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Bislang unbekannte Quellen geben Aufschluss über die Konstellation der Marburger Schüler von Martin Heidegger.Die Philosophen und Geisteswissenschaftler Hans-Georg Gadamer, Karl Löwith, Gerhard Krüger, Hannah Arendt, Leo Strauss, Hans Jonas, Erich Auerbach, Werner Krauss und Max Kommerell lernten sich in den zwanziger und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts kennen. In der kleinen Universitätsstadt Marburg unterzogen sie gemeinsam mit ihren Lehrern Martin Heidegger und Rudolf Bultmann die tradierten Wahrheiten der Philosophie und Theologie einer kritischen Revision.

Produktbeschreibung
Bislang unbekannte Quellen geben Aufschluss über die Konstellation der Marburger Schüler von Martin Heidegger.Die Philosophen und Geisteswissenschaftler Hans-Georg Gadamer, Karl Löwith, Gerhard Krüger, Hannah Arendt, Leo Strauss, Hans Jonas, Erich Auerbach, Werner Krauss und Max Kommerell lernten sich in den zwanziger und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts kennen. In der kleinen Universitätsstadt Marburg unterzogen sie gemeinsam mit ihren Lehrern Martin Heidegger und Rudolf Bultmann die tradierten Wahrheiten der Philosophie und Theologie einer kritischen Revision.
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Autorenporträt
Matthias Bormuth, geb. 1963, Professor für Vergleichende Ideengeschichte an der Universität Oldenburg.Veröffentlichungen u. a.: Editionen zu Hannah Arendt, Erich Auerbach, Karl Jaspers und Max Weber. Zuletzt: »Hannah Arendt und Karl Jaspers. Versuch über die geistige Situation« (2023); Das Geisterreich. Kant und die Folgen (2021); Die Freiheit zum Tode. Versuch über Wolfgang Herrndorf (2021); Werner Tübke, »Wer bin ich?« (Mithg., 2021); Wir modernen Menschen. Über Max Weber (2020); Erich Auerbach - Kulturphilosoph im Exil (2020); Werdegänge. Ideengeschichte in Gesprächen (2019); Offener Horizont. Jahrbuch der Karl Jaspers-Gesellschaft (2014ff.).

Marcel Lepper, geb. 1977, leitet das Literaturarchiv der Akademie der Künste, Berlin, und lehrt als Außerplanmäßiger Professor für Neuere deutsche Literatur an der Universität Stuttgart. Ab Juli 2020 ist er Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs Weimar.Veröffentlichungen u. a.: Goethes Euphrat (2016); Philologie. Zur Einführung (2012); Entdeckung der frühen Neuzeit (Mithg., 2011); Strukturalismus in Deutschland (Mithg., 2010).

Ulrich Raulff, geb. 1950, studierte Philosophie und Geschichte. Ab 1997 Feuilletonchef der FAZ; 2001-2004 Leitender Redakteur im Feuilleton der SZ. Seit 2004 Direktor des Deutschen Literaturarchivs Marbach. Träger des Anna-Krüger-Preises des Wissenschaftskollegs in Berlin für wissenschaftliche Prosa (1996), des Hans-Reimer-Preises der Aby-Warburg-Stiftung (1997) und des Preises der Leipziger Buchmesse 2010 in der Kategorie »Sachbuch und Essayistik«.

Ulrich von Bülow, geb. 1963, war nach dem Studium der Germanistik als Lektor in Leipzig tätig. Seit 1992 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Literaturarchiv Marbach, seit 2006 ist er Leiter der Abteilung Archiv.Veröffentlichungen u. a.:Erich Kästner: Das Blaue Buch. Geheimes Kriegstagebuch 1941-1945 (Mithg., 2018); Entzweite Moderne. Zur Aktualität Joachim Ritters und seiner Schüler (Mithg., 2017); Hannah Arendt in Marbach (2015); Hans Blumenberg: Quellen, Ströme, Eisberge (Mithg. 2012).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.01.2009

