwärtigen westlichen Einfluss. Segev übersieht bei seiner Begeisterung für die Rolle der USA als Israels Partner Nummer eins allerdings die negativen Auswirkungen dieser Entwicklung: So erwähnt er die rasante Verarmung der israelischen Unter- und Mittelschichten, die von der Öffnung kaum profitieren, nur am Rande. Vieles, was Segev der Amerikanisierung zuschreibt, ist eher eine Folge der allgemeinen Globalisierung.
Unerwähnt bleibt auch, dass Israel durchaus auch mediterran und levantinisch ist, und dass es Debatten darüber gibt, ob man dem Orient oder Europa zuzurechnen sei. So kann beim landesunkundigen Leser ein falscher Eindruck von der Realität entstehen, die eben keine rein aschkenasisch geprägte, amerikanisierte ist.
Segev räumt ein, dass die Debatten über Israels Identität seit dem Wiederausbruch des palästinensischen Aufstands in den Hintergrund gedrängt wurden. Er sagt, der palästinensische Terror habe das Land „zurück in den Schoss des Zionismus gebombt”, es herrsche jetzt wieder die „Mentalität eines belagerten Stammes”. Die Israeli hätten aber jedenfalls eine Ahnung davon bekommen, dass es auch „ein Leben nach dem Zionismus” gebe. Mitunter kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, der Autor dieses ausgesprochen lesenswerten Buchs sei seinem eigenen Wunschdenken erlegen: endlich in einem Land leben zu können, mit dem er sich wirklich identifizieren kann.
ALEXANDRA SENFFT
Israelische Beachgirls auf einer Techno-Parade am Strand: Tel Aviv ist das moderne, das amerikanische Gesicht des jüdischen Staates, Jerusalem das traditionelle. Die Israelis lieben beide Städte und genießen ihre Widersprüche. Das Land ist selbstbewusster geworden in den vergangenen Jahren, auch multikultureller, und der westliche Einfluss ist fast überall gegenwärtig.
Foto: AP
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.07.2003

Mit Elvis in die Zukunft
Tom Segev zeichnet ein abweichendes Porträt von Israel

Tom Segev: Elvis in Jerusalem. Die moderne israelische Gesellschaft. Siedler Verlag, Berlin 2003. 167 Seiten, 18,- [Euro].

Der Titel läßt zunächst an Unterhaltsames denken: "Elvis in Jerusalem". Doch der Name des Autors macht deutlich, daß es sich um eine ernste Sache handelt. Tom Segev ist der bekannteste israelische Journalist der Linken, wöchentlicher Kolumnist unter anderem der angesehenen Zeitung "Haaretz". Mit seinem Buch "Die siebte Million. Der Holocaust und Israels Politik der Erinnerung" wurde er 1995 auch in Deutschland bekannt.

Sein jüngstes, eher schmales Bändchen bietet ein subjektives, provokantes Porträt der gegenwärtigen israelischen Gesellschaft, mit dem er gewiß wieder aneckt. Er beschreibt in bisweilen stark anekdotischem Stil die Transformation seines Landes vom zionistischen "Musterstaat", dem exklusiven Staat der Juden, hin zur modernen, multipluralen und kosmopolitischen Gesellschaft, die so manchem alten Zionisten die Zornesröte in das Gesicht treiben mag. Es ist ein Prozeß, der sich in den letzten zehn Jahren sogar beschleunigt hat. Der Autor macht ihn an einer Elvis-Figur an einer Tankstelle mit Schnellimbiß fest, denn die von ihm beobachtete Verwandlung bedeutet vor allem eine Amerikanisierung.

