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Mit diesem Band wird das Projekt der Kritischen Ausgabe in Einzelbänden, der Briefwechsel der Brüder Grimm nach langer Vorarbeit eröffnet.
Die ersten Vorgespräche liegen bereits zehn Jahre zurück, 1995 konstituierte sich das unabhängige Herausgeberkollegium, dem inzwischen über vierzig Fachleute angehören, vorwiegend aus allen Teildisziplinen der Germanistik, aber auch aus der Niederlandistik, der Romanistik und Skandinavistik, aus der Volkskunde, dem Bibliothekswesen und anderen Fächern. Bereits sechsmal sind die Mitglieder zu jährlichen Kolloquien zusammen gekommen, bei denen…mehr

Produktbeschreibung
Mit diesem Band wird das Projekt der Kritischen Ausgabe in Einzelbänden, der Briefwechsel der Brüder Grimm nach langer Vorarbeit eröffnet.

Die ersten Vorgespräche liegen bereits zehn Jahre zurück, 1995 konstituierte sich das unabhängige Herausgeberkollegium, dem inzwischen über vierzig Fachleute angehören, vorwiegend aus allen Teildisziplinen der Germanistik, aber auch aus der Niederlandistik, der Romanistik und Skandinavistik, aus der Volkskunde, dem Bibliothekswesen und anderen Fächern. Bereits sechsmal sind die Mitglieder zu jährlichen Kolloquien zusammen gekommen, bei denen Werkstattberichte über einzelne Individualbriefwechsel im Mittelpunkt stehen. Dass Heinz Rölleke, Wuppertal, der renommierte Herausgeber der Grimmschen Sagen sowie Kinder- und Hausmärchen, die Ausgabe mit dem grundlegenden Briefwechsel der Brüder miteinander (erstmals vollständig und mit Kommentar in einem gesonderten Band) eröffnet, ist als gutes Omen für das gesamte Vorhaben anzusehen. In rascher Folge werden sich die Editionen der Briefwechsel mit Karl Bartsch, Franz Pfeiffer und Gabriel Riedel, heraugegeben von G. Breuer, J. Jährling und Ulrich Schröter sowie mit Gustav Hugo, herausgegeben von S. Biala, anschließen.
Autorenporträt
Heinz Rölleke ist Professor für Deutsche Philologie und Volkskunde an der Universität Wuppertal und einer der maßgeblichen Märchenforscher.
Als führender Grimm- und Märchenforscher erhielt er den Hessischen Staatspreis.
Im Jahr 2012 wurde dem Germanisten und Erzählforscher der Europäischen Märchenpreis 2013 für "herausragende wissenschaftliche Leistungen" auf dem Gebiet der Märchenforschung verliehen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.12.2002

Es waren zwei Bücherkinder, die hatten einander so lieb
Die deutsche Philologie ehrt ihre Mitbegründer mit einer historisch-kritischen Gesamtausgabe: Jacob und Wilhelm Grimm in ihren Briefen
Briefe sind an Abwesende gerichtet, an entfernte Verwandte, Freunde oder Geliebte. Sie suggerieren fortdauernde Nähe – über jene Distanz hinweg, die die Schreibenden voneinander trennt. Dass es überhaupt einen Briefwechsel zwischen Jacob und Wilhelm Grimm gibt, liegt an Zufällen, ungewollten biografischen Wendungen. Wäre es nach ihnen gegangen, so hätten die Brüder ihr ganzes Leben gemeinsam verbracht. „Wir wollen uns einmal nie trennen, und gesezt man wollte einen anderswohin thun, so müßte der andere gleich aufsagen. Wir sind nun diese Gemeinschaft so gewohnt, daß mich schon das Vereinzeln zum Tod betrüben könnte”, schreibt Jacob 1805. „Das ist immer mein Wunsch gewesen, denn ich fühle daß mich niemand so lieb hat als du”, stimmt Wilhelm ohne Zögern zu. Die Unzertrennlichkeit der Brüder ist der Grund ihres Briefeschreibens, mit melancholischer Empfindsamkeit wird sie stets aufs Neue beschworen. „Dein treuer Bruder”, so lautet die unabänderliche Abschiedsformel des ersten wie des allerletzten Briefes.
