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"Das menschlichste Wort." So steht es im kürzesten Stück des Buchs. Es handelt vom "Ja", der einfachen und bedingungsfreien Zustimmung zum Leben. Mit der knappen Zeile formuliert Jürgen Werner eine Art Leitfaden, der sich sublim durch alle seine Texte zieht. Die hier versammelten hundertfünfzig Stücke beschreiben das variantenreiche Selbstverstehen des Menschen, wie es nur möglich ist im neugierigen Wechselspiel mit der Welt. In "Tagesrationen" wohlportioniert, als regelmäßige Lesenahrung bestens zu verdauen, legen sie die großen und kleinen Wörter unseres Lebens so überraschend aus, dass sie…mehr

Produktbeschreibung
"Das menschlichste Wort." So steht es im kürzesten Stück des Buchs. Es handelt vom "Ja", der einfachen und bedingungsfreien Zustimmung zum Leben. Mit der knappen Zeile formuliert Jürgen Werner eine Art Leitfaden, der sich sublim durch alle seine Texte zieht. Die hier versammelten hundertfünfzig Stücke beschreiben das variantenreiche Selbstverstehen des Menschen, wie es nur möglich ist im neugierigen Wechselspiel mit der Welt. In "Tagesrationen" wohlportioniert, als regelmäßige Lesenahrung bestens zu verdauen, legen sie die großen und kleinen Wörter unseres Lebens so überraschend aus, dass sie noch einmal gehört werden und aufhorchen lassen. Was steckt in Begriffen wie Angst, Vertrauen oder Respekt wirklich? Warum stören wir uns manchmal an Ausdrücken wie gelegentlich, nett oder kleinlich? Worin liegt der Zauber von Wendungen, die eigentlich Kurzgeschichten sind: erste Liebe, roter Teppich oder in flagranti? Warum finden sich in unserer Rede feste Paare: Denken und Sprechen, Frauen und Männer, Himmel und Erde? Oft sind es geschenkte Wörter, die den Autor regelmäßig in Reflexionen gelockt haben, sie entstammen den Wegen und Umwegen des Nachsinnens, Anstößen von außen, Gelegenheitsfunden. Unter ihnen finden sich solche, die das Leben nicht nur leiten, es heilsam unterbrechen oder zu ersetzen versuchen: Wörter, die selber Leben sind. Das "Ja" kann diese Eigenschaft annehmen. Was aber, wenn es einem dabei die Sprache verschlägt?
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.04.2015

Am Ende der Anfang
Blick hinauf: Jürgen Werner denkt über das Leben nach

Jürgen Werner, ehedem auch Redakteur dieser Zeitung, ist ein kulturkonservativer Autor. Doch es geht ihm weniger um den Werte- als den Wortewandel, um die Wiedereinsetzung von Begriffen, die eine übers Tagesgeschehen hinausgehende lebenspraktische Relevanz besitzen, "das Leben selber sind", wie es einmal heißt, also lebenswichtig, wenn wir einmal Werners Tendenz zur etymologisch-buchstäblichen Lektüre folgen wollen. Deshalb hat er sein jüngstes Buch "Tagesrationen" alphabetisch organisiert, von "Abschied" zum Auftakt bis "Zweisamkeit" zum Ausklang, insgesamt genau 150 Einträge von epigrammatischer Kürze ("Ende: Das Ende ist der Anfang der Mutigen") bis zu im Kontext des Buchs geradezu epischen Längen von sieben Seiten. Sie sind dem Stichwort "Mut" gewidmet, so dass der kürzeste und der längste Text sich als inhaltlich verbundene zeigen.

