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Michael Köhlmeiers Erzählungen beginnen oft mit einem schlichten, ganz einfachen Satz, und doch ist man sofort mittendrin: "Ich hatte einen Fehler begangen, einen empfindlichen." Es geht in diesen Geschichten nicht um die ganz großen Themen, es geht um das, was nebenbei und zwischendurch passiert. Die Erzählung "Auf Bücher schießen und andere Kleinigkeiten" handelt von einem Traum, "Mut am Nachmittag" von einem Mann, der traurig ist. "Ein freier Nachmittag", "Unterhaltungen in der Küche" - davon erzählt der Autor meisterhaft, und irgendwann kommt dem Leser der Verdacht, dass es hier vielleicht…mehr

Produktbeschreibung
Michael Köhlmeiers Erzählungen beginnen oft mit einem schlichten, ganz einfachen Satz, und doch ist man sofort mittendrin: "Ich hatte einen Fehler begangen, einen empfindlichen." Es geht in diesen Geschichten nicht um die ganz großen Themen, es geht um das, was nebenbei und zwischendurch passiert. Die Erzählung "Auf Bücher schießen und andere Kleinigkeiten" handelt von einem Traum, "Mut am Nachmittag" von einem Mann, der traurig ist. "Ein freier Nachmittag", "Unterhaltungen in der Küche" - davon erzählt der Autor meisterhaft, und irgendwann kommt dem Leser der Verdacht, dass es hier vielleicht doch um das ganze Leben geht. Sein großer Roman "Abendland" hat Kritiker wie Leser begeistert; in diesem Band, in dem auch sechs neue Erzählungen enthalten sind, kann man sich überzeugen, dass Michael Köhlmeier immer schon eines war: der Meister der kleinen Form.
Autorenporträt
Michael Köhlmeier, 1949 in Hard am Bodensee geboren, lebt in Hohenems/Vorarlberg und Wien. Bei Hanser erschienen die Romane Abendland (2007), Madalyn (2010), Die Abenteuer des Joel Spazierer (2013) und Spielplatz der Helden (2014, Erstausgabe 1988), der Gedichtband Der Liebhaber bald nach dem Frühstück (Edition Lyrik Kabinett 2012) und zuletzt die Romane Zwei Herren am Strand (2014) und Das Mädchen mit dem Fingerhut (2016), Ein Vorbild für die Tiere (Gedichte, 2017) sowie Der Mann, der Verlorenes wiederfindet (Novelle, 2017). Michael Köhlmeier wurde vielfach ausgezeichnet, zuletzt 2017 mit dem Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem Marie Luise Kaschnitz-Preis für sein Gesamtwerk.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.02.2010

Die Enzyklopädie der ganzen Welt
Im Kaffeehausgeflecht: Michael Köhlmeiers Erzählungen
Wohl dem, der eine Stammkneipe hat. Sie ist Zufluchts- und Ausfluchtsort, Heimat und Hort von Gerüchten, Geschichten und Verdächtigungen: Was ist zum Beispiel mit dem, der schon tagsüber Whiskey trinkt, immer in der Ecke sitzt und böse guckt? Die Stammkneipe kann der Himmel sein oder die Hölle, sie ist Kristallisationspunkt erwünschter und unerwünschter Begegnungen; sie strukturiert das Leben in Raum und Zeit und kann Sicherheit geben. Sie ist im Idealfall die ganze Welt im Kleinen.
Der Erzähler in Michael Köhlmeiers 1998 erschienenem Band „Bevor Max kam” geht nicht in die Kneipe, sondern, wie es sich für Wien gehört, ins Kaffeehaus, und zwar jeden Mittwoch um die gleiche Zeit. Er bestellt Gulaschsuppe oder Würstchen und einen großen Schwarzen und wartet auf seinen Freund Max. In der Zwischenzeit lässt er die anderen Gäste (und den Kellner Alfred) an seinen Tisch und zu Wort kommen. Er schreibt auf, was man ihm erzählt: Komisches, Trauriges, Absurdes, Belangloses. Manchmal hat es eine Pointe, manchmal auch nicht. Die Figuren tauchen auf und verschwinden; zumeist kommen sie irgendwann wieder. So entsteht ein wunderbares Kaffeehausgeflecht von Erinnerungen und Biographien.
Da ist Muchti, der das „F” nicht richtig aussprechen kann, ein gelernter Elektroinstallateur mit wundersamen Fähigkeiten. Oder Rita, die während eines London-Aufenthaltes beschließt, ihren Mann zu verlassen – ohne Geld, ohne Papiere, ohne Englischkenntnisse. Herrn Wernhofer wiederum ist das Jüngste Gericht in Person von Elvis Presley begegnet. Kurz darauf weist er sich selbst in die Anstalt ein und besteht darauf, dass es sich um ein Irrenhaus handelt. „Was allein in meinen zwanzig Jahren geredet und gestikuliert worden ist”, sagt der Kellner Alfred, „das ergäbe eine Enzyklopädie von Charakteren, wie sie keine Bibliothek der Welt je gesehen hat.”
Das kommt mir wichtig vor
Der Österreicher Michael Köhlmeier hat all das eingefangen und aufgeschrieben. Seine Prosaminiaturen folgen einem strengen Bauplan: Nie sind sie länger als vier Seiten, und bevor Max kommt, ist immer alles vorbei. Köhlmeier ist im vergangenen Herbst 60 Jahre alt geworden. Der Deuticke Verlag hat zu diesem Anlass einen rund 600 Seiten starken Band aufgelegt, das vier von Köhlmeiers Büchern mit Erzählungen aus den Jahren 1998 bis 2005 sowie einige kurze noch unveröffentlichte Texte enthält. Ein gutes Drittel davon entfällt auf die Kaffeehausgeschichten, die in „Nachts um eins am Telefon” eine leicht variierte Fortsetzung finden. Hier ist ein nächtlicher Telefonanruf das strukturierende Element; einzelne Charaktere aus „Bevor Max kam” haben einen erneuten Auftritt. Das Frappierende an diesen großartigen Kurzgeschichten ist der Umgang mit dem Medium des Telefons – eine Einrichtung, die darauf angelegt ist, Menschen miteinander zu verbinden, wird bei Michael Köhlmeier zum Resonanzkörper der Einsamkeit.
Irgendwann in der Nacht steht ein Mann auf und wählt eine zufällige Nummer in Marburg, bloß weil er selbst, wie er der Frau am anderen Ende der Leitung erzählt, dort einmal gelebt habe. Daraus entspinnt sich ein trauriges Gespräch zweier unglücklicher Nomaden.
In solchen Momenten, und davon gibt es nicht wenige, wird klar, dass Michael Köhlmeier, der im Jahr 2007 mit seinem so ambitionierten wie opulenten Roman „Abendland” auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises stand, in Wahrheit ein Virtuose der kurzen Form ist. Köhlmeier nimmt das Alltägliche, das Mündliche auf und er nimmt es ernst. Aus dem, was an seine Erzählerfiguren an Nebensächlichem angeschwemmt wird, generiert er quasi ganz nebenbei und zwischen den Zeilen Bedeutsamkeit. Köhlmeier ist ein menschlicher Erzähler. Man sollte das keinesfalls mit „harmlos” verwechseln.
Für sein Buch „Der Mann, der Heimweh hatte” ist er nach Lech am Arlberg gefahren und hat die unterschiedlichsten Bewohner zum Reden gebracht. Seine Technik der vermeintlich ungefilterten Wiedergabe der Einheimischenbekenntnisse in Monologform entfaltet Komik und Wahrhaftigkeit: Der Skilehrer quatscht wie ein Wasserfall über seine prominenten Kunden, beteuert aber immer wieder, dass er gar nichts sagen würde; für einen ehemaligen Skirennläufer ist ein verpasstes Tor beim Slalom zur Lebenskatastrophe geworden; eine Bäuerin lässt sich aus der Haut einer Sau, die sie schon immer gehasst hat, Galoschen schustern und bricht sich in eben diesen ein Bein. „Sicher gäbe es auch noch andere Geschichten”, heißt es einmal, „aber diese kommt mir wichtig vor”. Es ist die Kunst des Autors Köhlmeier, dass man gar nicht umhinkommt, dem zuzustimmen.CHRISTOPH SCHRÖDER
MICHAEL KÖHLMEIER: Mitten auf der Straße. Die Erzählungen. Deuticke Verlag, Wien 2009. 608 Seiten, 25,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als Meister der kleinen Form preist Rezensent Christoph Schröder den Autor Michael Köhler. Er lässt sich von der Menschlichkeit, dem Humor und der "Wahrhaftigkeit" seiner Erzählungen begeistern. Anlässlich seines 60. Geburtstags im letzten Jahr hat der Deuticke Verlag die Erzählungen aus "Bevor Max kam", "Nachts um eins am Telefon" und "Der Mann, der Heimweh hatte" sowie einige bislang unveröffentlichten Erzählungen in einem Band herausgegeben, lässt der Rezensent wissen. Er lässt sich ganz in den Bann der mal traurigen, mal sehr komischen Geschichten ziehen. Ihm gefällt, dass aus den beiläufigen Beobachtungen der Erzähler stets "Bedeutsamkeit" entsteht.

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