50,99 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in 2-4 Wochen
  • Gebundenes Buch

Die Studie bietet eine präzise Darstellung der Entwicklung der SED-Jugendpolitik von den Anfang der fünfziger Jahre scheinbar erfolgreichen Ansätzen, die Heranwachsenden für das Regime zu mobilisieren, über den nahezu vollständigen Zusammenbruch der organisierten Jugendarbeit bis zu den daran anschließenden Versuchen der Krisenbewältigung in den Jahren vor dem Mauerbau. Auf der Basis unveröffentlichten Quellenmaterials analysiert der Autor Ziele, Problemdefinitionen und Entscheidungsprozesse in den Führungsgremien und Apparaten von Partei und Staat im Kontext der SED-Generallinie. Er…mehr

Produktbeschreibung
Die Studie bietet eine präzise Darstellung der Entwicklung der SED-Jugendpolitik von den Anfang der fünfziger Jahre scheinbar erfolgreichen Ansätzen, die Heranwachsenden für das Regime zu mobilisieren, über den nahezu vollständigen Zusammenbruch der organisierten Jugendarbeit bis zu den daran anschließenden Versuchen der Krisenbewältigung in den Jahren vor dem Mauerbau. Auf der Basis unveröffentlichten Quellenmaterials analysiert der Autor Ziele, Problemdefinitionen und Entscheidungsprozesse in den Führungsgremien und Apparaten von Partei und Staat im Kontext der SED-Generallinie. Er rekonstruiert dabei die Umsetzung von Beschlüssen durch den Monopolverband FDJ sowie durch staatliche Stellen. Phänomene abweichenden Verhaltens, wie die Beteiligung Jugendlicher an den christlichen Jungen Gemeinden und die "Republikflucht" werden sowohl als Folge als auch als Auslöser jugendpolitischer Maßnahmen untersucht.
Die Arbeit illustriert den Herrschaftsanspruch des SED-Regimes über die Gesellschaft der frühen DDR und sie verweist zugleich auf dessen begrenzte Durchsetzbarkeit.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Begrenzte Reichweite
An den Jugendlichen vorbei: Herrschaftsanspruch der SED bis 1961

Peter Skyba: Vom Hoffnungsträger zum Sicherheitsrisiko. Jugend in der DDR und Jugendpolitik der SED 1949-1961. Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung, Band 10. Böhlau Verlag, Köln 2000. 462 Seiten, 88,- Mark.

"Wer die Jugend hat, hat die Zukunft." Dieser Leitsatz war vor allem den Diktaturen des 20. Jahrhunderts ein Ansporn, sich die Gefolgschaft der heranwachsenden Generation zu sichern. Die DDR bildete dabei keine Ausnahme: Insbesondere mittels der Einheitsjugendorganisation FDJ sollte die Jugend an das Regime herangeführt und diesem dienstbar gemacht werden.

Seit 1990 sind mit der Öffnung der Archive der ehemaligen DDR die Jugendpolitik der SED, die FDJ und die Jugend im östlichen deutschen Teilstaat zu einem intensiv bearbeiteten Forschungsgebiet geworden. Peter Skyba widmet sich auf breiter Quellengrundlage der Formulierung, Umsetzung und den Wirkungen jugendpolitischer Entscheidungen in den Jahren 1949 bis 1961.

Im Zentrum der flüssig geschriebenen Untersuchung steht die Frage nach der Reichweite des totalitären Anspruchs der Jugendpolitik. Das Wachstum der Jugendorganisation war beeindruckend: Die FDJ steigerte ihre Mitgliederzahlen durch partielle Mobilisierungserfolge und Druck in den Schulen von 1949/50 von knapp unter einer Million bis Anfang 1953 auf etwa zwei Millionen. Die innere Bindung der Jugend an die FDJ und die DDR wurde jedoch durch eine forcierte Indoktrination und Politisierung ab November 1950 sowie die Militarisierung des Verbands ab Mai 1952 stark beeinträchtigt. Die Werbung von Rekruten für die Streitkräfte, die nun zur Hauptaufgabe der FDJ avancierte, brachte nur bescheidene Ergebnisse; die Popularität des Jugendverbandes sank rapide. Dies hing auch damit zusammen, daß die Interessen der Jugendlichen von der FDJ kaum noch vertreten und wahrgenommen wurden. Die Jugendförderung war dem Verband entzogen und zu einer staatlichen Angelegenheit erklärt worden.

