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Als in Deutschland der Naziterror zu toben beginnt, emigriert der jüdisch-fränkische Kaufmannssohn Robert Schopflocher mit seiner Familie als Vierzehnjähriger nach Argentinien. Er arbeitet auf einer Obstfarm in Nordpatagonien, beginnt ein Studium der Landwirtschaft und tritt 1951 in die väterliche Firma ein. Aus nächster Nähe beobachtet er den Aufstieg des Diktators Perón und, nach dessen Tod, den darauf einsetzenden Staatsterror der Militärdiktaturen. Schopflocher wendet sich der Literatur zu und avanciert mit seinen Romanen und Erzählungen - in spanischer und deutscher Sprache - zu einem der…mehr

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Produktbeschreibung
Als in Deutschland der Naziterror zu toben beginnt, emigriert der jüdisch-fränkische Kaufmannssohn Robert Schopflocher mit seiner Familie als Vierzehnjähriger nach Argentinien. Er arbeitet auf einer Obstfarm in Nordpatagonien, beginnt ein Studium der Landwirtschaft und tritt 1951 in die väterliche Firma ein. Aus nächster Nähe beobachtet er den Aufstieg des Diktators Perón und, nach dessen Tod, den darauf einsetzenden Staatsterror der Militärdiktaturen. Schopflocher wendet sich der Literatur zu und avanciert mit seinen Romanen und Erzählungen - in spanischer und deutscher Sprache - zu einem der auch in Deutschland bekanntesten Schriftsteller Argentiniens."Seine Sprache erinnert an die Prosa eines Stefan Zweig oder Lion Feuchtwanger. (...) Ein Schriftsteller, der sich dem Erbe der Aufklärung verpflichtet fühlt." Dr. Gunnar Och in seiner Laudatio zum Jakob-Wassermann-Preis 2008
Autorenporträt
Robert Schopflocher, 1923 in Fürth geboren, erlebte als Zehnjähriger die Machtergreifung der Nationalsozialisten. Es folgten Jahre der Ausgrenzung und Anfeindung, bis der Familie 1937 die Auswanderung nach Argentinien gelang. Schopflocher wurde in seiner Eigenschaft als Agronom Verwalter einer landwirtschaftlichen Siedlung und später zu einem erfolgreichen Schriftsteller. 2008 erhielt er den Jakob-Wassermann-Literaturpreis. Er lebt heute in Buenos Aires.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.03.2011

Die Fliehkräfte des Lebens

In einer ergreifenden Autobiographie erzählt Robert Schopflocher von seiner Flucht nach Argentinien. Dort überlebte der deutsche Jude die NS-Herrschaft und wurde zum Chronisten einer Exilantengeneration.

Kaum stellt sich die Überzeugung ein, man sei hinreichend über die Schicksale der in den dreißiger Jahren aus dem Nazireich in die letzten Ecken der Erde Verjagten unterrichtet, erscheint ein neues chef d'oeuvre, das selbst die Überdrüssigen umstimmen könnte. Es ist, als hätte der fast neunzigjährige Autor einen Ruf vernommen und gebe darauf die Antwort: "Wir sind die Letzten, fragt uns aus!"

Diesmal kommt die Nachricht aus Argentinien - von einem Schriftsteller. Das ist von großem Vorteil für den Leser, denn ihm wird die komplexe Geschichte nicht in holperigem Stil vorgesetzt wie in manch anderen Lebensberichten, sondern in einem reichen, wendigen Deutsch. Zu den Vorzügen des Buches gehört auch seine Einteilung in über fünfzig Kurzkapitel mit wechselnden Themen, wodurch ein abwechslungsreiches historisches Kaleidoskop entsteht. Eine der launigen Kapitelüberschriften lautet: "Doch den Akzent verliert man nie". Sie scheint die ganze Exilerfahrung auf eine Formel zu bringen.

In Fürth geboren, wo sich viele Juden ansiedelten, weil es ihnen im nahe gelegenen Nürnberg verboten war, wächst Robert Schopflocher in einer emanzipierten großbürgerlichen Familie auf. Die Ausgrenzung begann schon vor 1933. "Der Antisemitismus der zwanziger Jahre war wie ein in homöopathischen Dosen verabreichtes Gift." Aber was war diese schleichende Vergiftung verglichen mit dem sich ständig verengenden Würgegriff der Nazis? In der Stadt und auf dem Land, in der Schule und in den Ämtern, im Privatleben und in der Wirtschaft schnitt man den Juden die Luft ab. Diese Empfindung vermittelt sich - dank einer subtilen Darstellungskunst, die Anschauung und Reflexion miteinander verbindet - auch dem Leser.

