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Man könnte ihn die Welt hinter Lampedusa nennen: den Krisengürtel, der sich von Kaschmir über Pakistan, Afghanistan und Iran bis in die Arabische Welt und bis an die Grenzen und Küsten Europas erstreckt. Von dieser Region berichtet Navid Kermani, von unserer unmittelbaren Nachbarschaft, so fern sie unserem medialen Bewusstsein auch erscheint. Wie von Zauberhand gelingt es ihm dabei, einzelne Schicksale und Situationen so lebendig werden zu lassen, dass schlagartig weltpolitische, ja existentielle Problemlagen deutlich werden, die uns unmittelbar berühren. Nicht erst hinter Lampedusa beginnt…mehr

Produktbeschreibung
Man könnte ihn die Welt hinter Lampedusa nennen: den Krisengürtel, der sich von Kaschmir über Pakistan, Afghanistan und Iran bis in die Arabische Welt und bis an die Grenzen und Küsten Europas erstreckt. Von dieser Region berichtet Navid Kermani, von unserer unmittelbaren Nachbarschaft, so fern sie unserem medialen Bewusstsein auch erscheint. Wie von Zauberhand gelingt es ihm dabei, einzelne Schicksale und Situationen so lebendig werden zu lassen, dass schlagartig weltpolitische, ja existentielle Problemlagen deutlich werden, die uns unmittelbar berühren. Nicht erst hinter Lampedusa beginnt unsere Welt.
Navid Kermani hat die Orte besucht, an denen keine Übertragungswagen von CNN stehen und dennoch hoch gefährliche Schwelbrände den Weltfrieden bedrohen. In seiner oft gerühmten, wundersam beweglichen und behutsamen Prosa berichtet er von den Kriegen der NATO und den Schattenseiten der Globalisierung in Indien, vom Aufstand in Syrien und der prekären Lage in Palästina. Er war als einziger westlicher Reporter bei der Niederschlagung der Massenproteste in Teheran dabei und hat die Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer beobachtet. Seine mitreißenden Reportagen lassen uns eine Welt im Aufruhr verstehen, lassen uns mitfiebern, mitleiden, aber auch den Alltag und das scheinbar Nebensächliche sehen.
Autorenporträt
Navid Kermani, geboren 1967, promovierter Islamwissenschaftler und Publizist, gilt als führender Iran-Experte in Deutschland und hat zwischen 1995 und 2000 für die Frankfurter Allgemeine Zeitung die Entwicklung in Iran verfolgt. Für das Studienjahr 2000/2001 ist er an das Wissenschaftskolleg in Berlin berufen worden. 2010 wurde Navid Kermani mit der "Buber-Rosenzweig-Medaille 2011" ausgezeichnet und 2011 erhielt er den "Hannah-Arendt-Preis" für seine "lagerüberwindenden, religionswissenschaftlichen und politischen Analysen". Im Jahr 2012 wurde er für seine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Religionen sowie den von ihm betriebenen Dialog der Kulturen mit dem "Kölner Kulturpreis" ausgezeichnet, im Oktober erhielt er den "Cicero Rednerpreis" für "herausragende rhetorische Leistungen". Im November desselben Jahres wurde ihm der "Kleist-Preis" verliehen. 2014 erhielt er den "Joseph-Breitbach-Preis" für sein Gesamtwerk, 2015 wurde ihm der "Friedenspreis des Deutschen Buchhand

