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Mohsen Ramat ist zehn, als gepanzerte Raubvögel den afghanischen Himmel überziehen und dem unbeschwerten Lachen seiner Kindheit ein jähes Ende bereiten. Den Raubvögeln folgen die Taliban. Fortan ist das Lachen Sünde, und Mohsens bildschöne Frau Zunaira, eine ehemalige Juristin, muß in den monströsen Tschadri schlüpfen, dieses wandelnde Zelt, das ihre Verbannung und ihr Kerker ist, während der Abscheu in ihr gärt.
Kabul in den Jahren der Talibanherrschaft: Anhand der Schicksale des armen Wärters im Kabuler Frauengefängnis, Atiq Shaukat, und des ehemals vornehmen und gebildeten Mohsen Ramat
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Produktbeschreibung
Mohsen Ramat ist zehn, als gepanzerte Raubvögel den afghanischen Himmel überziehen und dem unbeschwerten Lachen seiner Kindheit ein jähes Ende bereiten. Den Raubvögeln folgen die Taliban. Fortan ist das Lachen Sünde, und Mohsens bildschöne Frau Zunaira, eine ehemalige Juristin, muß in den monströsen Tschadri schlüpfen, dieses wandelnde Zelt, das ihre Verbannung und ihr Kerker ist, während der Abscheu in ihr gärt.

Kabul in den Jahren der Talibanherrschaft: Anhand der Schicksale des armen Wärters im Kabuler Frauengefängnis, Atiq Shaukat, und des ehemals vornehmen und gebildeten Mohsen Ramat beschreibt Yasmina Khadra den Zustand einer völlig aufgelösten, fundamentalistisch beherrschten Gesellschaft, wo Moral, Sitte und Kultur nichts mehr gelten. Er gibt einen Einblick in ein uns auch heute noch weithin fremdes Land und vermittelt eine Ahnung davon, wie schwer der Wiederaufbau einer afghanischen Zivilgesellschaft sein wird.
"Nur die stärksten Gefühle können den ewigen Kreislauf von Wut, Ohnmacht und Gewalt durchbrechen – tröstliche Lektüre in Zeiten eines drohenden Kriegs." – urteilte die FAZ, die seit dem 6. März den Roman seriell vorabdruckt.
Autorenporträt
Yasmina Khadra ist der Künstlername des 1955 geborenen Autors Mohammed Moulessehoul. Als hoher Offizier der algerischen Armee veröffentlichte er seine ersten Bücher wegen der strengen Zensurbestimmungen unter den beiden Namen seiner Frau. Erst nachdem er im Dezember 2000 mit seiner Familie nach Frankreich ins Exil gegangen war, konnte er dieses Pseudonym lüften. Yasmina Khadra lebt heute in Paris. Im Jahr 2012 wurde er mit dem Grand Prix de Littérature Henri Gal ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.06.2003