Hält man den von Heinz Rölleke herausgegebenen Band in der Hand, so wirkt er schwer und voluminös. Dabei birgt er nur einen winzigen Teil jenes riesigen Korpus von über 30 000 Briefen, das die unendlich fleißigen Brüder hinterlassen haben. Mit dem Briefwechsel zwischen Jacob und Wilhelm ist nun der Anfang eines auf vierzig Bände angelegten editorischen Großprojekts gemacht. Es will nach und nach die gesamte Korrespondenz mit Briefen und Gegenbriefen in einer den wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Kritischen Ausgabe zugänglich machen. Der erste Band, zugleich das Herzstück, präsentiert 575 Grimm-Briefe – ein Drittel von ihnen war bisher unpubliziert. Der Briefwechsel erstreckt sich über sieben Jahrzehnte, von 1793 bis 1858. Dazwischen liegen Kriege, Revolutionen, literarische Epochen. Doch der Eindruck historischer Breite täuscht. Wirft man einen Blick auf die Datumszeilen im Inhaltsverzeichnis, dann schnurrt die Zeit der Korrespondenz dramatisch zusammen. Auf jene fünf, sechs Jahre, die die Brüder getrennt voneinander waren – seltene Zäsuren in zwei parallelen Leben.
Dazwischen klaffen große Lücken. Manchmal gibt es jahrelang keinen einzigen Brief. Allein ein Drittel aller Briefe stammt aus jenen zwölf Monaten, die Jacob Grimm nach seiner Vertreibung von der Göttinger Professur 1837/38 im Kasseler Exil lebt. In den acht Monaten, die der angehende Gelehrte 1805 in der Pariser Bibliothèque Nationale verbringt, gehen dreißig Briefe hin und her. Es war die erste längere Trennung. Während sich Jacob, der Ältere und Sprödere, um einen gefassten, manchmal ironischen Ton bemüht, kann Wilhelm den Abschied lange nicht verwinden: „Von den ersten Tagen weis ich dir nichts zu sagen als daß ich sehr traurig war und noch ietzt bin ich wehmüthig und möchte weinen, wenn ich daran denke das du fort bist.” Und doch gibt es für die Wehmut einen Trost: „Ich will nur von den Büchern anfangen.”
In der Bibliophilie findet die Bruderliebe ihr eigentliches Medium. Der Aufbau der gemeinsamen, später berühmten Bibliothek ist ein unerschöpfliches Thema. Ausgiebig werden Neuanschaffungen diskutiert, aufmerksam verfolgen die Brüder Buchauktionen, studieren Messkataloge und lesen die wichtigen literarischen Journale. Erstaunlich ist die intellektuelle Neugierde der jungen Juristen. Ihre frühe Korrespondenz ist zugleich eine fesselnde, wenngleich fragmentarische Geschichte der deutschen Dichtung um 1800. Man stößt auf hinreißende Porträts: ein brummender, schwarz gewandeter Goethe in Weimar, Clemens Brentano als bleichgesichtiger Frömmler.
Nichts Übermütiges haben die Briefe der Zwanzigjährigen, schon als Jünglinge schreiben sie mit professoralem Ernst. Die Welt jenseits „literarischer Neuigkeiten” und „akademischer Nachrichten” bleibt konturlos und blass. Im nachrevolutionären Paris stößt Jacob zwar „bei jedem Schritt beinahe auf Örter, welche entw. die alte oder neue Geschichte bezeichnet hat”. Doch es bleibt bei einem flüchtigen Geschichtsschauder: „Du wirst dich wundern u. es kommt mir selber wundersam vor, daß du von hier aus Briefe erhälst, die du ebenso gut von jedem andern Ort bekommen könntest.”