els" verliehen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.02.2013

Die Welt brennt hinter der nächsten Ecke
Navid Kermanis gesammelte Reisereportagen aus Krisengebieten erzählen davon, wie Gewalt entsteht
– und warum er als Chronist des Schreckens nicht immer unparteiisch bleiben kann
VON TIM NESHITOV
Navid Kermani, der habilitierte Islamwissenschaftler und Romanautor aus Köln, reist gerne. Er begibt sich in Weltgegenden, von denen viele Menschen wenig wissen außer, dass es dort „brennt“. Er reist nach Syrien, Afghanistan, in den Gazastreifen. Man könnte ihn einen Hobby-Kriegsreporter nennen, wenn das Wort „Hobby“ neben dem Wort „Krieg“ nicht so seltsam aussähe. Eine Eigenschaft hat Kermani mit guten Kriegsreportern gemeinsam: Er kommt sich an den Schauplätzen des Weltgeschehens nicht wichtig vor, sondern er beschreibt diese so, dass man sie ein bisschen besser versteht.
  Eine Sammlung von Kermanis Reisereportagen aus den vergangenen sieben Jahren ist nun bei C.H. Beck erschienen. Das Buch heißt „Ausnahmezustand. Reisen in eine beunruhigte Welt“ und bietet interessante Lektüre für alle, die schon an den Brennpunkten dieser Erde waren, noch bevor es dort brannte, oder vorhaben, dorthin zu reisen, wenn es nicht mehr brennt.
  Ein Grund, warum Kermani sich bei seinen Recherchen in der Region wichtiger vorkommen könnte als manch anderer deutsche Reporter, ist seine Religion. Kermani wurde 1967 als Sohn iranischer Eltern in Siegen geboren, er ist nicht nur Islamwissenschaftler, sondern Muslim. Ein Beispiel aus Syrien, September 2012: Kermani besucht in Damaskus das Grab des arabischen Mystikers Ibn Arabi, der im dreizehnten Jahrhundert eine Theologie des Pluralismus prägte. Kermani zitiert ein Gedicht Ibn Arabis: „Mein Herz kann jede Form annehmen, / Für Gazellen eine Weide, für Mönche ein Kloster, / Ein Tempel für die Götzen, die Kaaba für Pilger / Die Tafeln der Tora, die Blätter des Korans. / Ich folge der Religion der Liebe / Wohin auch ihr Reittier sich wendet, / Dort kehre ich mich hin.“
  Kermani betet am Grab des Mystikers, als ihn ein Mann in gebrochenem Persisch fragt, ob er Iraner sei. „Offenbar hat er an der Stellung der Hände bemerkt, dass ich dem schiitischen Ritus gefolgt bin. Ich müsse vorsichtig sein, sagt er leise, Iraner hätten zur Zeit viele Feinde in Syrien.“ Teheran unterstützt den syrischen Staat mit Geld, Waffen und Beratern, deswegen sind die syrischen Rebellen nicht gut auf Iraner zu sprechen.
  Aus dieser Begegnung ergibt sich ein Gespräch in der Ecke des Schreins, mit dem Kermani in wenigen Sätzen viel über Syrien erzählen kann. Der junge Mann sagt, er stehe auf der Seite Baschar al-Assads, von den Aufständischen spricht er nur als Terroristen und Extremisten. Er ist begeistert von Iran. Aber er weiß nicht, dass iranische Behörden gnadenlos Sufis verfolgen, also Menschen wie ihn, die zu Heiligengräbern pilgern. „Der junge Mann kann es einfach nicht glauben, so wenig er mir andererseits zu misstrauen scheint: Er nimmt den syrischen Staat als Bollwerk gegen den Islamismus wahr, der den Sufismus bedroht, und nun hört er, dass ausgerechnet der engste Partner, ja, die Schutzmacht dieses Staates die eigenen Sufis verfolgt und ermordet.“
  Der Aufstand in Syrien wirbele auch im Westen eingefahrene Muster der Wahrnehmung durcheinander, schreibt Kermani. „Das strikt säkulare, seinem ganzen Habitus nach weltliche Regime hat als Hauptsponsor eine islamische Theokratie, während der Westen auf Seiten einer Opposition steht, die jedenfalls in Teilen dezidiert religiös ist; vollkommen weltläufig wirkende, perfekt Englisch sprechende Syrer verteidigen die autoritären Strukturen mit dem Argument, dass das Volk für die Freiheit noch nicht reif genug sei, und fordern beim Whisky, dass die Armee die Aufständischen mit eisernem Besen aus dem Land kehrt, während bärtige Männer und streng verschleierte Frauen ihre Hoffnung auf die Demokratie setzen und an die Menschenrechte appellieren.“
