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Capus` Helden waren uneheliche Kinder gefallener Dienstmädchen, litten an bösen Stiefmüttern, fixen Ideen und körperlichen Gebrechen, sie mussten Hungersnöte, Kriege und Revolutionen überstehen. Trotzdem - oder gerade deshalb - zogen sie aus, die Welt zu erobern. Das Berner Dienstmädchen Marie Grosholtz erlangte als Madame Tussaud Weltruhm. Der Neuenburger Jean-Paul Marat zettelte mit Danton und Robespierre die Französische Revolution an. Der Aarauer Uhrmachersohn Ferdinand Hassler vergrößerte die USA auf Kosten Kanadas. Ein Berner namens Pauli baute das erste lenkbare Luftschiff der Welt. Ein…mehr

Produktbeschreibung
Capus` Helden waren uneheliche Kinder gefallener Dienstmädchen, litten an bösen Stiefmüttern, fixen Ideen und körperlichen Gebrechen, sie mussten Hungersnöte, Kriege und Revolutionen überstehen. Trotzdem - oder gerade deshalb - zogen sie aus, die Welt zu erobern. Das Berner Dienstmädchen Marie Grosholtz erlangte als Madame Tussaud Weltruhm. Der Neuenburger Jean-Paul Marat zettelte mit Danton und Robespierre die Französische Revolution an. Der Aarauer Uhrmachersohn Ferdinand Hassler vergrößerte die USA auf Kosten Kanadas. Ein Berner namens Pauli baute das erste lenkbare Luftschiff der Welt. Ein falscher Arzt namens Meyer befreite Griechenland vom Joch der Türken, und ein Glarner namens Zwicky schoss das erste von Menschenhand geformte Objekt in den Weltraum. Wie immer erzählt Alex Capus spannend und amüsant von Menschen, die zäh, geschickt und unbeirrbar zuversichtlich an ihre Fähigkeiten und Träume glauben, die Zeitläufe nutzen und sich durch Niederlagen und Fehlschläge nicht entmutigen lassen.
Autorenporträt
Alex Capus, geboren 1961 in Frankreich, studierte Geschichte, Philosophie und Ethnologie in Basel und arbeitete während und nach seinem Studium als Journalist und Redakteur bei verschiedenen Tageszeitungen und bei der Schweizer Depeschenagentur. 1994 veröffentlichte Alex Capus seinen ersten Erzählband, dem seitdem neun weitere Bücher mit Kurzgeschichten, historischen Reportagen und Romanen folgten. Capus verbindet sorgfältig recherchierte Fakten mit fiktiven Erzählebenen, in denen er die persönlichen Schicksale seiner Protagonisten einfühlsam beschreibt. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt; für seine schriftstellerische Arbeit erhielt er zahlreiche Preise. Daneben hat Capus auch als kongenialer Übersetzer von Romanen des US-amerikanischen Autors John Fante gewirkt. Alex Capus lebt als freier Schriftsteller mit seiner Familie in Olten/Schweiz.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.03.2009