Die Bibliothek ist Jacobs wahres Refugium. So auch ein Jahrzehnt später, als er, inzwischen Diplomat in kurhessischen Diensten, 1814/15 zum Wiener Kongress entsandt wird. Das große Schauspiel auf geschichtlicher Bühne bleibt für ihn ein „Gewirr von Grobheiten, Welthöflichkeiten, Intrigue”. Wann immer es geht, flieht er zu den mittelalterlichen Handschriften. Noch in den Briefen aus Frankfurt, wo Jacob 1848 als ein Delegierter „unter 2 000 tosenden menschen, die gegeneinander reden und hadern”, an den Versammlungen in der Paulskirche teilnimmt, erscheinen Politik und Geschichte als tumultuarisches Grundrauschen.
Jacobs Ideal ist der Rückzug in ein unabhängiges, „äusserlich mittelmäßiges” Bibliothekarsleben. Der Zweierbund mit Wilhelm ist auf Ausschließlichkeit angelegt – ein defensiver Lebensentwurf nicht ohne biedermeierliche Enge. Um so größer die Angst vor Verlust. Sie ist der heimliche Subtext sämtlicher Briefe und äußert sich im stets besorgten Tonfall (zumal in Zeiten der Cholera), in bedrückenden Phantasmen und Albträumen. Die Brüder hängen aneinander wie die ausgesetzten Geschwister im Märchen. Mit einem düster-entschlossenen „Dein treuer Bruder bis in den Tod” unterschreibt Wilhelm schon im ALter von 18 Jahren. Er leidet an einem „seltsam anomalen Zustand” seines Herzens, Anfällen von Todesangst. Seine schwache Konstitution bindet ihn lange Zeit auch materiell an den Bruder. Offen und beredt gibt er seine seelische Abhängigkeit zu erkennen. Und Jacob ist abhängig von Wilhelms Bedürftigkeit.
Fast nie gibt es persönliche Konflikte. Meinungsverschiedenheiten werden rasch beigelegt und dann nie wieder erwähnt. Zählebiger bleibt ein philologischer Dissens. Er führt ins Zentrum des Grimm’schen Lebenswerks, ihrer Hinwendung zu den Quellen der literarischen Überlieferung. Vor allem die frühen Jahre waren eine Zeit des Sammelns von deutschen Sagen, Mythen und Märchen. Die Briefe berichten von Bibliotheksfunden, dem Abschreiben alter Manuskripte, sie handeln vom Glück des Kopisten. Als Leser kann man das Entstehen einer Wissenschaft, der Germanistik, beobachten. Wilhelm reist durchs Land, um mündlich tradierte Legenden und Volksmärchen „abzuhören”. Auch das Interesse an den Wurzeln von Wörtern und Grammatik hängt mit der Lust an den Ursprüngen zusammen. Bestärkt wird sie durch die romantische Idee einer göttlichen Offenbarung von Sprache und Poesie.
Hier knüpft der zeitgenössische Streit über Kunst- und Volkspoesie an. War es legitim, die alten Stoffe bearbeitend zu verändern, so wie es die Freunde Arnim und Brentano in der Wunderhorn-Sammlung taten? Jacob war die Idee, man müsse „die alten Sachen zu recht machen”, zuwider. „So wenig sich fremde edele Thiere aus einem natürlichen Boden in einen andern verbreiten laßen, ohne zu leiden u. zu sterben, so wenig kann die Herrlichkeit alter Poesie wieder allgemein aufleben, d. h. poetisch; allein historisch kann sie unberührt genoßen werden.” In diesem einen Satz ist sein philologisches Ethos aus dem Geist historischer Quellenkritik zusammengefasst. Wilhelm, dem poetischen Erzähler der „Kunst- und Hausmärchen” war diese Position anfangs zu puristisch. Später schwenkte er auf die „historische Ansicht” Jacobs ein.
Die Querele ist bis heute aktuell. In ganzer Breite ist sie jetzt in dem von Roland Reuß im „Text”-Heft 7 edierten Briefwechsel zwischen Jacob und Wilhelm Grimm, Achim von Arnim und Friedrich Carl von Savigny nachzulesen. Man kann, wie Reuß, in dem Disput des Jahres 1811 durchaus eine Urszene der Editionswissenschaft sehen. Seine Editionen mit Faksimiles der Handschriften und ihrer möglichst genauen typografischen Wiedergabe sind Jacob Grimms Begriff historischer Treue verpflichtet. Eine Philologie der strengen Observanz ist hier am Werk, engagiert und polemisch – dabei suggestiv in ihrem kompromisslosen Anspruch. Reuß konzediert immerhin, dass sein aufwändiges Verfahrens für das Gesamtkorpus der Grimm-Korrespondenz kaum durchzuhalten wäre.
