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Bruno Salvador führt in London ein ruhiges Leben als Dolmetscher. Bis er einen Auftrag vom Britischen Geheimdienst erhält. Für zwei Tage wird er an einen geheimen Ort gebracht. Er dolmetscht eine inoffizielle Konferenz, an der auch afrikanische Politiker teilnehmen. Auf dem Spiel steht die Zukunft des Kongo. Doch die krisengeschüttelte und an Rohstoffen reiche Region ist Brunos Heimat. Bahnt sich in dem fernen Land eine Katastrophe an? Gemeinsam mit seiner jungen Geliebten Hannah sucht Bruno Verbündete, die mit ihm für eine demokratische Zukunft des Kongo streiten. Doch plötzlich werden Hannah…mehr

Produktbeschreibung
Bruno Salvador führt in London ein ruhiges Leben als Dolmetscher. Bis er einen Auftrag vom Britischen Geheimdienst erhält. Für zwei Tage wird er an einen geheimen Ort gebracht. Er dolmetscht eine inoffizielle Konferenz, an der auch afrikanische Politiker teilnehmen. Auf dem Spiel steht die Zukunft des Kongo. Doch die krisengeschüttelte und an Rohstoffen reiche Region ist Brunos Heimat. Bahnt sich in dem fernen Land eine Katastrophe an? Gemeinsam mit seiner jungen Geliebten Hannah sucht Bruno Verbündete, die mit ihm für eine demokratische Zukunft des Kongo streiten. Doch plötzlich werden Hannah und er zu Gejagten, denn in Brunos Besitz befinden sich wertvolle Dokumente
Autorenporträt
John le Carré, geboren 1931 in Poole, Dorset, studierte in Bern und Oxford Germanistik, bevor er in diplomatischen Diensten u. a. in Bonn und Hamburg tätig war. Er lebt mit seiner Frau in Cornwall und London. 2011 wurde John le Carré mit der "Goethe-Medaille" für sein "eindrucksvolles humanistisches Plädoyer" in seinem Lebenswerk ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.11.2006

