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Die magische Welt des Jasper Honigbrod: Ein Einsiedlerhof in den Hügeln, drei Generationen unter einem Dach und ein sehr alter Fisch im Weiher - das ist das Dorf Pildau. Wer hier aufwächst, kann entweder sehr glücklich oder sehr unglücklich werden. Jasper Honigbrod entscheidet sich mit sechs Jahren für das Glück. Was er noch nicht weiß: Fehlentscheidungen sind in seiner Familie ausgesprochen häufig.
In Pildau geht jeder auf seine Weise mit dem Leben und dem Zeitverflug um. Die größte gemeinsame Sorge gilt der Hofstange, die nach alter Tradition jedes Jahr höher in den Himmel wachsen muss.
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Produktbeschreibung
Die magische Welt des Jasper Honigbrod: Ein Einsiedlerhof in den Hügeln, drei Generationen unter einem Dach und ein sehr alter Fisch im Weiher - das ist das Dorf Pildau. Wer hier aufwächst, kann entweder sehr glücklich oder sehr unglücklich werden. Jasper Honigbrod entscheidet sich mit sechs Jahren für das Glück. Was er noch nicht weiß: Fehlentscheidungen sind in seiner Familie ausgesprochen häufig.

In Pildau geht jeder auf seine Weise mit dem Leben und dem Zeitverflug um. Die größte gemeinsame Sorge gilt der Hofstange, die nach alter Tradition jedes Jahr höher in den Himmel wachsen muss. Als nach einem nächtlichen Unfall das Waisenkind Lada auf dem Hof landet, beginnen sich die Dinge zu verändern, nicht nur für Jasper, der zu einer Schwester und einer ersten Liebe kommt. "Außergewöhnliche Erzählkraft, Lust am Fabulieren jenseits des literarischen Mainstreams und eine einzigartige Hand für das Magische." Die Jury des Mara-Cassens-Preises.
Autorenporträt
Scharnigg, MaxMax Scharnigg wurde 1980 in München geboren und arbeitet als Journalist für diverse Magazine. 2010 erschien sein Romandebüt Die Besteigung der Eiger-Nordwand unter einer Treppe, das mit dem Münchner Literaturstipendium gefördert und mit dem Bayerischen Kunstförderpreis sowie dem Mara-Cassens-Preis ausgezeichnet wurde. Sein zweiter Roman Vorläufige Chronik des Himmels über Pildau erschien 2013. Die Experimente mit der Selbstversorgung fanden ihre Aufarbeitung in den Büchern Feldversuch (2012) und der großen Angelphilosophie Die Stille vor dem Biss (2015, Atlantik Verlag). Seit 2014 ist er Redakteur der Süddeutschen Zeitung am Wochenende. www.scharnigg.de
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.10.2013

Bedauerliche Eigenheiten eines Ortes

Frauen halten es hier nicht sehr lange aus: Die Zeitläufte berühren das wunderliche Gehöft Pildau in Max Scharniggs Roman nur am Rande.

Von Fridtjof Küchemann

Sorge dich um die Hofstange. Dies ist die zweite Regel des Vaters, und auch wenn er selbst sie gemeinsam mit seinem Sohn zuletzt vernachlässigt, auch wenn die Stange schließlich "grün angemorscht" in den Himmel ragt: Der Leser nimmt sie sich zu Herzen. Seit Menschengedenken, so erzählt es Max Scharnigg in seinem Roman "Vorläufige Chronik des Himmels über Pildau", werden in der Gegend nah der tschechischen Grenze solche "Poln" auf den Höfen gepflegt und mehrmals im Jahr angehoben, damit unten ein Stück angesetzt werden kann, in Zeiten der Sorge und Not noch öfter. Die Stange auf der Hofstelle Pildau muss längst mehr als anderthalb Kilometer lang sein. Im Krieg hat sie einen Kampfflieger vom Himmel geholt, der, als er nach England zurückkehrte, den kleinen Max und seine Mutter mitnahm und Jaspers Großvater Ludwig allein zurückließ. Ludwig ist es auch, der Jahrzehnte später auf seine alten Tage ohne den Umweg über das Totenbett geradewegs an ihr hoch in den Himmel steigt.

Als Leser sorgt man sich unentwegt um diese Stange: Sie müsste in diesem verwunschenen Roman, in dem alles aufgeladen oder zumindest malerisch ausgestaltet ist, doch zuletzt umstürzen oder zumindest den Großvater wieder abwerfen, der Autor kann sie doch nicht einfach so stehen lassen auf diesem Hof. Aber Max Scharnigg kann. Er kann so einiges. Nur haushalten mit seinen Ideen, auf sie zurückkommen, sie aufeinander beziehen, das kann er nicht.

