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Was hat Helmut Schmidt als Kanzler außer Dienst wirklich bewegt?
Fast alle Biographien Helmut Schmidts enden mehr oder weniger mit dem Jahr 1982, dem Jahr seines Ausscheidens aus dem Kanzleramt. Von seinem Leben in den dreiunddreißig Jahren danach drang nur wenig nach außen. Wie aber wurde dieser Mann, der 1982 noch als durchschnittlicher Kanzler galt, zu einem Idol der Deutschen?
Kein anderer Politiker der Bundesrepublik hat eine solche fast kultische Verehrung genossen wie Schmidt. Sein Ruhm gründet allerdings weniger auf der Kanzlerzeit als vielmehr auf seiner zweiten Karriere danach:
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Produktbeschreibung
Was hat Helmut Schmidt als Kanzler außer Dienst
wirklich bewegt?

Fast alle Biographien Helmut Schmidts enden mehr oder weniger mit dem Jahr 1982, dem Jahr seines Ausscheidens aus dem Kanzleramt. Von seinem Leben in den dreiunddreißig Jahren danach drang nur wenig nach außen. Wie aber wurde dieser Mann, der 1982 noch als durchschnittlicher Kanzler galt, zu einem Idol der Deutschen?

Kein anderer Politiker der Bundesrepublik hat eine solche fast kultische Verehrung genossen wie Schmidt. Sein Ruhm gründet allerdings weniger auf der Kanzlerzeit als vielmehr auf seiner zweiten Karriere danach: als Publizist und Elder Statesman, der - scheinbar unbeeinflusst von der Tagespolitik - über den Parteien stand und unbeirrbar an seinen politischen und ethischen Grundsätzen festhielt. Damit erfüllte er zugleich die Sehnsucht weiter Teile der Gesellschaft nach Führung. Die Biographie der späten Jahre 1982 bis 2015 erzählt, wie es dem Kanzler außer Dienst gelang, am Ende so gesehen zu werden, wie er gesehen werden wollte.

Thomas Karlauf, der seit 1987 fast alle Buchveröffentlichungen Schmidts betreute, besaß uneingeschränkten Zugang zu dessen Privatarchiv. Seine Biographie entfaltet ein intimes Stück deutscher Zeitgeschichte, gespiegelt im Leben jenes Mannes, den viele Deutsche zum Vorbild schlechthin erklärten.

Autorenporträt
Karlauf, Thomas
Thomas Karlauf, geboren 1955 in Frankfurt am Main, ging nach dem Abitur nach Amsterdam und arbeitete zehn Jahre für die Literaturzeitschrift »Castrum Peregrini«. Von 1984 bis 1996 war er Lektor bei den Verlagen Siedler und Rowohlt und führt seither eine Agentur für Autoren in Berlin. Zu seinen Buchveröffentlichungen zählen die weithin beachteten Biografien »Stefan George. Die Entdeckung des Charisma« (Blessing 2007) und »Helmut Schmidt. Die späten Jahre« (Siedler 2016), sein Buch »Stauffenberg. Porträt eines Attentäters« wurde im Rahmen des DAMALS-Buchwettbewerbs von einer hochkarätigen Jury als "historisches Buch des Jahres" und als "Biografie des Jahres" ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.09.2016

Weltenkanzler und Zeitenpräsident
Helmut Schmidt konnte über 33 Jahre hinweg an seinem Nachruhm arbeiten

An diesem Donnerstag stellt der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder in Berlin eine Studie über seinen Vorvorgänger Helmut Schmidt vor. Über den am 10. November 2015 verstorbenen SPD-Fraktionsvorsitzenden während der Großen Koalition unter Kurt Georg Kiesinger und Willy Brandt, den Bundesminister der Verteidigung, der Finanzen sowie schließlich den Regierungschef von 1974 bis 1982 gibt es Bücher in Hülle und Fülle - dazu noch all jene von ihm selbst verfassten sowie seine unzähligen Zeitungsartikel und Vorträge.

