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2 Kundenbewertungen

»Und jetzt fragen wir uns doch, warum sollen wir ein Buch über so ekelhafte Menschen lesen? Weil wir anders sind und weil es so gut geschrieben ist!« (Elke Heidenreich in Lesen!)
Eine spanische Provinzstadt nach 1917. Cecilio Rubes, Unternehmer in Sachen Sanitärwaren und, was Frauen angeht, kein Kostverächter, spürt neben seiner kühlen Ehefrau eine innere Leere und wünscht sich plötzlich einen Sohn. Dieser, genannt Sisi, wird vom Moment seiner Geburt an vom Vater verwöhnt und frei nach der Devise "Erziehung ist doch nur etwas für Arme" auch gegen die Mutter in Schutz genommen. Sisi wird zum…mehr

Produktbeschreibung
»Und jetzt fragen wir uns doch, warum sollen wir ein Buch über so ekelhafte Menschen lesen? Weil wir anders sind und weil es so gut geschrieben ist!«
(Elke Heidenreich in Lesen!)

Eine spanische Provinzstadt nach 1917. Cecilio Rubes, Unternehmer in Sachen Sanitärwaren und, was Frauen angeht, kein Kostverächter, spürt neben seiner kühlen Ehefrau eine innere Leere und wünscht sich plötzlich einen Sohn.
Dieser, genannt Sisi, wird vom Moment seiner Geburt an vom Vater verwöhnt und frei nach der Devise "Erziehung ist doch nur etwas für Arme" auch gegen die Mutter in Schutz genommen. Sisi wird zum Genussmenschen und damit das Abbild und gleichzeitig auch Konkurrent seines selbstverliebten Vaters.
Der spanische Bürgerkrieg reisst die Familie vollends auseinander: Sisi, der nur widerstrebend dem Lotterleben entsagt, um seinen Dienst fürs Vaterland zu tun, fällt ihm zum Opfer. Ein Schmerz, über den sein Vater nur durch einen neuen Sohn hinwegzukommen glaubt.
Mein vergötterter Sohn Sisi ist Delibes´ satirische Abrechnung mit der Doppelmoral der spanischen Provinzbourgeoisie, eine unterhaltsame Parodie auf männliche Eitelkeit und bürgerliche Selbstgefälligkeit und ein gro sses Sittengemälde vor dem Hintergrund des Spanischen Bürgerkriegs.

Autorenporträt
Miguel Delibes, geb. 1920. sein umfangreiches literarisches Werk ist mit zahlreichen Preisen bedacht worden. 1973 wurde er Mitglied der Königlichen Akademie, 1999. Miguel Delibes lebt in Vallodolid.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Florian Borchmeyer meint begeistert, dass dieser Roman, den der spanische Autor Miguel Delibes bereits Anfang der 50er Jahre veröffentlicht hat, über die zeitgenössische spanische Prosa "weit hinaus" gehoben ist. Die Hauptfiguren dieser Satire aus der spanischen Provinz sind der selbstsüchtige Sanitätsfachhändler Cecilio Rubes und sein Sohn Sisi, der am Ende im spanischen Bürgerkrieg fällt, informiert der Rezensent. Dieser Roman ist von Lisa Grüneisen "kongenial und sprachlich ausgereift" übersetzt, preist Borchmeyer, der sich freut, dass das Buch nun "endlich" in deutscher Fassung zu lesen ist. Insbesondere die Darstellung des Bürgerkrieges findet der Rezensent zunächst "höchst eigenartig", weil Delibes nichts zu Ursachen und Hintergründen schreibt und zudem immer aus der Perspektive der Faschisten berichtet und der "Feind" konturlos bleibt. Doch sieht er diese Erzählhaltung der "Franco-Zensur" geschuldet, wobei er dennoch beeindruckt bemerkt, dass sie gleichzeitig die "Scheuklappensicht" Sisis imitiert und somit ironisch "ad absurdum" führt. Damit gelingt dem Schriftsteller ein "selbstkritisches Porträt seiner Generation", schwärmt Borchmeyer, der als "Quintessenz" des Romans die Verzweiflung über den Krieg ausmacht. Eine "einfühlsame und elaborierte Prosa", so der Rezensent hingerissen, der mit diesem Roman den Beweis erbracht sieht, dass das Franco-Regime keineswegs nur Mittelmäßiges hat entstehen lassen, wie häufig behauptet wird.

© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.12.2003

Bürgerkrieg aus der Badewanne
Miguel Delibes' Satire auf die spanische Provinzgesellschaft

Die Moderne trägt als Insignium eine Klosettschüssel. Seinen Kumulationspunkt hat der technisch-wissenschaftliche Fortschritt der Neuzeit im fließenden Warmwasser erreicht, in der Mischbatterie und, kleines genießerisches Nonplusultra, in der WC-Spülung mit eingebautem Musikaggregat. So zumindest gestaltet sich die Weltsicht von Cecilio Rubes, Vordenker einer positivistischen Philosophie im Badezimmer, der Auguste Comte gewissermaßen des Sanitärwesens und zugleich Besitzer eines prosperierenden Unternehmens für Verkauf und Vertrieb von Wannen, Wasch- und Toilettenbecken. In einem kastilischen Provinznest des Jahres 1917 macht sich ein solches Engagement für Körperhygiene als fortschrittlich, ja avantgardistisch zu bezeichnendes Projekt aus. Für die Krönung seines Lebens, seinen wegweisenden Beitrag zur Geschichte des menschlichen Fortschrittes hält Cecilio Rubes daher eine von ihm kreierte Innovation: die patentierte "Rubes-Badewanne", welche es wohlbeleibten Menschen wie ihm selbst dank partieller Absenkung des Wannenbodens ermöglicht, den Gipfel noch der mächtigsten Wampe unter der Oberfläche des molligen Badenasses zu halten.

Eines jedoch liebt Cecilio Rubes noch mehr als Keramikzuber und Wasserleitungen: sich selbst. Nichts läge ihm ferner, als mit seiner Frau Adela, die er, in Anbetracht ihrer straffen Brüste und untadeligen Hüften, primär aus Dekorations- und Prestigegründen geheiratet hat, ein Kind zu zeugen. Denn das Kinderkriegen, so Rubes, sollte man besser den Armen überlassen - es stört die uneingeschränkte Selbstverwirklichung. Lediglich die Einsicht, daß die Geburt eines Sohnes sowohl zur Behebung drohender Sinnkrisen als auch zur sozialen Bestätigung seiner männlichen Potenz einen erheblichen Beitrag leisten könnte, treibt ihn zur Hervorbringung eines Stammhalters namens Sisí. Rubes junior soll die Privilegien des Vater sichtbar an die Öffentlichkeit tragen und geht, von jeglicher elterlicher Disziplin unbehelligt und zum kraftstrotzenden blonden Bengel heranwachsend, fortan seinem freien Willen nach. Denn Erziehung, so Rubes senior, sollte man besser den Armen überlassen, und Sisís Hedonismus liefert ihm eine narzißtische Befriedigung. "Sein Sohn gab ihm Gelegenheit, seinen Egoismus zu erweitern und ihn auf eine neue Generation auszudehnen" - ein Genuß, der erst ins Wanken gerät, als Sisí beginnt, ihm seine langjährige Mätresse auszuspannen.

Bis zu diesem Punkt liest sich Miguel Delibes' Frühwerk "Mein vergötterter Sohn Sisí", von der Übersetzerin Lisa Grüneisen in eine kongeniale und sprachlich ausgereifte deutsche Fassung gebracht, als eine teils heiter ironische, stellenweise aber auch bitter zynische Satire auf die Borniertheit der spanischen Provinzbourgeoisie. Doch die beste aller möglichen Besitzbürgerwelten, idyllisch und grausam grotesk zugleich, zerspringt abrupt, als 1936 der Bürgerkrieg hereinbricht. Bomben zerstören die Schaufenster des Rubesschen Sanitärwarenladens, patriotischer Wahn beflügelt die Nachbarfamilien zu militaristischer Aufopferung. Besonders aber in Sisí, dem Freiwilligen wider Willen, bewirkt das Soldatenleben einen ungeahnten Persönlichkeitswandel. Das verwöhnte Stadtkind entwickelt auf dem Feld ein naiv-inniges Verhältnis zur Natur und ihren Kreaturen, ihren Käfern, Gräsern, Bäumen; und dazu, nach einem Leben als frühreifer Wüstling, eine keusche Liebe zur schüchternen Tochter der Nachbarsfamilie. Doch vergebens: Von einer verirrten Bombe getroffen, wird Sisí das sinnlose Opfer eines Krieges, dessen Sinn noch viel mehr im dunkeln bleibt.

Anfang der fünfziger Jahre, kaum mehr als ein Jahrzehnt nach dem Ende des Bürgerkrieges, verfaßte Delibes, der heute völlig zurückgezogen in seiner Heimatstadt Valladolid lebt, dieses Kleinstadtpanorama. Höchst eigenartig erweist sich seine Schilderung des Krieges. Von Ursachen und politischen Hintergründen ist nicht die Rede. Wie selbstverständlich gehören die "Unsrigen", und mit ihnen sämtliche Figuren des Romans, auf die Seite der Faschisten; ist der "Feind" niemals ein konkreter spanischer Republikaner, sondern bricht wie eine Art gesichtslos-ominöses Fatum, wie eine außerirdische Macht in die Provinzidylle ein. Ein solches Zerrbild der historischen Realität ist auf der einen Seite zweifelsohne die Konzession des Romanciers an die Franco-Zensur, die für eine sympathisierende Haltung gegenüber der blutig vernichteten Republik wenig Verständnis aufgebracht hätte.

Zugleich aber spiegelt dies perspektivisch die Scheuklappensicht der Protagonisten wider und führt sie mit feiner Ironie ad absurdum. Zwischen den Zeilen liest sich der Roman als Anklage gegen die Widersinnigkeit eines Krieges und einer Gesellschaft, die diesen aus Desinteresse und bloßer Selbstbezogenheit nicht zu verhindern wußte. Damit zeichnet Delibes nicht zuletzt ein selbstkritisches Porträt der eigenen Generation: 1920 geboren, ist er fast exakt ein Altersgenosse von Sisí Rubes. Ohne jegliche Kriegsbegeisterung meldete er sich ähnlich wie dieser, noch nicht einmal volljährig, als Freiwilliger auf seiten der faschistischen Marine, um einer offiziellen Einberufung zuvorzukommen.

"Der Krieg, der Krieg. Verflucht sei der Krieg!" lautet Cecilio Rubes' verzweifeltes Fazit aus dem sich jeglicher sprachlichen Faßbarkeit verweigernden Schmerz und der eigenen Unfähigkeit. Es ist aber auch, jenseits jeder karikaturesker Ironie, die erschütternde Quintessenz des Romans. Seine einfühlsame und elaborierte Prosa straft das vielverbreitete Vorurteil Lügen, unter Francos Diktatur sei nur mittelmäßige Literatur entstanden. Zwar beharrt Delibes auf einem traditionellen Erzählstil, der zuweilen mehr an die Szenen aus dem Provinzleben des über hundert Jahre älteren Balzac als an die zeitgenössischen Strömungen wie den Nouveau Roman erinnert.

Doch gerade in dieser kompositorischen Schlichtheit und Linearität der Handlung, verbunden mit der Eindringlichkeit ihrer Charaktere, liegt eine große Faszination. Sie heben das nach einem halben Jahrhundert nun endlich in deutscher Sprache vorliegende Werk weit über zahlreiche Neuerscheinungen aus Spanien hinaus, die mit merkwürdig verspäteten postmodernen Konstrukten das Fehlen erzählenswerter Stoffe zu kaschieren suchen und oft gerade in ihrer Großstadtthematik einen Eindruck von Provinzialität hinterlassen, dem Delibes' Provinzstudie sich souverän zu entziehen weiß.

FLORIAN BORCHMEYER

Miguel Delibes: "Mein vergötterter Sohn Sisí". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Lisa Grüneisen. Ammann Verlag, Zürich 2003. 390 S., geb., 22,90 [Euro].

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"... sehr, sehr schönes Buch." (LESEN, Elke Heidenreich)