  Solche Beobachtungen, zwischen Alltagsszenen eingestreut, sprechen für einen publizistischen Anspruch, der über die klassische Reportage hinausgeht. Klassische Reportagen sind Kermanis Texte sowieso nicht, da er selbst in den meisten von ihnen als Protagonist vorkommt. Er betet nicht nur in Schreinen, sondern lässt einen deutschen Fotografen, der ihn begleitet, die Spuren eines Massakers auf der Intensivstation eines syrischen Provinzkrankenhauses dokumentieren. „Es wird einmal ein Gericht geben, vor dem Beweise vorzulegen sind“, erklärt er der Ärztin. „So Gott will“, sagt die Ärztin, „ist es nicht erst das Jüngste Gericht.“
  In Teheran nimmt Kermani im Juni 2009 an den Straßenprotesten gegen die gefälschte Präsidentschaftswahl teil. „Ohne zu begreifen, was ich tue, sprinte ich in einer Gruppe von vielleicht fünfhundert Menschen um die nächste Ecke. Weil von vorn schon das nächste Kommando auf uns wartet, verteilen wir uns an der ersten Kreuzung links und rechts in die Gassen (. . .) Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht mehr bloßer Berichterstatter sein, hinter uns die Knüppel, vor uns hilf Gott.“
  Parteiergreifende Berichterstattung mag im Journalismus als Tabubruch gelten, der Arbeit eines Chronisten wie Kermani schadet sie nicht. Das liegt auch daran, dass Kermani sehr konsequent die eigene Einstellung zu den Menschen infrage stellt, über die er schreibt. Im April 2005 bereiste er Palästina. Er sah, wie am Checkpoint von Gaza Palästinenser „wie Schweine rennend durch die Schleusen geschickt werden“, während ein israelischer Soldat ihn fragte, was er dort verloren habe, ob er Tierarzt sei. Kermani traf, kurz vor dessen Tod, den palästinensischen Nationaldichter Mahmud Darwisch, der von Liebe zum Leben und zum Menschen schrieb („Auch wir lieben das Leben, wo wir nur können.“)
Dann schrieb Kermani einen Text, der das eigene Versagen als Reporter schilderte. „Das Leben in Israel gefiel mir so gut wie vor drei Jahren, aber ich konnte es nicht mehr genießen. Etwas in meiner Realität war eingebrochen wie eine Fassade aus Pappe. Etwas in mir sagte: Ihr seid schuld, jene sind die Opfer. Sie sind nicht bessere Menschen als ihr, aber ihr seid die Besatzer, nicht sie. (. . .) Da hätte ich dem Soldaten am liebsten ins Gesicht geschrien: Die Tiere seid ihr! Das darf man eigentlich nicht schreiben, nicht einmal weitererzählen, weil es so viel anderes ausblendet. Aber ich muss es jetzt schreiben, um zu erklären, warum ich nicht mehr alles in den Blick bekam. (. . .) Vielleicht ist das auch eine Beobachtung: dass mir das Verständnis verloren gegangen ist. Für mich als Autor ist das eine Kapitulation.“
  Alle Reisereportagen Kermanis sind bereits in unterschiedlichen deutschsprachigen Medien erschienen, die Pakistan-Kapitel etwa in dieser Zeitung im vergangenen Jahr. Die Veröffentlichung zwischen zwei Buchdeckeln war wohl verlegerisch eine naheliegende Idee. Liest man jedoch alle Geschichten hintereinander weg, überwiegt der Eindruck einer etwas bemühten chronologischen und geografischen Mischung. Indische Tagelöhner im Herbst 2007, eine Friedenskonferenz in Kandahar im Herbst 2011, der Alltag in den Hausbooten von Kaschmir 2007, ein Treffen mit dem Bürgermeister von Lampedusa 2008. Man fragt sich, ob eine Reportage aus Ciudad Juárez oder dem Ostkongo nicht besser zum Buchtitel „Ausnahmezustand“ gepasst hätte.
  Auch der Untertitel „Reisen in eine beunruhigte Welt“ ist ein wenig irreführend. Denn nicht die Welt, die Kermani beschreibt, ist beunruhigt, sondern die Welt, in der nun dieses Buch erschienen ist. Wir, die Leser, sind beunruhigt über all diese Gegenden, in denen auf eine unheimliche Weise so viel Gewalt entsteht. Kermanis gut recherchierter, einfühlsamer Band zeigt, wie Gewalt entsteht. Und er erinnert daran, dass die fernen Opfer und Täter eines gemeinsam haben: Sie sind Menschen, wie wir.  
Als in Deutschland geborener
Muslim hat Kermani eine eigene
Sicht auf die arabische Welt
Editorisch mag man allenfalls
beanstanden, dass die Auswahl
den Titel nicht rechtfertigt
Der Aufstand in Syrien wirbele dort, aber auch im Westen eingefahrene Muster der Wahrnehmung durcheinander, schreibt Kermani. Unser Bild zeigt das Konterfei Baschar al-Assads in einem vergitterten Schaufenster in Damaskus.
FOTO: REGINA SCHMEKEN
  