Das Lachen der Frauen hat Hiebe und Schläge verdient
Yasmina Khadras Roman „Die Schwalben von Kabul” ist mehr als kühner Kitsch
Mit seiner Kriminaltrilogie um den Kommissar Llob, der sich in Algier zwischen blutrünstigen Fundamentalisten und korrupten Militärs zu behaupten versucht, hat Yasmina Khadra zuwegegebracht, was nur selten gelingt: politische Aufklärung mittels literarischer Kolportage zu betreiben. Einst Offizier der algerischen Armee, ist der Autor vor einigen Jahren ins französische Exil gegangen, wo er das Genre wechselte, den Namen seiner Frau als Pseudonym verwendete und mit dem düsteren Epos „Wovon die Wölfe träumen” einen internationalen Bestseller schrieb. Mit seinem neuen Roman hat er Algerien als Versuchsstation des Weltuntergangs verlassen und sich einer anderen Vorhölle zugewandt. Hatte er es bisher mit Kolportage gehalten, versucht er sich in „Die Schwalben von Kabul” des Kitsches zu bedienen, um sein Anliegen zu verfechten. Mit geteiltem Erfolg.
In Kolorit, Stimmung, Dekor entwirft Yasmina Khadra das schauerliche Bild einer zerstörten Gesellschaft, die sich aller zivilisatorischen Errungenschaften beraubt hat. Der Roman spielt in den Jahren, da die Taliban herrschten, von deren Gräueltaten atmosphärisch dicht berichtet wird. Die Szenen, die auf den Straßenmärkten von Kabul spielen, sind unvergesslich: die zerlumpten Bataillone verwaister Kinder, die Scharen verschleierter Bettlerinnen, die im Staub kauern, nur flehend die Hand heben dürfen und von den jugendlichen Tugendwächtern mit Peitschen geschlagen werden, sobald ihr schmutzstarrender Tschadri auch nur einen Knöchel sehen lässt...
„Die Menschen schleppen sich durch die Gassen, lassen ihre Sandalen über den staubigen Boden schleifen. Ein paar klägliche Frauengrüppchen drücken sich dichtverschleiert und nahezu schlafwandlerisch unter befangener männlicher Aufsicht längs der Mauern entlang. Dann die Taliban, überall, auf dem Platz und den Straßen, zwischen den Fahrzeugen und rund um die Garküchen, Hunderte von ihnen mit grünschleimigen Nasenlöchern und stechendem Blick, sich selbst überlassen...”
Die Taliban, Yasmina Khadra zeigt sie als rohe ungebildete Jünglinge, die in den Koranschulen ein paar Dutzend Verse auswendig gelernt haben und seither wissen, dass lachende Frauen eine Beleidigung Allahs darstellen und es gottgefällig ist, sie mit Hieben und Schlägen zu traktieren. Das Afghanistan, in dem sie mit Galgen, Peitsche, Neurosen und Koran regieren, ist ein aberwitziges Reich der Finsternis, in dem alles verfolgt wird, was die Menschen je zu ihrer Freude erfunden haben: Musik, Farben, Bildung, Sport.
In diese Kulisse stellt der Autor zwei Ehepaare, deren Schicksale er durchaus kitschig verschränkt. Mohsen und Zunaira entstammen dem deklassierten Bürgertum, hungern in ihrer wackeligen Hütte und erinnern sich an eine Zeit, da man in Kabul auch flanieren, in ein Kino oder Restaurant gehen konnte. Atiq und Mussarat kommen vom Land, er verwaltet ein obskures Gefängnis, in das die zum Tod Verurteilten die letzten Nächte vor der Hinrichtung zubringen, sie ist von einer Krebserkrankung ausgezehrt und verzweifelt darüber, dass sie ihrem Mann keine Hilfe ist und er sie kaum mehr als seine Gefährtin wahrnimmt.
Die Barbarei ist so auswegslos, der zivilisatorische Zerfall so vollständig, dass die von den Taliban im Großen praktizierte Gewalt tausendfach im Kleinen, in den Familien, unter Freunden, auf der Straße reproduziert wird. Wie Mohsen zu Tode kommt, seine Frau Zunaira als Mörderin verurteilt wird, in die Fänge Atiqs gerät und der grobe Gefängniswärter in heilloser Liebe zu der schönen Frau entbrennt, das ist ziemlich starker Tobak, den man im Westen gerne mit einer spezifisch orientalischen Erzählkunst verwechselt. Dass die todkranke Mussarat nicht verzweifelt, sondern ihrem Mann die Ehe mit der jungen Frau wünscht und, verborgen unter dem Tschadri, statt Zunaira vor den Henker tritt, weil es ihr nicht um ihre eigene Liebe geht, sondern darum, dass es die Liebe auf Erden überhaupt noch gebe, das ist in allem kitschigen Übermaß edler Gefühle schon wieder kühn. Die Glaubwürdigkeit solchen Geschehens leidet daran, dass der intellektuelle Algerier Yasmina Khadra sich unbedenklich in die Psyche einer analphabetischen Afghanin versetzt und uns die geheimen Gedanken und Gefühle seiner Protagonisten in hanebüchener Unmittelbarkeit präsentiert. Halb sentimentaler Liebesroman, halb politisches Zeugnis wider eine aberwitzige Despotie, ist dies ein merkwürdig uneinheitliches Werk: wie es eben ein widersprüchliches Unterfangen ist, der guten Sache mit einer kräftigen Portion Kitsch dienen zu wollen.
KARL-MARKUS GAUSS
YASMINA KHADRA: Die Schwalben von Kabul. Roman. Aus dem Französischen von Regina Keil-Sagawe. Aufbau-Verlag, Berlin 2003. 158 Seiten, 17,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Martin Halter ist befremdet von Khadras "Schicksalstragödie im Schleier eines orientalischen Märchens, genauer: im Lumpengewand der Kolportage". Etwas gequält erzählt der Rezensent, dass Khadra zu "heftig ins Kitsch-Pedal von Liebe und Hass" tritt, wenn er die tragischen Verwicklungen um die emanzipierte Frau Zunaira im düsteren Afghanistan der Taliban beschreibt. Khadras "Leitartikel-Pathos" findet Halter zu "hölzern und tränenreich". Dadurch gewinnen seine Figuren weder soziale noch psychologische Konturen, kritisiert er. Nachsichtig gibt unser Rezensent jedoch auch zu bedenken, dass Khadra "einige gelungene poetische Passagen" und eine "edle Absicht" vorzuweisen hat: er habe offensichtlich zeigen wollen, wie fundamentalistischer Terror ein Land und seine besten Menschen zu Grunde richtet. Trotzdem beschleicht den Rezensenten der Verdacht, dass "Die Schwalben von Kabul" mehr über Algerien, Khadras Heimat, und über "das Frauenbild eines feurigen Arabers in der Blüte seiner Jahre" verrät als über Afghanistan.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.03.2003

Die Schwalben von Kabul
Yasmina Khadras Roman als Vorabdruck in der F.A.Z.