Die hessische Konstellation
Die Geistesgeschichte einzelner Orte wird immer beliebter. Ein lesenswerter Band über Gadamer, Heidegger und die Marburger Hermeneutik
Der Name deutscher Städte hat für die Gebildeten im Land einen besonderen Klang. Das könnte daran liegen, dass der Charakter der Staaten, der Grenzen der Nation im Ganzen oft beweglich war. Wer zum Beispiel Preußen sagt, um ein geistiges Profil in der Geschichte zu zitieren, muss immer dabei sagen, welches Preußen zu welcher Zeit er meint. Das Preußen Fontanes ist ein anderes als das Schinkels, der hochgebildete Friedrich II. wünschte alle deutschen Poeten – zu denen immerhin schon Lessing gehörte – zum Teufel, der eher schlichte Friedrich Wilhelm III. wollte Schiller nach Berlin ziehen. Der Name Weimar dagegen ist unwandelbar mit dem Namen seiner Dichter verbunden, und Jena wird die Stadt deutscher Philosophie bleiben – nicht, weil hier die bedeutendsten dauernd gelehrt hätten, sondern weil in Jena am hellsten die Funken der Diskussionen über sie sprühten.
Auch bei der Aneignung wichtiger Einflüsse aus den Nachbarländern taten sich in Deutschland Städte hervor: Königsberg, was die britischen, Dresden und München, was die italienischen, Berlin und Leipzig, was die französischen Lehrmeister betraf. Deutsches Genie im Konzert der europäischen Eliten trat zuerst mit der Universität Erfurt hervor und gab sich national eindeutig als Grobianismus zu erkennen; dennoch waren die „Dunkelmännerbriefe” ein Ereignis, das von Edinburg und Oxford bis Bologna und Salamanca die gelehrte Welt entzückte. Die jungen Leute um Crotus Rubeanus – der berühmteste wurde Ulrich von Hutten – befeuerten sich gegenseitig in ihrer akademischen Spottlust.
Seit geraumer Zeit nun hat man solche Bündelungen hochmögender Talente an jeweils einem Ort als ergiebiges Thema für die Geistesgeschichte entdeckt. Stuttgart, Frankfurt, Bad Homburg sind so neu vorgestellt und mit reizvollen Studien bedacht worden. Für Tübingen hat der Philosoph Dieter Henrich gründlicher als irgendjemand vor ihm die Rezeption der Kantischen Philosophie im seit jener Zeit berühmten Stift und ihre Folgen für die dort Studierenden erforscht: Sie gehen weit über das hinaus, was erforscht und allbekannt mit den Namen Hegel, Schelling und Hölderlin verbunden wird. Von Henrich stammt auch der Name für Studien dieser Art: Konstellationsforschung – es geht um Konstellationen, die sich wie zufällig zusammenfinden können, die im Ergebnis aber unter sehr unterschiedlichen Gelehrten Gemeinsamkeiten schaffen, die alles andere als zufällig sind.
In der Reihe der „Marbacher Schriften” sind jetzt die Vorträge eines Kolloquiums veröffentlich worden, das der Konstellation in Marburg in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren gewidmet war. Der Titel des unbedingt lesenswerten Buches ist ein wenig verwirrend. „Marburger Hermeneutik” mag noch angehen, auch wenn das Hauptwerk dazu von Hans Georg Gadamer in Heidelberg geschrieben wurde, nachdem er Marburg längst verlassen hatte. Aber das gehört eben zum Konstellationenbegriff, dass der Philosoph natürlich von der Marburger Zeit und den dort geschlossenen Freundschaften unüberholbar geprägt blieb, sodass er überall, wo er hinging, sein Marburg mitnahm und so auch „Wahrheit und Methode” schrieb.
Schwieriger aber ist es mit dem Zusatz „zwischen Tradition und Krise”. Zum Ersteren wäre wohl manches zu sagen, das tut dieser Band jedoch nicht. Und welche Krise gemeint ist, bleibt unklar. Genannt wird 1933. Es ließe sich außerdem noch manches denken. Aber gab es eine Krise des hermeneutischen Gedankens? Der hat sich bei den unterschiedlichen Protagonisten unterschiedlich ausgeprägt, krisenhaft jedoch wohl nicht in jedem Fall.
Das Doppelgestirn, das die Konstellation in Marburg schuf, wurde durch den Theologen Rudolf Bultmann und Martin Heidegger gebildet. Bultmann lehrte dreißig Jahre in Marburg, Heidegger nicht einmal zehn. Aber nicht nur die Berührung von Theologie und Philosophie ist für die Konstellation und dieses Buch kennzeichnend. Es gab auch die bedeutende Berührung mit der romanischen Philologie, hier vertreten durch Erich Auerbach, dessen Hauptwerk „Mimesis” durch eine Anregung Bultmanns eine sinnvolle Erweiterung erfuhr. Dazu ist an Werner Krauss gedacht, dessen kommunistisch begleiteter Widerstand gegen das NS-Regime ihn erst in die Todeszelle und dann auf einen Lehrstuhl in der DDR führte.