Frauen halten es auf Pildau nicht sehr lange aus, erklärt der Vater Max dem Jungen Jasper, der die Geschichte erzählt: Das gehöre zu den bedauerlichen Eigenheiten dieses Ortes. Jaspers Großmutter ist mit dem Engländer durchgebrannt, seine Mutter bei der Geburt gestorben. Die "Lene-Mama", als Geliebte des Vaters und auch des Großvaters gelegentlich zu Gast, bleibt nach dessen "Verhimmelung" dem Hof fern, und auch ein Mädchen, das der Vater an Jaspers sechstem Geburtstag aus einem brennenden Autowrack an der nahen Schnellstraße zieht und das viele Jahre lang mit auf dem Hof wohnt, geht schließlich auf ein Internat, dann nach Berlin, um Dichterin zu werden.

Sie alle lässt Max Scharnigg nurmehr hineinragen in seine Geschichte dreier Eigenbrötler. Der Großvater ist ein Tüftler, dessen selbstgebastelte Rübenerntemaschine zwar nie fertig geworden ist, aber von amerikanischen Soldaten in der Heimat nachgebaut wird, was dem Trio an der Grenze zur Autarkie auf Jahre ein Auskommen beschert. Zuletzt beschäftigt sich der Alte fast nur noch mit dem Garten, mit dem Grundnahrungsmittel Pildaus, dem Mangold. Der Vater ist nach Jahren in Eton und Cambridge auf den Hof zurückgekehrt und schließt sich täglich in einer riesigen Bibliothek in der alten Scheune ein. Der kleine Jasper, ein langhaariger Junge in zotteligen, Fäden ziehenden, übergroßen Klamotten, verbringt seine Zeit entweder mit dem Großvater oder allein. Bis Lada auftaucht. Dann gilt seine ganze Aufmerksamkeit der "Waisenschwester": Er beobachtet sie, himmelt sie an, leidet unter ihren Zurückweisungen und blüht auf, wenn sie sich ihm zuwendet, wenn er sie berühren darf oder sie mit ihm am Schnellstraßenrand Schätze sammeln geht - Pornohefte, Kassetten und Pulverpäckchen finden sich da; Sex, Drugs und Rock 'n' Roll also, aber es führt zu nichts. Der Autor führt es zu nichts. Er führt es bloß vor.

Es liegt eine große Ahnungslosigkeit über der Geschichte. Der Beziehung der beiden Kinder, später Jugendlichen steht sie sogar ganz gut. Abgesehen von den Kapiteln, in denen Jasper offenbar auf einmal aus dem Leben von Vater, Großvater und "Lene-Mama" zu erzählen vermag, bekommen die anfangs spärlichen und bis zuletzt befremdlichen Kontakte zum Rest der Welt durch Jaspers kindliche Deutungen einen Zauber, wie er auch über dem gesamten Geschehen auf dem Hof liegt, über dieser seltsamen Zeit- und Raumkapsel, in der trotz allem so etwas wie Kindheitsglück möglich ist, auch wenn jeder im Wesentlichen mit sich selbst beschäftigt ist. Auch der Autor ist auf eine Weise mit sich selbst, mit den eigenen Bild- und Wortideen befasst, die bei aller Erzähllust und -verliebtheit einen doch aus dem Blick zu verlieren droht: den Leser.

Max Scharnigg: "Vorläufige Chronik des Himmels über Pildau". Roman.

Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2013. 303 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Kathleen Hildebrand ist begeistert von Max Scharniggs Beobachtungsgabe, die er auch in seinem zweiten Roman "Vorläufige Chronik des Himmels über Pildau" beweist. In der heterotopischen Darstellung dreier Sonderlinge, fernab von Gesellschaft und Zivilisation, vermisst sie allerdings spätestens ab der Hälfte eine kritische Reflexion der kleinen, heilen Romanwelt. Die Naivität des jüngsten Protagonisten findet Hildebrand zwar rührend, unbeachtet bleiben für sie aber die Folgen, die das Zusammenleben mit zwei autistisch veranlagten Männern nach sich zieht. Dadurch werde aus der Geschichte zusehends eine Antigroßstadthymne und verliere damit an Souveränität. Ganz offensichtlich hat der Autor seine Figuren zu gern, um ihre Lebensweise zu kritisieren, urteilt die Rezensentin.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.10.2013