Diese Amerikanisierung Israels, die der Verfasser vom Fast food (davon gibt es in der Tat reichlich in Israel) bis zur mediengemäßen Vermarktung der Politik (Beispiel: der Aufstieg Benjamin Netanyahus) verfolgt, wird von Segev nun nicht etwa in einem kulturpessimistischen Lamento abgehandelt, sondern - von einigen Ausnahmen abgesehen - geradezu als Chance für eine bessere Zukunft interpretiert. Weg von den zionistischen Mythen, deren Gehalt einstmals in Europa entstand, hin zu weiterer Demokratisierung und Individualisierung. Mögen die postzionistischen Lebensentwürfe vieler Israelis die alten Zionisten mit ihren kollektiven Siedler- und Kämpferidealen auch düpieren - sie sind wohl irreversibel. Zudem ist das Land im religiösen Sinne jüdischer geworden, mit all jenen Aversionen, die die Ultra-Orthodoxie schon immer gegen die zionistische Staatwerdung hatte. Auch die Einwanderung von einer Million Russen in den neunziger Jahren hat Israel nicht unverändert gelassen: Heute ist jeder vierte Israeli ein "Russe". Auch wächst die Zahl der Nicht-Juden, die sich im Land niedergelassen haben.

In einer Zeit, da viele europäische Intellektuelle ihren wohlfeilen Antiamerikanismus pflegen, verpackt in altbekannte Platitüden, erkennt Segev in der Amerikanisierung eine Modernisierung seines Landes, die es im Grunde offener, pragmatischer mache für Fremdes, aber auch für die unausweichlichen internen Auseinandersetzungen. Das geht bis zur Hinwendung zu jüdischen Reformgemeinden liberalen amerikanischen Zuschnitts, ja bis zum Obersten Gerichtshof, der amerikanische Urteile studiert und gegebenenfalls gegen die Erwartungen der zionistischen reinen Lehre Recht spricht, etwa im Falle arabischer Israelis, denen man grundlegende Rechte verweigerte.

Natürlich ist der Blick des Autors selektiv. Es gibt in Israel auch andere Trends. Vielleicht hat doch Tel Aviv, weniger Jerusalem, mit seinem Klima eines säkularen Individualismus zu sehr Pate gestanden bei seinen Beobachtungen. Doch aufschlußreich sind sie gewiß. So muß denn auch die Zukunft zeigen, ob die durch Amerika vermittelte "Lockerung" des Zionismus angesichts der terroristischen Verhärtungen und politischen Barrikaden wirklich die Keimzelle für eine neue Kompromißbereitschaft und Verständigung gegenüber den arabischen Nachbarn bieten wird oder nicht.

WOLFGANG GÜNTER LERCH

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Stimme aus dem Verlag: "Kurz, prägnant, streitbar - Tom Segev, Israels bekanntester Journalist, macht sich Gedanken über die moderne israelische Gesellschaft und darüber, welche Prägung den Terror überdauern wird: Zionismus oder Amerikanisierung."
(Dr. Thomas Sparr, Cheflektor, Siedler Verlag)

Unverzichtbar für jeden, der die gegenwärtigen Ereignisse in Israel und im Nahen Ostern verstehen möchte." (Publishers Weekly)

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wolfgang Günter Lerch prophezeit, dass der Haaretz-Kolumnist Tom Segev mit diesem "subjektiven, provokanten Portrait der gegenwärtigen israelischen Gesellschaft" bestimmt wieder anecken wird. Die von Segev beschriebene Amerikanisierung Israels werde "so manchem alten Zionisten die Zornesröte ins Gesicht treiben", meint unser Rezensent. Denn die Transformation Israels vom "zionistischen Musterstaat" hin zu einer "multipluralen Gesellschaft" werde von Segev als Modernisierung begrüßt. Auch wenn die Bewegung hin zu weiterer Demokratisierung und Individualisierung für Lerch unleugbar ist, gibt er zu bedenken: "Es gibt in Israel auch andere Trends." Er vermutet das statt Jerusalem doch eher Tel Aviv mit seinem "Klima eines säkularen Individualismus" Pate für Segevs Beobachtungen gestanden hat. Interessant findet Lerch die Frage, ob die "durch Amerika vermittelte Lockerung" wohl in Zukunft den Boden für eine neue Verständigung mit den arabischen Nachbarn bereiten wird.

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