Die Lebenswege der Marburger führten sie, oft der Not gehorchend, weit auseinander. Karl Löwith musste, wie Hannah Arendt, Erich Auerbach, Hans Jonas und Leo Strauss, als Jude emigrieren. Aber während Löwith nach Deutschland – nach Heidelberg – zurückkehrte, blieben die anderen in den USA, wo Strauss eine politische, streng konservative Denkschule begründete, die engste und begabteste Heidegger-Schülerin Hannah Arendt hingegen zu einem liberalen Medien-Star aufstieg. Gerhard Krüger landete im katholischen Münster. Von ihnen allen hielt Gadamer, der nach Jahren in Leipzig über Frankfurt nach Heidelberg kam, die unverbrüchlichste Freundschaft zu Heidegger, auch wenn es jene Zeit nach 1933 gab, in der, wie der Lieblingsschüler später gelegentlich sagte, mit Heidegger nicht zu reden war.
Dabei war der Beginn dieser Beziehung alles andere als glücklich. Der Professorensohn war in Marburg sehr früh promoviert worden, aber seine Habilitation lehnte Heidegger rundweg wegen unzureichender Leistung ab. Gadamer nahm daraufhin das Studium der Klassischen Philologie auf, und zwar bei dem überragenden Platon-Spezialisten Paul Friedländer. Auf das Staatsexamen hin wollte Heidegger ihn dann doch habilitieren. Gadamer schrieb eine Arbeit, in der er die Brauchbarkeit der Heideggerschen Methode – nach „Sein und Zeit” – am Beispiel Platons vorführte, diese aber zugleich durch Rückgang auf Platon relativierte. Das gefiel Heidegger.
Freundschaft war es auch, was Gadamer mit dem Germanisten Max Kommerell verband, der sich mühsam aus dem George-Kreis gelöst hatte. Kommerell in Frankfurt am Main war Schwiegersohn des Gräzisten Walter F. Otto, der dort bis 1933 lehrte. Der Verfasser der „Götter Griechenlands” bildete einen deutlichen Gegenpol zu dem ebenfalls in Frankfurt lehrenden Karl Reinhardt, bei dem Heidegger auf den Fahrten von Freiburg nach Marburg gern Station machte.
Gegen den Griechenfimmel des Schwiegervaters wurde der Autor des Buches „Der Dichter als Führer in der deutschen Klassik” allmählich allergisch. Auch Gadamers Gedanken fanden nicht immer seinen Beifall. Trotzdem wurde durch ihre Freundschaft Frankfurt zunächst fast eine Außenstelle der Marburger Konstellation, so sehr ging sie gerade in den letzten Jahren der Weimarer Republik und in der Zeit des Nationalsozialismus als „bevorzugte, fast zelebrierte Sozialform” in ihre jeweilige Arbeit ein: „Verkürzt könnte man sagen”, schreibt Ulrich von Bülow: „Die geschichtliche Krise gebar eine Freundschaft aus dem Geist der Hermeneutik.” JÜRGEN BUSCHE
MATTHIAS BORMUTH, ULRICH VON BÜLOW (Hrsg.): Marburger Hermeneutik zwischen Tradition und Krise. Marbacher Schriften, Neue Folge Nr. 3. Wallstein, Göttingen 2008. 254 S., 19,90 Euro.
Der junge Hans-Georg Gadamer Foto: Univ. Marburg
Der Theologe Rudolf Bultmann Foto: Universität Marburg
Martin Heidegger Foto: SZ Photo
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Eingenommen zeigt sich Jürgen Busche von diesen Band über Hans-Georg Gadamer, Martin Heidegger und die Marburger Hermeneutik, den Matthias Bormuth und Ulrich von Bülow herausgegeben haben. Er hebt hervor, dass die Erforschung der Geistesgeschichte einzelner Orte und ihrer jeweiligen Konzentration von großen Köpfen momentan Konjunktur hat. Neben Arbeiten zu Stuttgart, Frankfurt und Bad Homburg nennt er in diesem Zusammenhang die "reizvolle" Studie über Tübingen, die der Philosoph Dieter Henrich vorgelgt hat. Nun also Marburg. Zwar findet Busche den Titel "Marburger Hermeneutik zwischen Tradition und Krise" etwas irreführend. Eine allgemeinen Krise der Marburger Hermeneutik sieht er nämlich nicht. Aber nichtsdestoweniger hält er den Band für "unbedingt lesenswert". Ausführlich berichtet er über die Marburger Konstellation, das Zusammentreffen von Rudolf Bultmann und Heidegger, Erich Auerbach, Werner Krauss, Karl Löwith, Hanna Arendt und andere. Besonders geht er auf die Freundschaft zwischen Gadamer und Heidegger ein, deren Beginn keineswegs glücklich gewesen sei.

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