Nun beschreibt ihn sein jahrzehntelanger Lektor, der immerhin mit 28 von den 33 Jahren der Nach-Kanzler-Zeit bestens vertraut ist. Jene "späten Jahre" weiß Karlauf packend und höchst informativ zu schildern. Zunächst werden die "Jahre der Zurückhaltung" von 1982 bis 1990 behandelt. Am Anfang stand die gekonnte Inszenierung seines Sturzes als Bundeskanzler am 1. Oktober 1982, den er als Verrat der FDP hinstellte. Dabei hatte ihm doch die eigene Partei in der Nachrüstungsfrage die Gefolgschaft verweigert - was die neue schwarz-gelbe Regierung Kohl/Genscher hervorhob. "Um sein Erbe zu sichern, musste Schmidt jetzt vor allem verhindern, dass die Sozialdemokraten dieser Version Auftrieb gaben. Da kam einiges auf ihn zu."

Bis er "mit seiner Partei einigermaßen versöhnt war", vergingen fast zwei Jahrzehnte, in denen Schmidt für seinen Nachruhm vor allem durch die im Mai 1983 übernommene Funktion als Mit-Herausgeber der "Zeit" - gemeinsam mit Marion Gräfin Dönhoff - arbeiten konnte. Der Eigentümer Gerd Bucerius wollte mit ihm ein konservatives Gegengewicht in der Wochenzeitung installieren - doch Schmidt habe bald (wie Dönhoff und Theo Sommer) die vorrangige Aufgabe darin gesehen, "der Redaktion den Rücken freizuhalten".

Spannungen entzündeten sich an seinen überlangen internen Exkursen zur Weltlage. Vorübergehend rückte er vom 1. Oktober 1985 an in die Rolle des Verlegers auf. Kritik riefen sein Führungsstil und seine Belehrungen in Form von Hausmitteilungen hervor. Ende 1989 gab er die verlegerische Verantwortung ab, "ohne dass ein konkreter Anlass erkennbar geworden wäre. Alles deutet darauf hin, dass ihn die dauernde Doppelbelastung, nach der Inhaberseite die Redaktion und die Ergebnisse zu rechtfertigen und zugleich gegenüber der Redaktion darauf zu drängen, den Spagat zwischen redaktioneller Freiheit und ökonomischer Vernunft nicht zu überdehnen, zermürbt hatte."

Um so erfolgreicher gestaltete sich Schmidts weltweite Reise- und Vortragstätigkeit. Viele aktive Politiker empfingen ihn, beispielsweise auch Erich Honecker. Zwischen beiden gab es - so Karlauf - "eine wechselseitige Sympathie, die über das politisch Erforderliche hinausging". Vom Fall der Mauer im Herbst 1989 wurde auch Schmidt überrascht, der sich wohl in seiner Einschätzung der DDR durch die verklärende Sicht von "Zeit"-Redakteuren, die eine vom Ost-Berliner Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten organisierte Reise durch den maroden Honecker-Staat machen durften, täuschen ließ.

Im zweiten Teil - "Jahre der Einmischung" - wird der Zeitraum von 1993 bis 2003 vergegenwärtigt; hier geht es darum, wie Schmidt die Weltmacht China "entdeckte", die er zwischen 1984 und 2005 zwölf Mal besuchte, auch um seine Sicht auf die Weltreligionen, sein Engagement für eine Deutsche Nationalstiftung und sein - anfängliches - Nicht-Verhältnis zu Gerhard Schröder. Erst durch die Agenda 2010 nahm Schmidt seinen Nachnachfolger ernst. Drei Tage vor der Bundestagswahl von 2005 distanzierte er sich jedoch in der "Zeit" von Schröder, trat damit den eigenen Genossen im Wahlkampf brutal vors Schienbein. Karlauf mutmaßt, Schmidt habe vielleicht die Vorstellung missfallen, "dass Schröder ihn mit einer dritten Legislaturperiode überrunden würde und mit dann denkbaren elf Jahren der am längsten regierende SPD-Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik werden könnte".

