Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 52,00 €
  • Buch

Nigeria in den sechziger Jahren, kurz nach Erlangung der Unabhängigkeit. Fünf Freunde - ein Journalist, ein Angestellter im Auswärtigen Amt, ein Maler, ein Ingenieur und ein Universitätslehrer –, alle etwa Mitte dreißig, versuchen, sich innerhalb der neuen nigerianischen Gesellschaft zu etablieren. Doch für gut geschulte, aber kritische Geister gibt es keinen Platz in der frisch geschaffenen Bourgoisie. Der Anblick von käuflichen Emporkömmlingen und biegsamen Konformisten treibt sie zwangsläufig zur Flucht in den Spott oder zur Verzweiflung. Wole Soyinkas kunstvoll-satirische…mehr

Produktbeschreibung
Nigeria in den sechziger Jahren, kurz nach Erlangung der Unabhängigkeit. Fünf Freunde - ein Journalist, ein Angestellter im Auswärtigen Amt, ein Maler, ein Ingenieur und ein Universitätslehrer –, alle etwa Mitte dreißig, versuchen, sich innerhalb der neuen nigerianischen Gesellschaft zu etablieren. Doch für gut geschulte, aber kritische Geister gibt es keinen Platz in der frisch geschaffenen Bourgoisie. Der Anblick von käuflichen Emporkömmlingen und biegsamen Konformisten treibt sie zwangsläufig zur Flucht in den Spott oder zur Verzweiflung. Wole Soyinkas kunstvoll-satirische Zustandsbeschreibung liefert das Stimmungsbild einer Gesellschaft nach dem mißlungenen Dekolonialisierungsversuch – sprachkräftig, geistreich und voller Humor.

Autorenporträt
WOLE SOYINKA, wurde am 13. Juli 1934 in Abeokuta (Westnigeria) geboren. Er studierte Literatur in Ibadan (Nigeria) und in Leeds (England), anschließend Dramaturgie am Royal Court Theatre in London. Er erhielt Forschungsstipendien und war Dozent für Dramaturgie und vergleichende Literaturwissenschaft an den Universitäten von Ibadan, Lagos und Ife (Nigeria), Legon (Ghana), Sheffield und Cambridge (England), Yale, Cornell, Havard, Emory (U.S.A.). Außerdem ist er oft als Gastprofessor an anderen amerikanischen, europäischen und afrikanischen Universitäten eingeladen. Neben seiner Haupttätigkeit als Dramatiker, machte sich Wole Soyinka einen Namen als Essayist, Dichter, Romanschriftsteller und Theaterregisseur. Obwohl er hauptsächlich in Englisch schreibt, zeichnet sich sein Werk durch die Erforschung der afrikanischen Weltanschauung aus, es greift in die Yoruba Mythologie zurück und verwendet eine bildhafte und dramatische Sprache. 1986 wurde Wole Soyinka als erstem Afrikaner der Nobelpreis für Literatur verliehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.09.2002

Der kurze Aufbruch
Postkoloniale Probebühne: Ein früher Roman Wole Soyinkas

Seit kurzem erst ist diese Metropole Hauptstadt und doch sogleich der unbestrittene Schau- und Bauplatz einer Übergangsgesellschaft, die das neue Leben probt. Aus aller Welt strömt man hierher, die Nachtclubs sind Legende, die Kunst- und die Musikszene vibrieren; die Universitäten haben ebensolchen Zulauf wie die Kultfeiern religiöser Sekten; für Kleinkriminelle wie für Sozialaufsteiger gehen die Geschäfte gut. Und wenn die Parvenüs zur Cocktailparty laden, kann die politische Klasse bequem ihre Gefolgschaft pflegen und etwaige Novizen - wie beispielsweise den engagierten jungen Mitarbeiter einer expandierenden Zeitungsredaktion, der eine wirklich heiße Sache aufgedeckt zu haben glaubt - in die alte Kunst der Kungelei einweisen. So weit, so bekannt?

Wohl doch nicht ganz. Dieser Hauptstadtroman jedenfalls stammt von Wole Soyinka, spielt in Lagos und ist bald vier Jahrzehnte alt. 1965 erstmals erschienen, bietet er eine Momentaufnahme des urbanen Lebens in Nigeria in den frühen Jahren seiner Unabhängigkeit, jener hektischen und hoffnungsvollen Zeit des kurzen Aufbruchs, bevor das Land in Militärherrschaft und Bürgerkrieg versinken sollte. Kaum dreißig Jahre alt, war damals dieser Autor (und spätere Literaturnobelpreisträger von 1986) bereits einer der wortmächtigsten und profiliertesten Künstler des neuen Afrika und ging mit schier unglaublicher Tatkraft zu Werke. Als der Roman, sein erster, herauskam, hatte Soyinka schon ein Dutzend Dramen verfaßt, darunter internationale Bühnenerfolge, war Gründer und Direktor mehrerer Theatergruppen, engagierter Lyriker und aufstrebender Filmemacher, streitbarer Akademiker und Redner auf vielen Podien der Welt, politischer Aktivist und virtuoser Spieler mit der öffentlichen Macht der Medien. Unter dubiosen Umständen gelang es ihm beispielsweise, beim blutigen Wahlsieg eines korrupten Regionalpolitikers statt dessen Ansprache einen oppositionellen Aufruf im Radio zu senden - was ihm landesweit Aufmerksamkeit und seine erste Verhaftung einbrachte.