    
  
  
  
Navid Kermani: Ausnahmezustand. Reisen in eine beunruhigte Welt. Verlag C.H. Beck, München 2013. 253 Seiten, 19,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Zwei Dinge stören den Rezensenten an den nun als Buch vorliegenden Zeitungsreportagen Navid Kermanis aus den Krisengebieten der Welt, aus Afghanistan, Syrien, Kaschmir etc. Zum einen fügen sich die Texte nicht zu einem Ganzen, so lesenswert und mitreißend Kermanis Berichte für Christoph Erhardt auch sind. Zum anderen leiden sie unter dem Verfallsdatum aller aktuellen Reportagen. Die beim Rezensenten auftauchende Frage, wie die Situation jeweils derzeit ist, ob sich die schlaglichtartig vom Autor beleuchteten Konflikte gelöst oder verschärft haben, kann der Band nicht beantworten. Besonders erhellend scheinen ihm die Texte immer dann, wenn Kermani seine Beobachtungen nicht kommentiert, sondern für sich sprechen lässt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.04.2013

Was ist aus der Grünen Bewegung geworden?
Zeitgebundene Momentaufnahmen: Navid Kermanis gesammelte Reportagen aus den Krisengebieten dieser Welt

Da ist zum Beispiel diese Episode mit dem Fahrradfahrer, der zwischen den Ruinen von Homs herumfährt. Männer des syrischen Regimes winken ihn herbei und fordern ihn auf, seine Geschichte zu erzählen. Aber der Mann sieht nur hinüber zu den zerstörten Häusern und sagt: Wer lesen kann, der lese, denn das alles spreche doch für sich selbst. Der Mann hat keine Chance, die wahre Geschichte zu erzählen, das weiß auch Navid Kermani, der in seiner Reportage "Eingang zur Hölle" von ihm erzählt. Zum Glück kann Kermani lesen.

In diesem Text, der im September 2012 spielt, in kürzerer Form schon als Zeitungsartikel erschienen ist und nun mit einer Reihe von anderen Reportagen aus Krisengebieten in einem kleinen Sammelband vorliegt, gelingt es Kermani, seine Beobachtungen im syrischen Bürgerkrieg für sich selbst sprechen zu lassen: Wenn er von dem Fahrradfahrer erzählt, der weiß, dass er in der Nähe syrischer Soldaten nicht die Wahrheit sagen darf, wird die Propagandamaschine des Regimes entlarvt. Wenn er in derselben Reportage von der Intensivstation einer gynäkologischen Praxis berichtet, die offenbar von Schergen des Machthabers Baschar al Assads überfallen wurde, wird die Brutalität des Regimes auf bedrückende Weise spürbar. "An drei der Rückenlehnen, genau in Höhe der Köpfe, befinden sich die Einschusslöcher von zahlreichen Kugeln, die durch das Bettgestell gingen und in der Wand steckengeblieben sind, sowohl von Pistolen als auch von Gewehren, Kalaschnikows, um genau zu sein. Unter den Betten, ebenfalls in Kopfhöhe, sind die Blutlachen getrocknet."