Das Kapitel "Die schwere Hypothek" befasst sich mit Schmidts Rückblicken auf die Zeit des Nationalsozialismus, unter anderem mit seiner Kritik an der Weizsäcker-Rede vom 8. Mai 1985. Überhaupt habe bei Schmidt das "Eingeständnis der Scham" schwerer gewogen als die "Bejahung der Schuld". Wusste er denn aufgrund von Andeutungen seiner Mutter schon seit 1933/34 oder spätestens seit 1942, dass er einen jüdischen Großvater hatte? Das verneint der Biograph klar, weil Schmidt erst 1978 genealogische Nachforschungen in Gang setzte. Ab Mitte der achtziger Jahre schob sich seine "jüdische Erinnerungsschicht" immer stärker über die tatsächlichen Ereignisse und wurde für ihn "zum Anker in den aufgewühlten Debatten um die deutsche Schuld". Schwer tat sich der einstige Oberleutnant mit dem deutschen Widerstand, obwohl er einem der Volksgerichtshof-Prozesse gegen Beteiligte des 20. Juli 1944 als Zuschauer beigewohnt hatte. Ein Jahr später hielt er in einem Kriegsgefangenenlager einen ziemlich arroganten Vortrag über das Attentat und beklagte auf der Verschwörer-Seite "bei richtigem Entschluss" die "mangelhafte Durchführung" des Umsturzversuchs.

"Wege des Ruhms" lautet der dritte Teil des Buches über die letzte Etappe von 2003 bis 2015. Hier stehen nicht zuletzt Schmidts Bemühungen, sein eigenes Bild in der Geschichte zurechtzurücken, im Vordergrund. Innerhalb der Hamburger Redaktion warnte er vor zunehmenden "Hordenjournalismus" und "Gesinnungs-Journalismus". Und mit seinem öffentlichen Pochen auf Gradlinigkeit erwarb er sich die Gunst des Medien-Publikums, das ihm - so Karlauf - die "scheinbare Unabhängigkeit vom Mainstream" abnahm. Der Mann, "den die Deutschen sich zum Ersatzkaiser erkoren hatten", habe mit Peer Steinbrück vergeblich seinen "Erbprinzen" präsentieren wollen. Aus den vielen markanten Zitaten, die Karlauf ausgegraben hat, ragt eine Altersweisheit heraus: "Ich hege ganz großen Argwohn gegenüber begeisterten Leuten in der Politik. Je größer die Begeisterung, desto geringer der Verstand."

RAINER BLASIUS.

Thomas Karlauf: Helmut Schmidt. Die späten Jahre. Siedler Verlag, München 2016. 555 S., 26,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Überraschend hart geht Thomas Karlauf laut Ralf Husemann mitunter ins Gericht mit Helmut Schmidt, dessen Werk der Autor als Cheflektor bei Siedler immerhin 33 Jahre betreute. Auch wenn Karlauf schon mal ein "der Chef" herausrutscht, kritisiert er doch auch offen manche publizistische Schwäche Schmidts, dessen Missgust Kollegen gegenüber oder auch seine Inanspruchnahme durch rechtsradikale Gruppen. Der auf umfangreichen Archivrecherchen und Gesprächen mit Schmidt basierende Band geht laut Husemann auch ausführlich auf die Wehrmachtszeit des ehemaligen Kanzlers ein und bietet mit einem Schwerpunkt auf Schmidts Herausgebertätigkeit bei der "Zeit" zudem einen interessanten Fokus, findet der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Dieses Buch ist ein wichtiger Beitrag, um Helmut Schmidt besser zu verstehen - nicht nur seine letzten Jahre, sondern seine gesamte Persönlichkeit. Es ist wie ein fehlender Mosaikstein.« Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder