Rohans Garten in Heer im nördlichen Pakistan, in dem die Bäume so hoch sind wie 10 Männer, ist Zeugnis einer untergehenden Welt. Hier wächst noch ein Schulholzbaum, aus dessen Holz früher die Schultafeln gefertigt wurden. Rohan erlaubt in seinem Garten einem Vogelbegnadiger, Vögel in Fallen zu
fangen, die dessen Kunden später zur Vergebung ihrer Sünden freilassen werden. Der alte Mann erblindet;…mehrRohans Garten in Heer im nördlichen Pakistan, in dem die Bäume so hoch sind wie 10 Männer, ist Zeugnis einer untergehenden Welt. Hier wächst noch ein Schulholzbaum, aus dessen Holz früher die Schultafeln gefertigt wurden. Rohan erlaubt in seinem Garten einem Vogelbegnadiger, Vögel in Fallen zu fangen, die dessen Kunden später zur Vergebung ihrer Sünden freilassen werden. Der alte Mann erblindet; er wird die geradezu unwirkliche Schönheit seines Gartens nicht mehr lange sehen können. Rohan verliert in den Tagen nach dem 11. September 2001 sein Augenlicht, mit seiner Schule das mit seiner verstorbenen Frau gemeinsam geschaffene Lebenswerk und seinen Sohn. Obwohl Jeo sein Medizinstudium noch nicht beendet hat, will Rohans Sohn sich in Peschawar als Sanitäter für Verletzte des Kriegs zwischen den USA und Afghanistan melden. Seinem Vater verschweigt Jeo, dass er aus Peschawar direkt ins afghanische Kriegsgebiet reisen wird. Jeo will dort helfen, wo die Not am größten ist. Mikal, Jeos Freund und Adoptivbruder, wird Jeo als Beschützer begleiten und "ihm die Verwundeten vom Schlachtfeld holen". Zurück bleibt beim schon lange verwitweten Rohan Jeos junge Frau Naheed. Jeo weiß nichts davon, dass auch Mikal Naheed liebt. Rohans Schule wurde nicht im Frieden an einen Nachfolger abgegeben; Major Kyra, der neue Besitzer von Haus und Grundstück, steht auf der Seite der Taliban und Rohan ist fortan in seinem Häuschen nur geduldet. Rohans Schule samt Lehrern und Schülern wird zum Spielstein geldgieriger Warlords, die Kinder zu ihren Geiseln. Kyra sorgt dafür, dass Jeo noch am ersten Tag seines idealistischen Einsatzes an die Taliban verkauft und getötet wird. Mikal überlebt und will aus dem Einflussbereich des Warlords auf gefährlichen Wegen zurück zu Nadeem flüchten, die als Witwe zum Freiwild gieriger Männer geworden ist. In diesem moralischen Niemandsland wechselt Mikal seine Rolle von der Geisel, zum Gefangenen der USA bis zum Botengänger und Retter eines amerikanischen Soldaten, der wiederum als Rächer seines Bruders unterwegs ist. In diesem Krieg gibt es keine klaren Frontlinien, unklar ist den handelnden Personen häufig, auf welchem Stammesgebiet sie sich gerade befinden und welcher Warlord Geschäfte mit ihnen machen wird. Auch Rohan begibt sich auf eine heimliche Mission, er will den Sohn des Vogelbegnadigers aus der Hand der Taliban befreien, die für jede Kindergeisel mehr Lösegeld beanspruchen als ein ehrlicher Arbeiter in 20 Jahren zusammensparen kann.
"Der Garten des Blinden" ist ein sprachlich virtuoses, verstörendes Buch voller Gewalt, Folter und Erniedrigung. Als westlicher Leser versteht man vermutlich nicht alle Bilder und Gleichnisse, die Nadeem Aslam für seine Leser zeichnet. Sehr anrührend zeigt Aslam die Situation muslimischer Frauen, die ihre getöteten Männer nicht betrauern dürfen und selbst wie eine Ware verschachert werden. Zentrales Thema des Buches ist u. a. Rohans Erblindung, die je nach persönlicher Sicht als schicksalhafte Erkrankung, Folge eines Kriegs, eines Traumas, der bitteren Armut oder als Strafe Allahs gesehen werden kann. Verstörend wirkt der krasse Kontrast zwischen Nadeems üppig wuchernden Sprachbildern und den schnöden kriminellen Taten, die die Figuren, angeblich im Namen Allahs, erleiden müssen.