Im Jahr 1937 gelang die Ausreise. Die Horizont erweiternde Schifffahrt, die Ankunft in Buenos Aires, wo man von Verwandten empfangen wurde, sie ergeben einen verhältnismäßig sanften Übergang in die fremde Welt, ganz im Gegensatz zum Exil Tausender, die über Bergpässe stiegen, durch Flüsse schwammen, illegal über Grenzen huschten oder von Land zu Land flüchten mussten, um am Leben zu bleiben.

Im Kapitel "Flüchtlingsschiffe" berichtet Schopflocher, dass die jüdischen Passagiere auf seinem deutschen Schiff nicht gleichzeitig mit den "arischen" das Schwimmbecken benützen durften. Und er gedenkt der so genannten Geisterschiffe, die damals die Ozeane durchkreuzten, ohne ihre Fracht von Verfolgten an Land bringen zu können. Besonders berüchtigt ist die "Saint Louis" geworden, deren mit legitimen kubanischen Visa ausgestatteten Passagiere in Havanna nicht landen durften. Sie mussten nach Europa zurückgebracht und auf verschiedene Länder aufgeteilt werden, wo sie einem ungewissen oder genauer einem allzu gewissen Schicksal entgegensahen. Der deutsche Kapitän musste selbst in die Emigration gehen, weil er sich durch seine Bemühungen um die Rettungsuchenden an Bord bei den Nazis unbeliebt gemacht hatte.

Als Parallele zu dieser Episode erinnert Schopflocher an die gescheiterte internationale Flüchtlingskonferenz von Evian, auf der sich kein Land außer der von Diktator Leonidas Trujillo beherrschten Dominikanischen Republik bereit erklärte, einige der zu Tode gehetzten Juden aufzunehmen. Als eine Art Epitaph könnte die kaltschnäuzige Äußerung des Premierministers McKenzie King gelten: Ein einziger Jude wäre für Kanada schon zu viel. Kein Wunder, dass sich Goebbels über die heuchlerisch "judenfeundliche" Welt mokierte.

Freilich gab es auch günstigere Konstellationen, sonst hätten nicht Hunderttausende ein rettendes Ufer erreicht, trotz der immer strengeren Abschottung der Grenzen. Zum Teil waren es die geltenden Einwanderungsgesetze, die dies ermöglichten, zum Teil, wie Schopflocher erklärt, die Bestechlichkeit vieler Konsulatsangestellten.

Der Autor hebt als Wohltäter den Apostolischen Legat Mgr. Roncalli, den späteren Papst Johannes XXIII., hervor, der durch Ausstellung von Taufscheinen zwanzigtausend ungarischen Juden das Leben rettete. Mit Dankbarbeit erwähnt Schopflocher auch die demokratisch gesinnten Argentinier, die in einem zum Faschismus neigenden Staatswesen den Verfolgten beistanden. Nach der verhältnismäßig idyllischen Überfahrt beginnen auch für den jungen Robert die Fährnisse der Emigration in ein nur halb entwickeltes Land, wobei die in die sogenannten "ABC-Länder" Argentinien, Brasilien und Chile gelangten Einwanderer den Neid jener erregten, die es in Staaten wie Paraguay und Bolivien verschlug.

Zunächst konnte Schopflocher noch in Buenos Aires die Schule abschließen, dann besuchte er eine landwirtschaftliche Hochschule in einer Provinzstadt, um den ungeliebten Beruf des Agronomen zu erlernen. Bedingt durch die Auswanderung war die Familie übereingekommen, dass der junge Mann in der Neuen Welt "etwas Praktisches" aus sich machen müsse. Und so kam er als landwirtschaftlicher Berater und Experte in die Siedlungsgebiete, die Ende des neunzehnten Jahrhunderts einer der reichsten Männer der Zeit, der von den Wittelsbachern in den Erbadel erhobene Freiherr Moritz von Hirsch, vor allem den darbenden ostjüdischen Juden zur Verfügung stellte. Unter den vielen Abbildungen, die das Buch zieren, befindet sich auch eine dieses als Baron Maurice de Hirsch bekannten Wohltäters.

Mit der Anstellung beginnt eine von der Norm des durchschnittlichen Emigrantendaseins grundlegend abweichende Lebensphase. Man kann diese als Landwirt und Gutsverwalter in tiefster argentinischer Provinz verbrachten Jahre die Grunderfahrung des Exilanten Schopflocher nennen. Er hat sie nicht nur in dieser Autobiographie höchst lebendig gestaltet, auch seine Erzählungen, gesammelt unter dem Titel "Wie Reb Froike die Welt rettete", handeln von ihr. Die dortigen Erlebnisse gehören zu einer jener "Welten", der jüdischen nämlich, auf die der Untertitel des Buches "Mein Leben zwischen drei Welten" hindeutet. Die beiden anderen sind leicht zu erraten, es sind Deutschland und Argentinien. Die Tätigkeit unter den jüdischen Siedlern ist eine existentielle Erfahrung, die mit viel Humor und bisweilen grotesken Einzelheiten geschildert wird.