In Zeiten, in denen sich die syrischen Bürgerkriegsparteien immer stärker entlang religiöser, konfessioneller Linien radikalisieren, ist es erhellend - wie es der Autor tut -, deutlich zu machen, dass die Rebellion gegen Assad kein Glaubenskrieg der Sunniten gegen die Alawiten ist, sondern auch ein Aufstand der benachteiligten ärmeren Bevölkerung in der Provinz und an den Rändern der Hauptstadt. Kermani beschreibt, wie das Assad-Regime systematisch den Hass schürt, um seine Feinde zu radikalisieren, weil es ihm nutzt, Furcht vor den Rebellen zu erzeugen. Jemand, der viel Zeitung liest, mag einige Fakten oder Analysen schon kennen. Doch die Beobachtungen, die Kermani in fesselnde Sprache fasst, sagen bisweilen mehr als mancher Leitartikel.

Navid Kermani führt seine Leser auch zu den Sufis in Pakistan, wo er viel über die Talibanisierung der Gesellschaft, deren Doppelmoral, Zerrissenheit, aber auch ihre kulturelle Vielfältigkeit erfährt. Er führt ins Afghanistan von 2006, wo in der Wiederaufbau-GmbH schon Katerstimmung herrschte und die ernüchterten Afghanen das Gefühl hatten, all die Millionen an Hilfsgeldern würden vor allem in die großen Flotten gepanzerter Geländewagen für die Ausländer investiert. Er führt ins Afghanistan von 2011, wo Unsicherheit und Misstrauen weiter zugenommen haben. Kermani nimmt den Leser mit in die tränengasverhangenen Straßen Teherans von 2009, wo die "Grüne Bewegung" vom Repressionsapparat des unerbittlichen Regimes unter Revolutionsführer Ali Chamenei niedergeknüppelt wurde. Es geht nach Kaschmir (2007), in den indischen Bundesstaat Gujarat (2007), in die palästinensischen Gebiete (2005) und die Flüchtlingslager auf Lampedusa (2008).

Das sind viele unterschiedliche Stationen - und darin steckt eine Schwäche des Buches. Jeder Reisebericht ist für sich lesenswert und mitreißend (am wenigsten gilt das für jenen zum palästinensisch-israelischen Konflikt, in dem Kermani ausdrücklich mehr Kommentator als Reporter ist). Doch wollen sich die Reportagen nicht zu einer kohärenten Sammlung fügen. Das spricht ein Stück weit schon aus dem weit ausgreifenden Untertitel "Reisen in eine beunruhigte Welt".

Reportagen sind Momentaufnahmen, die veralten. So zeigen die Berichte Kermanis aus Iran, wie erdrückend die Macht des dortigen Regimes war und noch immer ist. Und doch fragt man sich fast automatisch: Wie ist es jetzt in dem Land, in dem - vier Jahre später - ein neuer Präsident gewählt wird, Chamenei seine Macht zwar gefestigt hat, es aber weiter gärt? Kermani wirft Schlaglichter auf einzelne Konflikte, leuchtet sie auch in der Tiefe aus und verschafft interessante Einblicke. Doch viele Zusammenhänge bleiben im Dunkeln, wie auch die Entwicklungen, die Navid Kermani, als er seine Reisen unternahm, noch nicht kennen konnte, die der Leser seines Buches aber gern noch erführe.

CHRISTOPH EHRHARDT

Navid Kermani: "Ausnahmezustand". Reisen in eine beunruhigte Welt.

Verlag C. H. Beck, München 2013. 253 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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