Der dreifache Asperger
Bukolische Macken-Malerei: Max Scharniggs verschrobene Männer-WG
Wie soll man einen Menschen nennen, der seinem sechsjährigen Sohn feierlich empfiehlt, Tagebuch zu schreiben, obwohl der noch gar nicht lesen kann? Der ihn zu Hause behält, statt ihn einzuschulen, und zwar nicht aus irgendeiner religiösen Überzeugung, sondern weil er einfach nicht auf den Gedanken kommt? Und der später auf die Sorge des Sohns vor der Abiturprüfung nur irritiert mit seinem Standardkommentar reagiert: „Most entertaining“? In England, wo man einen gepflegten Spleen zu schätzen weiß, nennt man so jemanden einen Exzentriker. Wer es lieber medizinisch mag, spricht von Autismus.   
  Deshalb muss man Max Scharnigg sehr dankbar sein, dass er aus seinem zweiten Roman keine Krankheitsgeschichte gemacht hat. Der Stoff gäbe das durchaus her: Drei Generationen des männlichen Teils einer Familie namens Honigbrod wohnen auf einem einsamen Hof, wo das wichtigste Ereignis des Jahres das Verlängern einer ominösen „Hofstange“ ist – ein mittelalterlicher Brauch, um der Jungfrau Maria im Himmel näherzukommen. Echte Frauen gibt es nur selten auf Pildau, „die halten es hier nicht lange aus.“
  Weil alle drei irgendwie hochbegabt sind, ist „Vorläufige Chronik des Himmels über Pildau“ ein angemessen ambitionierter Titel, halb wissenschaftlich und halb poetisch. Erzählt wird die Lebensgeschichten dreier Sonderlinge: Der jüngste, Jasper, rahmt das Ganze mit der Erzählung seiner Kindheit und Jugend auf Pildau, in der vieles nicht normal ist. Er kennt keine anderen Kinder, trägt halb aufgelöste alte Strickpullover, ernährt sich fast ausschließlich von Mangold und füttert jeden Tag einen unsichtbaren alten Fisch im Löschweiher.
  Neben solchen Seltsamkeiten erzählt er aber auch von den kleinen Wundern der Kindheit. Weil Pildau mit dem nächsten Dorf nur über einen Trampelpfad verbunden ist, kann Jaspers ernsthafte Kindlichkeit ungestört zwischen den Himbeersträuchern blühen. Dabei beobachtet Scharnigg herrlich genau kindliche Gefühlslagen: die Peinlichkeit, wenn der Vater ihm feierlich zum Geburtstag gratuliert. Selbst auferlegte Mutproben wie das Springen über Findlinge. Und anrührende Wahrheiten wie die, dass es ein wenig grausam ist, Mangold beim Pflanzen zu vereinzeln, weil sich „die Triebe gegen den Wind umarmt hatten“.
  Die „Opis“, wie er die beiden Erwachsenen nennt, aspergern derweil friedlich vor sich hin. Vater Max liest in der Bibliothek im Stall, der Großvater werkelt im Garten oder studiert alte Maschinenbaupläne. Abends aber sitzen sie alle drei zusammen, der Opa backt rosa Pfannkuchen mit, klar, Mangold, und der Vater, ein genialer Wissenschaftler mit Cambridge-Abschluss, aber ohne Karriere, verschenkt in langen Reden großzügig seine Geistesschätze.
  Auf den Gedanken, dass das nicht reichen könnte und er seinen Sohn in die Dorfschule schicken muss, kommt Vater Max erst durch seine Freundin Marlene. Die ist zwar ebenfalls menschenscheu, aber der Normalität doch näher als die Pildau-Männer. Marlene ermöglicht den Honigbrods die Alltagsbewältigung. „Ich mochte sie, wenn sie da war“, sagt Jasper über sie, „und vermisste sie nicht, wenn sie weg war, und ich vermute, den beiden anderen Männern ging es ähnlich.“
  Behördenbriefe und andere Imperative der Normalität haben auf Pildau wenig Gewicht – die Honigbrod-Männer fühlen sich einfach nicht von ihnen gemeint. Deshalb rauscht auch die Zeitgeschichte wie ein Störgeräusch an ihnen vorbei. Der Erste Weltkrieg kommt, dann der Zweite, und irgendwann richten sich pazifistische Aussteigerhippies auf Pildau eine Kommune ein: Ludwig Honigbrod wundert sich über nichts, auch nicht, als das Zeltdorf im Garten von der Polizei geräumt wird. „Eigentlich, dachte er, war er doch gar nicht hier“, heißt es über die Zeit, als er seinen Einberufungsbefehl für den Zweiten Weltkrieg bekommt. Den ignoriert er erst, versteckt sich dann in einem Erdkeller und konstruiert in den Nächten eine revolutionäre Erntemaschine.