Die FDJ-Grundeinheiten, ohnehin mit der Übermittlung der Weisungen von "oben" ausgelastet, vernachlässigten die Interessen der Jugendlichen, insbesondere bei der Freizeitgestaltung. Daraus ergab sich die Attraktivität in der kirchlichen Jugendarbeit, der "Jungen Gemeinde", die den Heranwachsenden einen Raum bot, in dem sie sich den Normen und Ansprüchen des SED-Regimes teilweise entziehen konnten. Die Kampagne von SED und FDJ zu deren Liquidierung führt Skyba wohl zu Recht primär darauf zurück, daß diese dort die entschiedensten Gegner der Militarisierung der DDR vermuteten.

Der Aufstand vom 17. Juni 1953, an dem sich die Jugend überproportional beteiligte, offenbarte, daß die FDJ ein "Koloß auf tönernen Füßen" war. Sie verlor bis zum Oktober 1953 die Hälfte ihrer Mitglieder und stürzte in eine tiefe Krise. Eine von der SED eingesetzte Untersuchungskommission diagnostizierte deren völliges Versagen, nannte aber keine überzeugenden Gegenrezepte. Der "Neue Kurs" führte nur zu einem zaghaften Eingehen auf jugendliche Interessen, ohne von den bisherigen Hauptschwerpunkten der FDJ-Arbeit abzugehen.

Erst 1955 - mit der Ablösung Honeckers als 1. Sekretär des FDJ-Zentralrats (der dort als verlängerter Arm Ulbrichts fungiert hatte) - ergab sich die Chance für ernsthafte Reformen. Die Neuorientierung nahm jedoch nicht Honeckers Nachfolger Namokel vor, sondern der in der SED-Führung zuständige Sekretär Schirdewan. Vor allem der anschwellende Flüchtlingsstrom Jugendlicher in den Westen veranlaßte Schirdewan, ein flexibleres, auf offene Aussprachen und nicht verbandsgebundene Aktivitäten setzendes taktisches Konzept zu verfolgen, das er im Februar 1956 auch durchsetzen konnte.

Der "einzige Versuch, eine durchgreifende Reform der Jugendarbeit einzuleiten", wurde von den Protesten der Studenten im Gefolge des XX. Parteitages der KPdSU überlagert. Das Politbüro stimmte am 31. Oktober 1956 zwar der Bildung eines Studentenrates außerhalb der FDJ zu, nahm diesen Beschluß jedoch unmittelbar nach der Niederschlagung des ungarischen Aufstands am 20. November wieder zurück.

Ulbricht, dessen persönlichen Einfluß auf die Jugendpolitik Skyba überzeugend herausarbeitet, konnte im April 1957 einen erneuten Kurswechsel an Schirdewan vorbei vornehmen. Politische Agitation und ideologische Indoktrination rückten wieder ins Zentrum der FDJ-Programmatik und FDJ-Arbeit. Die Ausrichtung der Jugendkultur an amerikanischen und westlichen Vorbildern und die weitere Zunahme der Fluchtbewegung konnten dadurch nicht verhindert werden.

Die Reichweite des totalitären Herrschaftsanspruchs über die junge Generation der DDR war in den fünfziger Jahren äußerst begrenzt. Dies war nicht nur auf einzelne Fehlentscheidungen zurückzuführen, sondern auf ein grundlegendes Dilemma der Staats- und Parteiführung: Der diktatorische Herrschaftsanspruch ließ ein ernsthaftes Eingehen auf die Bedürfnisse Jugendlicher und das Einräumen von Spielräumen als notwendige Voraussetzungen einer erfolgreichen Jugendpolitik dauerhaft nicht zu.

HERMANN WENTKER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hermann Wentker zeigt sich sehr angetan von der Untersuchung über die Entwicklung der FDJ in der DDR in den Jahren 1949-1961. Der Autor, der seine Überlegungen mit eingehender Quellenauswertung belege, habe eine "flüssig geschriebene" Studie vorgelegt, lobt der Rezensent. Das Buch mache deutlich, dass nach anfänglich beeindruckendem Mitgliederzuwachs die Jugendorganisation an Attraktivität verlor. Überzeugend arbeite Skyba den begrenzten Einfluß der Jugendpolitik in den fünfziger Jahren heraus.

© Perlentaucher Medien GmbH