Von den Vorzügen des Wachsschnitzens
Die Schweiz ist klein, aber irgendwann kommen manche Schweizer groß heraus: Alex Capus versammelt „Himmelsstürmer” zu einem Gruppenporträt
Was haben das Dienstmädchen Marie Grosholtz, der Physiker Fritz Zwicky und der Hauslehrer Pierre Gilliard gemeinsam? Alle waren sie Schweizer, und alle haben sie Außergewöhnliches geleistet. Wobei außergewöhnlich relativ ist. Die eine zog als Madame Tussaud ein Wachsfigurenkabinett auf, der andere hat als erster Mensch etwas in den Weltraum geschossen und der dritte hat für die Romanows gearbeitet, die Familie des letzten russischen Zaren.
In seiner Porträtsammlung „Himmelsstürmer” stellt Alex Capus insgesamt zwölf berühmte Schweizer vor. Die Betonung liegt auf Schweizer, denn abgesehen von Jean Paul Marat (er verbrachte in der Schweiz seine Jugend), hat man von kaum einem jemals gehört. Aber je kleiner ein Land ist, desto größer erscheinen ihm offenbar seine Helden, und wer nicht dazugehört, wird vom Wahl-Schweizer Alex Capus einfach eingemeindet: „Ich will nicht behaupten, dass Christoph Kolumbus Schweizer gewesen sei – aber ziemlich sicher bin ich schon”, heißt es auftrumpfend im Vorwort, und dann erzählt Capus von irgendwelchen Rittern von Colombey aus Genf, die irgendetwas mit Columbus zu tun gehabt haben könnten.
Abgesehen vom Narzissmus der kleinen Differenz, dem Capus wie mancher Bewohner eines kleinen Landes gelegentlich anheim fällt, sind die Porträts durchaus lesenswert. Capus erzählt mit leichter Hand und bleibt dennoch nah an den historischen Quellen (die im Anhang dankenswerterweise aufgelistet sind). Schon die Auswahl ist gelungen, denn Capus lässt auch den zweideutig schillernden Antihelden Raum, dem falschen Arzt Hans Jakob Meyer etwa, der in Griechenland gegen die Türken zu Felde zog, oder dem Abenteurer Adolf Haggenmacher, der bei einer Expedition am Horn von Afrika den Tod fand. Dessen Geschichte beginnt mit dem schönen Satz: „Adolf Haggenmacher hatte das Unglück, zeitlebens am falschen Ort zu sein – und wenn er mal am richtigen Ort war, dann gewiss zur falschen Zeit.”
Immerhin vier Frauen hat Capus für seine „Himmelsstürmer” aufgetan. Die sind, wie so oft, interessanter als die meisten Männer. Madame Tussaud etwa, deren Leben sich im Laufe der zwölf Geschichten immer wieder mit den anderen Leben kreuzt. Die Dienstmagd, die als Kind das Wachsschnitzen gelernt hatte, schaffte es mit ihrer Kunst erst an den französischen Hof, später bis nach London. Oder Regula Engel, Gattin eines Obersts und Mutter von 21 Kindern, die Napoleon über tausende Kilometer durch die Schlachtfelder Europas folgter und dabei fast ständig schwanger war oder im Wochenbett lag.
Einen ungewöhnlichen Weg ging auch Marie Manning. Die Schweizerin wurde Kammerzofe einer englischen Lady, heiratete und ließ sich von einem früheren Liebhaber aushalten. Der bezahlte das mit seinem Leben – Marie Manning und ihr Mann erschossen ihn, um an seine Eisenbahnaktien heranzukommen. Während des Prozesses erschien Marie Manning „als vollkommene Lady”, wie die Zeitungen damals schrieben. Die Geschichte der Marie Manning wirkt in der Gesellschaft der hier versammelten „Himmelsstürmer” wie ein Kontrastmittel: Sie illustriert, dass dem Verbrechen keine andere Aufstiegsfantasien zugrunde liegen als den größten Heldentaten. VERENA MAYER
ALEX CAPUS: Himmelsstürmer. Zwölf Portraits. Knaus Verlag, München 2008. 207 Seiten, 14,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.03.2009

Der Lebenslauf ist mitunter ein aufregender Sport

Glücksrausch im Ballon: Der Schweizer Autor Alex Capus schildert das Leben von zwölf Himmelsstürmern, die von ihrem Genie oder auch von einem Spleen um die Welt getrieben wurden.

Dies ist ein Buch für die Krise. Zeigt es doch, dass prinzipiell nichts unmöglich ist und es auch schlimmstenfalls immer noch besser werden kann. Der Schweizer Alex Capus schildert Biographien, die man für kaum glaublich halten würde, wären sie nicht verbürgt. Sein Stil ist geschult am soliden, faktensicheren Erzählen des Realismus, aber die Mentalität und die Themen seiner Bücher sind romantisch. Immer wieder erzählt er von Menschen, die sich mit ihrem Alltag nicht abzufinden gedenken, von Aussteigern, Ganoven, Lebenskünstlern, von großen Reisenden und Erfindern, von Unternehmern, die die Ärmel hoch- und die Welt umkrempeln, von Menschen, die nicht vom Brot allein leben, sondern von ihrem Genie oder ihrem Spleen um den Globus getrieben werden.