Der Aphorismus vom Ende verweist natürlich aufs Nachleben, wie überhaupt ein Gutteil der Texte religiös grundiert ist. Das muss man nicht mögen, aber akzeptieren, wenn man sich auf Werners Reflexionen einlassen will. Und dann ist man einem kulturübergreifenden Ansatz auf der Spur, der aus den unterschiedlichsten Quellen seine Weisheit schöpft und auch die Diskrepanz zwischen einzelnen Einträgen nicht scheut. So geht zum Beispiel der kleine "Ende"-Text nicht zusammen mit einer Überlegung zum Lemma "Leitfaden", die da lautet: "Den Anfang fixieren und ihn mit dem Ende zu verknüpfen, ist aber nur in einem Mythos formulierbar. Wem das in der Wirklichkeit je gelänge, sagt schon der vorsokratische Arzt Alkmaion von Kroton, wäre unsterblich."

Alkmaions Pech in Werners Augen dürfte seine Ungnade der verfrühten Geburt gewesen sein, denn er hat den christlichen Bezug aufs kindliche Glaubensgemüt noch nicht gekannt, das im Eintrag "Kinderaugen" zum Königsweg ins Jenseits erklärt wird. Wir glauben nicht recht daran, erst recht aber nicht, dass eine so kleine Münze der Theologie noch geprägt wird. Wobei es in Werners Buch auch Passagen von großer Schön- und Klugheit gibt. Und man spürt den Zauber, der für ihn Begriffen wie Souveränität, Liebe, Gespräch oder Anfang innewohnt. In gewisser Weise gleicht das von den "Tagesrationen" vermittelte Lesegefühl dem einer Heidegger-Lektüre, nur dass Werners Buch nicht in Abgründe (metaphysischer wie geistesgeschichtlicher Art), sondern hinaufschaut. Ins bessere Leben nach dem irdischen Dasein, wenn erst wirkliche Lebendigkeit herrschen wird. So gilt ihm denn auch Freiheit "als versäumte Wirklichkeit", also negativ bestimmt, und das, was ein Mensch von seinesgleichen erhoffen darf - Gerechtigkeit -, wird verspottet als "ein gesellschaftliches Gleichheitszeichen, das all jene ermuntert, sich darauf zu berufen, deren Rechnung mit dem Leben nicht aufgeht". Klar, wer im Himmel abrechnen lässt, braucht sich mit den Niederungen nicht abzugeben.

Umso überraschender sind dann die lebenszugewandten Passagen, die vor allem den Umgang mit anderen in Liebe und Gespräch betreffen. Hier berührt Werner christlich-jüdische Zentralkategorien, und da ist ihm plötzlich eine Sensibilität eigen, die man sich in den theologischen Begrifflichkeiten auch gewünscht hätte. Zum "Zweifel" etwa heißt es: "Alles kommt darauf an, den Zweifel in eine Frage zu überführen, die mich weiter und von der Verzweiflung wegbringt, indem sie in ein Gespräch mündet, das dem anderen zumutet, meine Suche nach einem neuen Anfang aufzugreifen." Genau das leisten etliche Stellen in seinem Buch. Und da wir nicht nur in den Ostertagen Anlass haben sollten, das zu prüfen, was heute oft so gedankenlos als christlich-abendländisch vereinnahmt wird, bietet Jürgen Werners "Alphabet des Lebens" willkommene Herausforderungen.

ANDREAS PLATTHAUS

Jürgen Werner: "Tagesrationen" Ein Alphabet des Lebens.

Verlag tertium datur, Frankfurt am Main 2014. 276 S., geb., 21,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Jürgen Werner ist ein ehemaliger FAZ-Kollege und nebenbei ein Aphoristiker, dessen neuestes Produkt Andreas Platthaus zur Besprechung zufällt. Er ist angemessen respektvoll und doch auch skeptisch. Fromm sind Werners Texte, und jenseitsgewiss. Liest sich ein bisschen wie Heidegger, nur dass Werner nicht in Abgründe, sondern nach oben schaut, meint der Rezensent. Die theologischen Erwägungen bei Werner behagen ihm merklich nicht, mehr Sensibilität begegnet ihm in "lebenszugewandten Passagen".

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