Anders als Reuß wollen die Herausgeber der vorliegenden Kritischen Ausgabe vor allem „gut lesbare und zitierbare Texte” präsentieren. Sie verzichten weitgehend auf „editorische Einblendungen und Sonderzeichen”. Heinz Röllekes Konjekturen und Korrekturen an Orthographie und Interpunktion der originalen Grimm Handschriften sind sparsam, hier und da nicht immer konsequent. Aber das betrifft winzige Details und schmälert mitichten das beträchtliche Verdienst einer vorzüglichen Edition. Auf den wissenschaftlichen Apparat und das Register sowie eine angekündigte „Sagenkonkordanz” wird der Leser noch eine Weile warten müssen.
Soeben als Fortsetzung der Kritischen Ausgabe erschienen ist der Grimm- Briefwechsel mit Karl Bartsch, Franz Pfeiffer und Gabriel Riedel, Schülern und Mitarbeitern der Brüder. Jacob Grimm zeigt sich hier als Lehrer von pedantischer Genauigkeit. Die drei Korrespondenzen geben Einblicke in die titanische Arbeit am Deutschen Wörterbuch - sie sind weniger von biografischem als wissenschaftshistorischem Interesse und akribisch kommentiert. Vom „Joch” der Wörterbucharbeit berichten auch die Briefe aus Jacobs und Wilhelms letzten beiden Lebensjahrzehnten. 1858, ein Jahr vor Wilhelms Tod, endet ihre Korrespondenz unspektakulär. Seine Abschiedsbriefe hatte Wilhelm bereits Jahrzehnte zuvor verfasst, damals niedergedrückt durch sein unheilbar scheinendes Herzleiden. Es sind rührende, sentimentale Vermächtnisse, heimlich in der Nacht aufgeschrieben, wenn der Bruder sich schlafen gelegt hatte. RALF BERHORST
JACOB UND WILHELM GRIMM: Kritische Ausgabe in Einzelbänden. Band 1.1. Briefwechsel Hrsg. von Heinz Rölleke. S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2001. 803 Seiten, 49,90 Euro. Band 2: Briefwechsel von Jacob und Wilhelm Grimm mit Karl Bartsch, Franz Pfeiffer und Gabriel Riedel. Hrsg. von Günter Breuer, Jürgen Jaehrling und Ulrich Schröter. S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2002. 343 S., 38 Euro.
TEXT. KRITISCHE BEITRÄGE. Heft 7. Wie zu edieren sei. Verlag Stroemfeld/Roter Stern, Frankfurt am Main und Basel 2002. 252 Seiten, 24 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Hans-Albrecht Koch begrüßt freudig die Herausgabe des Briefwechsels der Brüder Grimm, und das nicht nur, weil die Korrespondenz nun zum "ersten Mal vollständig" vorliegt. Den Rezensenten begeistert besonders, dass hier nun auch bereits bekannte Briefe in ihrer authentischen Form zugänglich gemacht werden und sein Vergleichsbeispiel, wie ein Brief bisher publiziert war und wie er sich in der neuen Edition liest, macht den Unterschied augenfällig. Die Briefedition biete einen "veritablen Panoramablick" und mache "wichtige Zeugnisse zu allen Werken" der Brüder Grimm zugänglich, so der begeisterte Rezensent. Dass sich Rölleke der Briefe als Herausgeber angenommen hat, preist er als wahren "Glücksfall". Koch hebt außerdem lobend hervor, dass der Briefband sich nicht in editorischer Haarspalterei verliert, sondern "sinnvolle" Entscheidungen in Bezug auf Schreibweisen und Satzzeichen getroffen hat.

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