Zwischen seinen Romanen legt der begnadete Geschichtenfinder Sammlungen mit literarischen Porträts vor. Nach den "Patriarchen" der Gründerzeit sind es diesmal zwölf "Himmelsstürmer", wobei der Begriff sowohl wörtlich wie im übertragenen Sinn zu verstehen ist. "Ihn nicht entsetzlich zu finden fällt schwer", schreibt Capus in einem fulminanten Kapitel über den berühmtesten Schweizer Revolutionsexport vor Lenin. Gemeint ist der kleine, krumme, von den Krusten seiner Hautkrankheit entstellte Jean-Paul Marat, ein gedemütigter Mann und ehrgeiziger Arzt, der sich nicht damit begnügen wollte, ein gefragter Tripperdoktor zu sein. Zum Heiler der Menschheit fühlt er sich berufen. Die letzten vier Jahre seines Lebens, Jahre der permanenten Revolution, verbrachte er dauerschreibend als Herausgeber und Hauptautor des legendären "L'Ami du Peuple" im Pariser Untergrund.

Dabei traf er irgendwann auf ein vormaliges Schweizer Landmädchen namens Marie Grosholtz. Sie bezichtigte sich später des Flirts mit dem Revolutionär; da war sie schon weltberühmt als Madame Tussaud und bemühte sich, auch ihr Vorleben etwas prickelnder zu gestalten. Capus entwickelt viel Sinn für wunderliche Zufälle und merkwürdige Zusammentreffen, für die prägnanten Momente, in denen sich Lebensläufe kreuzen, um dann wieder in ganz verschiedene Richtungen auseinanderzustreben.

Capus' Helden sind Artisten des Scheiterns und des Neubeginns, wie Hans Jacob Meyer, der - ohne je Medizin studiert zu haben - als Lazarettarzt unter die Philhellenen geriet. Das waren jene jungen Idealisten oder auch verkrachten Existenzen, die nach 1820 aus ganz Europa herbeigereist kamen, um am Freiheitskampf der Griechen gegen die Türken teilzunehmen. Der Berühmteste unter ihnen war der schwerreiche Lord Byron mit seiner Leibgarde von sechsundfünfzig Mann. Der Dichter-Dandy war auf politischer Sinnsuche, fand aber bloß den Tod - in Missolunghi starb er, vermutlich an der Malaria, ganz sicher aber in den Armen Hans Jacob Meyers.

Dass manche Frauen bereits vor zweihundert Jahren Beruf und Kinderaufzucht zu vereinbaren wussten, dafür bürgt das Porträt der Regula Egli, geboren 1761 in einem Schweizer Bauerndorf. Sie heiratete früh den schicken Gardisten Florian Engel, der seinen Treueid auf den französischen König brach, um Napoleon zu dienen. Gemeinsam zog das Paar fortan über die europäischen Schlachtfelder, Regula ständig schwanger - einundzwanzig Kinder gebar sie auf und zwischen den Feldzügen; die meisten wurden nicht alt. Selbst im Rang eines Leutnants kämpfend, musste sie erleben, wie ihre Söhne und schließlich auch ihr zeugefreudiger Mann erschlagen wurden. Müde von all den Kämpfen und Geburten reiste die Mittfünfzigerin an den Mississippi, um sich bei einem ihrer Söhne zur Ruhe zu setzen. Sie kam aber nur gerade rechtzeitig, um ihren "lieben Caspar" zu begraben. Später lebte sie von der Schweizer Armenfürsorge, ein uraltes Soldatenweib, das Ungeheuerliches zu erzählen hatte und sich mit ihren Memoiren ein kleines Zubrot verdiente.

Besonders angetan haben es Capus die Erfinder, die mit ihren Ideen zu früh kamen, wie Samuel Johann Pauli, der ein den traditionellen Vorderladern weit überlegenes Hinterlader-Repetiergewehr entwickelte. Napoleon lehnte die Waffe ab - im Krieg gebe es keine Mittel für die Massenproduktion, lautete die aberwitzige Begründung. Später kam Paulis Gewehr zu den Preußen, die sich damit zur Reichsgründung schossen. Der Erfinder aber war längst unter die Ballonbauer gegangen und hatte ein lenkbares fischförmiges Luftschiff entwickelt, das die Sensation in London war - nur leider niemals einen Fingerbreit vom Boden abhob.