Dies ist auch das politische und kulturelle Milieu, in dem "Die Ausleger" anzutreffen sind, ein loser Freundeskreis von Thirtysomethings, eine afrikanische Boheme von Intellektuellen und Künstlern, zumeist kürzlich erst vom Studium aus Europa oder Amerika nach Lagos zurückgekehrt. Dort lassen sie sich teils von den Turbulenzen der Modernisierungswelle einfach treiben, teils gehen sie daran, ihre eigenen Vorhaben und Ideale endlich zu verwirklichen, und vergessen doch zunehmend, was die genau sind. Da ist der Maler Kola, der ein modernes Pantheon traditioneller Gottheiten erschaffen will, der Journalist Sagoe, der die Spielregeln der Medienmacht probt und zunehmend dem Alkohol verfällt, der Ingenieur Sekoni, der sein Talent als Bildhauer entdeckt und dann bei einem Autounfall stirbt, der Regierungsangestellte Egbo, dessen amouröse Verstrickungen immer auswegloser werden, ein Deutscher, der sich als Amerikaner ausgibt, und andere mehr.

Ihren Abenteuern und Affären folgt der Roman durch einen atemlosen Alltag, eine rasante Fahrt im Asphaltdschungel einer postkolonialen Metropole: "Und der nasse Asphalt spinnt den heldenmütigen Wagen Wahnbilder von unbeschränkter Geschwindigkeit, und ihre Lasten erreichen den Hafen am Fußende des Abgrunds. Das Blut der Erdbewohner mischt sich mit den bleichen Fluten des höhnenden Stiers und ergießt sich in ewig unterirdische Ströme." Derlei expressionistisch aufgeladene Erzählprosa fängt die überhitzte Atmosphäre jener Großstadt ein, die grellen Sprachbilder reflektieren die überspannten Haltungen der Protagonisten. Soyinka zeigt sich durchweg als Satiriker, der unerbittlich seinen scharfen Blick auf alle Eitelkeiten richtet und in der Entblößung gesellschaftlicher Zustände weder vor drastischen Effekten noch vor Kraftausdrücken zurückscheut.

Dabei verzichtet er zumeist auf beschreibende Passagen und löst das Geschehen, darin ganz Dramatiker, weitgehend in Dialoge auf, oft von Ausdrücken in Yoruba oder von nigerianischem Pidgin durchsetzt. Als Leser findet man daher nicht leicht in diese Welt hinein, doch die anfängliche Verwirrung lohnt. Zwar hätte die alte deutsche Übersetzung von Inge Uffelmann, der diese Neuausgabe des Romans im Ammann Verlag folgt, wohl gründlicher überarbeitet werden sollen. Aber wer den englischen Originaltitel ernst nimmt, kann gerade in der verwirrenden Vielstimmigkeit, die Soyinka vorführt, ein Merkmal der afrikanischen Moderne finden: "The Interpreters" heißt auch die Übersetzer, Dolmetscher und Zwischengänger. Und darin liegt die Herausforderung, die dieser kosmopolitische Autor und sein Werk uns stellen: Wege der Vermittlung zwischen den Kulturen zu erkunden und dabei selbst den Aufbruch aus alten Gewißheiten zu wagen - nicht nur in Afrika.

Wole Soyinka: "Die Ausleger". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Inge Uffelmann. Ammann Verlag, Zürich 2002. 343 S., br., 21,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Angela Schader ist begeistert von der Neuauflage dieses "faszinierenden, irritierenden, mit Geist, Witz und Brillanz verfassten Buches" des nigerianischen Nobelpreisträgers Soyinka. Dieser porträtiere seine eigene Generation, Künstler und Intellektuelle, die nach einer Ausbildung im Ausland in das mittlerweile unabhängige Nigeria zurückgekehrt sind. Die Geschichte sowie die damit einhergehende Analyse seien oft sehr überraschend ausgearbeitet. So gehe es durchaus um die Spannung der Protagonisten, die sich zwischen traditionell afrikanischen und westlichen Werten sehen, doch gehe der Autor nicht den ausgetretenen Weg entlang der Grenzen zwischen Schwarz und Weiß, sondern finde vielmehr zahlreiche überraschende Mischtöne. Das gleiche gelte für die Erzähltechnik. Soyinka setze die quantitative Präsenz der Protagonisten in Gegensatz zu deren "Kraft und Integrität", was als ein "erzähltechnischer Meisterstreich" zu bewerten sei. Alles in allem zeigt sich die Rezensentin also überaus beglückt darüber, dass dieses zuvor vergriffene Buch nun endlich wieder zu haben sei.

© Perlentaucher Medien GmbH