Keine Reise nach Afrika
In John le Carrés „Geheime Melodie” hören wir den O-Ton der Weltgesellschaft
John le Carré ist ein Wünschelrutengänger. Seine Thriller und Geheimdienstromane setzen nicht lediglich die historisch-politischen Konstellationen ins Bild, denen sie sich zuwenden. Ob im Kalten Krieg des „Spion, der aus der Kälte kam” (1963), ob im Beirut des explodierenden Nahen Osten in „Die Libelle” (1983) ob im Nachwendedeutschland des Romans „Absolute Freunde” (2004), stets schlägt die Wünschelrute nicht nur über den Intrigen oder verleugneten Erbschaften der politischen Welt aus. Sie erfasst zugleich die literarisch ergiebigen Adern und Flöze der Alltagskultur. Aus diesem doppelten Wünschelrutenausschlag geht das kulturelle Relief in le Carrés Romanen hervor – mit all den Marotten und Ängsten, Obsessionen und Liebhabereien der Figuren.
Sein Gespür für literarisch noch kaum ausgebeutete Rohstoffvorkommen beweist le Carré in seinem neuen Roman „Geheime Melodie”. Eine Schlüsselfigur der aktuellen Weltgesellschaft avanciert damit zum Helden und Ich-Erzähler. Bruno Salvador, in Afrika gezeugter Sohn eines weißen irischen Missionars und eines kongolesischen Dorfmädchens, aufgewachsen im ostkongolesischen Hochland, ist ein Star unter den Simultan- undKonferenzdolmetschern. Er beherrscht außer dem Englischen und Französischen eine überaus breite Palette afrikanischer Sprachen.
Auf den Unterschied zwischen einem Buchübersetzer und einem Simultandolmetscher, „der sechs Stunden hochkomplexer Verhandlungen stemmen muß” legt Bruno Salvador großen Wert. Zu Recht. Und das nicht nur wegen der Anspannungen, die dem Dolmetscher durch die Live-Situation abverlangt werden. Die Sprache, der er verpflichtet ist, gehorcht nicht den Gesetzen der Literatur. Was er im Ohr hat, während gerade in einer Telefonkonferenz über die Transferierung von Millionen Dollar zwischen Panama, Budapest oder Singapur verhandelt wird, ist der O-Ton der Weltgesellschaft, ihrer Ökonomie und Politik.
Bruno Salvador übersetzt für Zivil- und Strafgerichte in London, auf Dritte-Welt-Konferenzen und gelegentlich wird er auch vom britischen Geheimdienst angeheuert. Er gehört zu den Figuren, mit denen John le Carré die literarische Konsequenz aus dem Zerfall der bipolaren Weltordnung nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Fall der Berliner Mauer im Jahre 1989 zieht. Der Dolmetscher ist kein Agent, er ist eine in der Regel farblose, neutrale Figur des Dabeiseins, wenn Geschichte gemacht wird. Aber ist zugleich der Erbe des Agenten: sein Beruf bringt ihn mit Exklusivwissen in Berührung und – er ist der Zeuge aller Gespräche und Intrigen, die er dolmetscht. Das kann gefährlich sein. Für ihn selbst wie für seine Auftraggeber.
Nichts geht ohne Coltan
Diese Auftraggeber haben die Herkunftswelt des Bruno Salvador im Visier, den Ostkongo. Mit einem Decknamen versehen wird der Dolmetscher in eine geheime Tagung auf einer Nordseeinsel eingeschleust. Vom britischen Geheimdienst unterstützt, laufen hier Verhandlungen zwischen der Londoner Finanz- und Geschäftswelt und Vertretern der Bürgerkriegsparteien und Milizen im Ostkongo. In den Verhandlungspausen werden die afrikanischen Konferenzteilnehmerabgehört: sie wissen nicht, dass Bruno Salvador sehr viel mehr afrikanischeSprachen beherrscht als er während der Verhandlungen zu erkennen gibt.
Seine westlichen Auftraggeber wiederum wissen nicht, dass Bruno Salvador die Neutralität, auf die sie sich bisher verlassen konnten, insgeheim abgelegt hat. Lauter als je schlägt in ihm sein afrikanisches Herz. Denn er ist frisch verliebt in eine kongolesische Krankenschwester; seine Frau Penelope, Journalistin und Karrieristin bei einer großen Zeitung, hat er verlassen. Interessanter als diese so routiniert skizzierte Ausgangssituation ist die Grundentscheidung, die le Carré für den Fortgang des Romans getroffen hat: er verwehrt seinem Kongo-Thriller die Reise nach Afrika. Das gesamte Geschehen spielt sich in London und auf der anonymen Nordseeinsel ab. Hier wird der Umsturzplan für den Ostkongo ausgeheckt, hier wird das Syndikat geplant, das von der Söldner-Aktion profitieren soll. Aus gewohnter Perspektive kommt am Ende der Kongo ins Bild: in einer TV-Nachrichtensendung, die vom Scheitern des Putsches berichtet.
So lösen sich im Thriller der aktuellen Weltgesellschaft die Stoffe von den Schauplätzen: die Kongo-Intrige findet im Westen statt, auf der Nordseeinsel liefert der Held sein Bravourstück ab, indem er die brisanten Abhörbänder in seinen Besitz bringt, in London gerät er zwischen die Fronten. Erzähltechnisch ist dabei die closed-room-Situation auf der Insel durchaus prekär. Wer rasantes Tempo liebt, dem wird es kaum behagen, dass hier die äußere Handlung des Thrillers nahezu zum Erliegen kommt. Sie weicht dem Konferenzprotokoll, den minutiösen Porträts der afrikanischen und westlichen Protagonisten, dem Grundkurs zur Landeskunde, Bürgerkriegsgeschichte und politischen Ökonomie des Kongo.
Dann aber, im Schlussdrittel, nimmt der Thriller wieder Fahrt auf. Denn le Carré hat seinen Bruno Salvador mit einem gerüttelt Maß an politischer Naivität ausgestattet. Er glaubt tatsächlich, ein J’accuse-Dossier zur Aufdeckung und Anprangerung der geheimen Afrika-Machenschaften in die britische Presse lancieren zu können! Das gehtnatürlich schief – Bruno Salvador wird, aus England ausgewiesen, Afrika wiedersehen. Seine geliebte Krankenschwester, schon abgeschoben, wartet dort auf ihn.
Für den Zusammenhang der Welt, die er verlässt, mit der Welt, in die er geht, hat John le Carré ein schlagendes Symbol gefunden: das Handy. Esist hier nicht nur das dingliche Äquivalent zum Simultandolmetscher, sondern zugleich das reale Verbindungsglied zwischen London und dem Ostkongo: der Rohstoff Coltan, den das Syndikat dort ausbeuten will, ist in jedem Handy enthalten. Nicht im Plot mit seinem Kontrast von melodramatischer Liebe und zynischem Syndikat macht die Stärke dieses Romans: sondern le CarrésWünschelroute, wenn sie über Details wie dem Handy ausschlägt. LOTHAR MÜLLER
JOHN LE CARRÉ: Geheime Melodie. Roman. Aus dem Englischen von Sabine Roth und Regina Rawlinson. List Verlag, München 2006. 416 Seiten, 22 Euro.
Republik Kongo, ca. 1994: Ein Soldat steht Wache in Goma im Ostkongo, nahe dem Kivusee
Foto: David Turnley/CORBIS
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Lothar Müller preist John le Carre anlässlich seines neuen Romans als einen "Wünschelrutengänger", dem es immer wieder gelinge, unterirdische historisch-politische und alltagskulturelle Zusammenhänge zu orten und literarisch auf den Punkt zu bringen. Anders als in vielen Romanen le Carres ist der Protagonist und Ich-Erzähler, wie der Rezensent berichtet, diesmal kein Geheimdienstmann, sondern ein kongolesischer Konferenzdolmetscher namens Bruno Salvador. Obwohl es um den Kongo geht, spielt sich die gesamte Handlung in Europa ab, bemerkt der Rezensent. Der Autor setze also nicht auf rasante Handlung und direkte Konfrontation, sondern auf die subtileren Spannungen der Konferenzsituation. Insgesamt zeigt Müller sich weniger begeistert von der mit einer melodramatischen Liebesgeschichte angereicherten Romanhandlung als vielmehr von den Details, an denen le Carre in routinierter Weise die größeren Zusammenhänge auf den kleinsten Nenner bringt.

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