Nur ein Lidschlag liegt zwischen Demütigung und Aggression, Hingabe und Abscheu, Ratlosigkeit und Fanatismus. Dieser Moment, der nette junge Männer zu überzeugten Mördern und Gläubige zu gewalttätigen Fanatikern werden lassen kann, ist das Thema von Yasmina Khadra. Der Schriftsteller, der eigentlich Mohammed Moulesshou heißt und einst als Offizier der algerischen Armee den Namen seiner Frau als Pseudonym wählte, um der Zensur zu entgehen, hat den algerischen Bürgerkrieg als Schule der Gewalt, als persönlichkeitsveränderndes Erlebnis beschrieben. In seinem neuen Roman "Die Schwalben von Kabul", den wir von heute an vorabdrucken, nimmt Khadra einen anderen, geistig verwandten Schauplatz ins Visier seiner literarischen Handkamera: Afghanistan in den Jahren der Talibanherrschaft. Wie Khadras frühere Werke ist auch dieser Roman ein Buch voller Zorn. Unverändert ist der lyrische, aber präzise Ton, mit dem der Autor das Grauen diagnostizierend beschreibt. Und doch ist "Die Schwalben von Kabul" in seiner parabelhaften Eindeutigkeit anders als Khadras frühere Bücher.

Wo Korruption und Gewalt regieren, sind Helden nicht ehrenwerter als alle anderen; sie haben nur das Glück, einmal aus ihrer Lethargie gerissen zu werden. Da ist Atiq Shaukat, Wärter im Frauengefängnis von Kabul, der sich vor sich selbst und seiner Abgestumpftheit gegenüber Tod und Terror ekelt. Er haßt sich dafür, daß er seine schwerkranke Frau anbrüllt und demütigt. Weder bringt er es über sich, sie zu verlassen, noch kann er ihr mit der Geduld und Liebe begegnen, die ihr ihren Zustand erleichtern würden. Mit seinem belesenen Kameraden Nazish, der von einem anderen Leben spricht, aber letztlich nicht den Mumm hat, Kabul zu verlassen, fängt Atiq Shaukat unnötig Streit an. Er kann nicht aus seiner Haut, und die eigene Unzulänglichkeit macht ihn nur noch wütender.

Im Kabul der Taliban hat kaum einer etwas, wofür zu leben sich lohnt. Religion bietet Khadras Figuren keinen Halt, ebensowenig wie Bildung oder die Ahnung, daß es anderswo besser sein könnte. Auch Mohsen Ramat hat resigniert. Er und seine schöne Frau Zunaira gehörten früher zur liberalen Elite Kabuls, doch in den Kriegsjahren haben ihre Familien Hab und Gut, Ansehen und Selbstbewußtsein verloren. Arbeitslos irrt Mohsen durch die glühenden Straßen. Eines Tages wohnt er der Hinrichtung einer Frau bei. Vom Blutrausch der Menge mitgerissen, wirft auch Mohsen einen Stein nach ihr. Er erkennt sich selbst nicht wieder, doch vermag er den Zorn, der ihn ergriffen hat, nicht einzudämmen.

Als er gemeinsam mit Zunaira einen Spaziergang wagt, zwingt eine Talibanpatrouille Mohsen, in die Moschee zu gehen und der endlosen Predigt eines Imam zuzuhören, während Zunaira hinter ihrem Schleier Stunde um Stunde in der Hitze ausharren muß. Was aus dieser Repression entsteht, Streit, ein Todesfall und eine drohende Hinrichtung, führt zurück in Atiq Shaukats Frauengefängnis, wo der Roman auf ebenso tragische wie hoffnungsvolle Weise endet.

Hat Khadra zuvor zeigen wollen, daß Grausamkeit menschlich ist, beweist er nun in "Die Schwalben von Kabul", daß Schönheit ein Leben ebenso sehr zu verändern vermag wie Zorn, daß das Positive dem Zerstörerischen an Kraft sogar überlegen sein kann. Nur die stärksten Gefühle können den ewigen Kreislauf von Wut, Ohnmacht und Gewalt durchbrechen - tröstliche Lektüre in Zeiten eines drohenden Kriegs.

FELICITAS VON LOVENBERG

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"...beschreibt auf eindrucksvolle Weise das nicht mehr vorhandene Leben in einem durch Krieg und Fundamentalismus zerstörten Land." (Buchmarkt 27.03.03)

"Lyrisch bewegt und doch in dichter, präziser Sprache wird ein Teufelskreis aus Gewalt und Abstumpfung, aus Zorn und Wut beschrieben." (Tagesspiegel 27.03.03)