  Ihre sanfte soziale Gestörtheit macht, und das ist Jaspers Glück, keine gefühlskalten Psychopathen aus den „Opis“, sondern warmherzige, selbstgenügsame Männer. Als Ludwig als junger Mann die Magd Ella heiratet, hat sie bereits ein Kind von irgendeinem Holzfäller. Aber Ludwig ist glücklich, dass sie ihn nimmt. Dass der kleine Max mit den wachen Augen ein Hindernis für seine Ehe sein könnte, kommt Ludwig nicht in den Sinn. Und ob Max weiß, dass Ludwig nicht sein leiblicher Vater ist, bleibt bis zuletzt ungeklärt.
  „Papa“ ruft er ihn in der einen großen Krisensituation des Romans. Da hat Max an der nahen Autobahn ein kleines Mädchen aus einem brennenden Autowrack gerettet. Die „Opis“ nennen sie Lada, nach der Automarke, und behalten sie bei sich. Nehmen sie mit einer Selbstverständlichkeit in die Familie Honigbrod auf, wie das vielleicht nur halbe Autisten können. Lada wird ziemlich sofort zu Jaspers großer Liebe und, wie könnte es auf Pildau anders sein, entpuppt auch sie sich bald als kleines Genie. Aber natürlich verlässt sie, als Frau mit der nötigen Realitätskompetenz ausgestattet, irgendwann Pildau.
  Nach der Hälfte des Buchs vertrüge die „Chronik“ bei aller Phantasiefülle und Liebenswürdigkeit allerdings nichts besser als einen ordentlichen Bruch. Eine zweite Ebene, die auch mal kritischer damit umginge, dass da zwei Kinder sehr einsam mit sehr komischen Männern aufwachsen. Wo ist die Unsicherheit, die es doch sicher auslöst, wenn man sich als Sechsjähriger angewöhnt, „auch die Grundlagen immer mal zu wiederholen“, nämlich das eigene Alter und das Noch-nicht-lesen-können, „denn das waren die Dinge, die bei den Opis nur sehr kurz Bestand hatten“? Die Naivität, mit der Jasper die im Straßengraben gefundenen Pornoheftchen anguckt, ist auch wieder nur rührend, und sein Außenseitertum in der Dorfschule erleben genügend andere Kinder, ohne in seiner Einöde aufgewachsen zu sein.
  Als dieser neue Blick notwendig wird, hat Scharnigg seine Figuren aber offenbar schon viel zu liebgewonnen. Nach und nach gerät ihm sein anfangs so souveräner und origineller Roman zu einer Idylle, wie intellektuelle Großstädter sie sich für ihre Kinder wünschen. Kein Kommerz, nur Natur und Bücher, die einem ein verschrobener Gelehrtenvater immer zum genau richtigen Zeitpunkt ans junge Herz drückt. Der intellektuelle Großstädter und SZ-Autor Max Scharnigg fängt ungefähr in der Mitte des Buchs an, sich das sehr rosafarben auszumalen und kann seinen Figuren nichts Dunkles mehr zuschreiben und zustoßen lassen. Lieber lässt er den Großvater ein paar Blüten in die Pfannkuchen einbacken, weil das so schön aussieht.
  Am Ende hat Max Scharnigg das wohl gemerkt und wusste keinen anderen Ausweg, als den alten Schreibtipp „Kill your Darlings!“ wörtlich zu nehmen. Sogar die hochbetagte Schleie wird aus dem Weiher geangelt, flappt noch mal mit den Kiemen und stirbt.
KATHLEEN HILDEBRAND
Max Scharnigg.
FOTO: JULIAN BAUMANN
        
  
  
  
Max Scharnigg: Vorläufige Chronik des Himmels über Pildau. Roman. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2013. 304 Seiten, 19,99 Euro, E-Book 15,99 Euro.
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»Scharnigg verleiht seinem Helden einen solchen Zauber, dass sich die eigentlich tragische Handlung fast wie ein Märchen liest. FAZIT: Fantastisch! Hat das Zeug zum Kultbuch.« freundin, 11.09.2013