Das längste und zugleich poetischste Porträt aber ist einem wirklichen Himmelsstürmer gewidmet, dem noblen Luftschiffer Eduard Schweizer, der sich Spelterini nannte. Im neunzehnten Jahrhundert galt es als äußerst schick und verwegen, sich für gutes Geld einen Platz im Korb eines Ballons zu sichern. Spelterini verschaffte den jungen Snobs in den europäischen Hauptstädten das Vergnügen. Wo er mit seinem sonnengelben Flieger in die Lüfte stieg, stellten sich Tausende von Schaulustigen ein. Capus beschreibt es mit Worten, dass man am liebsten selbst sofort einsteigen und mitschweben möchte, um den Glücksrausch des Ballonflugs zu erleben. Wissenschaftler begannen in Spelterinis Gondel vor Seligkeit zu weinen, vergaßen aber nicht die Experimente, die Zweck ihres Höhenflugs waren. Spelterini machte gute Geschäfte mit spektakulären Luftaufnahmen und überflog als Erster mehrfach die Alpen. Dann aber brach die Epoche der lärmenden Motorflugzeuge an, eines Gentlemans nicht würdig. Der mondäne Spelterini geriet in Vergessenheit, sein Vermögen schmolz dahin, und schließlich musste er sich mit seinem Ballon als Attraktion in einem ordinären Vergnügungspark verdingen.

Capus bietet nicht nur Lesevergnügen, sondern auch spannende historische Perspektiven, gerade weil er die Hauptstraßen der Überlieferung meidet und sich stattdessen lustvoll auf Nebenwegen ergeht. Er versteht sich auf die Kunst, seine Texte leicht und unangestrengt wirken zu lassen; das Vorwort will er gar auf der Sonnenterrasse des Oltener Stadtbads verfasst haben. Den wahren Arbeitsaufwand verraten die letzten acht Seiten des Buchs: nichts als Quellenangaben.

Ohne dass er den Ehrgeiz hätte, einen Roman in zwölf Geschichten zu schreiben, stellt Capus doch zahlreiche Verknüpfungen her. Die ägyptischen Söhne der Regula Engel geistern auch durch andere Biographien, und erst recht im Wachsfigurenkabinett der Madame Tussaud laufen diverse Fäden zusammen. Jede Lebensgeschichte lässt sich mit jeder beliebigen anderen verbinden, wenn man nur den scharfen und zugleich freizügigen Sinn für die Zusammenhänge hat - und ein bisschen schelmenhaften Humor dazu.

Das frische Staunen über die Menschen und das Menschenmögliche ist die Tugend dieses Erzählers. Der aufregendste Sport ist für ihn der Lebenslauf. Und der ist, jedenfalls bei Himmelsstürmern, niemals eine berechenbare Parabel, sondern eine verwinkelte Strecke, die selten zum Ziel führt. Unterwegssein ist alles.

WOLFGANG SCHNEIDER

Alex Capus: "Himmelsstürmer". Zwölf Portraits. Knaus Verlag, München 2008. 208 S., geb., 14,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Verena Mayer hat die zwölf Porträts herausragender Schweizer des Wahlschweizers Alex Campus gern gelesen, auch wenn sie ein wenig spöttisch bemerkt, dass man außerhalb des kleinen Landes die meisten Persönlichkeiten wahrscheinlich nicht kennt. Positiv registriert die Rezensentin, dass der Autor neben acht Männern auch vier berühmte Schweizerinnen porträtiert, und sie freut sich, dass Campus auch ausgesprochene "Antihelden" wie den "falschen Arzt" Hans Jakob Meyer oder den auf einer Expedition umgekommenen Adolf Haggenmacher in seine Sammlung aufgenommen hat. Trotz der flüssigen Schreibweise halte sich der Autor dabei treu an seine historischen Quellen, lobt Mayer noch, die zudem dankbar bemerkt, dass diese im Anhang auch aufgeführt sind.

© Perlentaucher Medien GmbH