Nach Auflösung der Siedlung ist Schopflocher gezwungen, begleitet von seiner Familie, nach Buenos Aires zurückzukehren und sich wie die meisten Emigranten eine Existenz als Kaufmann und als Schriftsteller und graphischer Künstler aufzubauen. Auch diese Lebensphase wird mit viel Lebensweisheit geschildert, aber mit ihr ist er endgültig im Hauptstrom des Auswandererdaseins angekommen.

In seinem Lebensbericht beschränkt sich Robert Schopflocher keineswegs auf den engen Kreis seines eigenen Erlebens. Im Gegenteil: Die Selbstorganisation, die Hilfsvereine, die kulturellen Einrichtungen der Einwanderer werden umfangreich beschrieben. Darüber hinaus gibt es Anekdoten und Reminiszenzen, etwa seine Begegnung mit Stefan Zweig auf einer Vorlesungsreise durch Argentinien, oder eingestreute kurzbiographische Passagen wie die über seinen Schwiegervaters Alfred de Levie. Ein Abschnitt ist der Verhaftung Adolf Eichmanns durch den israelischen Geheimdienst gewidmet; das Für und Wider dieses politischen Eindringens in ein fremdes Land wird erwogen.

Verstreut über das Werk kommentiert der Autor auch die argentinische Politik. Inkompetenz, Willkür, Korruption und Demagogie gehören noch zu den Übeln, hinzu kommen Unterdrückung, faschistische Sympathien, Mord und Totschlag.

Mit schauerlichen Einzelheiten ist auch vom Schreckensregiment der Militärregierung die Rede. Die Darstellung ist allerdings ausgewogen. Man erfährt, dass dem militärischen der Terror der sich selbst so bezeichnenden Guerrilleros, verblendeter radikalisierter Jugendlicher vorausging, die Attentate auf die zivile Bevölkerung verübten. Der Berichterstatter lässt jedoch nicht den geringsten Zweifel an den Exzessen der Generäle, den Verschleppungen, Folterungen und "Verschwindungen" aufkommen. Der Begriff meint die betäubt ins Meer Geworfenen, die "desaparecidos". Ebenfalls erwähnt wird ein besonders perfides Verbrechen der Militärs: die Ermordung junger Mütter und die Schenkung ihrer Kinder an regimefreundliche Familien.

Schopflocher lässt auch jenen anderen Fürther Juden, Henry Kissinger, nicht unerwähnt, der während des Kalten Krieges im Namen der amerikanischen Regierung die mörderischen Generäle in Argentinien und Chile nicht nur geduldet, sondern aktiv unterstützt hat. Verschweigen ist nicht die Art dieses Chronisten.

Doch das Ende ist versöhnlich. Es ist sogar vom "Labyrinth" eines "vielfach verschlungenen Lebenspfades" die Rede, von einem "verborgenen Ziel", ja vom "Walten eines planenden Weltgeistes". Nicht jeder Leser wird diese Hoffnung teilen können, aber dem glanzvollen Erzählwerk wird er bis zu diesem Endpunkt mit Bewunderung folgen.

EGON SCHWARZ

Robert

Schopflocher: "Weit von wo". Mein Leben

zwischen drei

Welten.

Langen Müller Verlag, München 2010. 280 S., geb., 19,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Wohlwollend hat Rezensent Uwe Stolzmann diese Autobiografie von Robert Schopflocher aufgenommen. Er rekapituliert die Lebensgeschichte des jüdisch-fränkischen Kaufmannssohns, der 1937 mit seiner Familie nach Argentinien, wo er Landwirt, Verwalter jüdischer Güter, Maler, Holzschneider und schließlich, mit Mitte fünfzig, hauptberuflicher Schriftsteller wird. Der Lektüre des Buchs merkt er an, dass Schopflocher nie mit seinem Los gehadert hat. Besonders packend findet er die Schilderung der Begegnungen mit Demagogen und Gewalttätern in Argentinien. Er hebt hervor, dass Schopflocher sich nicht in den Mittelpunkt stellen, sondern sich eher als Zeitzeuge am Rande bewegen will, und dementsprechend das "Ich" zurückgedrängt erscheint. Das tut dem Text nach Ansicht von Stolzmann nicht unbedingt gut. Er vermisst den persönlichen Zugriff bisweilen sowie den "typischen Schopflocher-Stil", die "ruhig fließende, präzise Prosa der Erzählungen". Insgesamt erscheint ihm diese Autobiografie eher wie ein "Bericht samt Kommentar", der auf das Literarische weitgehend verzichtet.

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