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Eine Handschrift von Marcel Proust zu besitzen, davon träumen nicht nur begeisterte Proustianer. Selten erscheint uns ein Kunstwerk so zugänglich, sein Gehalt so zum Greifen nahe wie im Prozeß seiner Entstehung. Mit diesem Faksimile legt der Suhrkamp Verlag eine Rarität vor: Es handelt sich um ein 48 Seiten umfassendes Schulheft, eines von Prousts berühmten cahiers. Der Autor hat dieses Heft in jeder erdenklichen Weise vollgeschrieben, er hat jeden freien Raum mit Notizen und Zeichnungen ausgefüllt. Entstanden ist dabei der Entwurf zu einem seiner bedeutendsten Essays: Sur la lecture - Tage…mehr

Produktbeschreibung
Eine Handschrift von Marcel Proust zu besitzen, davon träumen nicht nur begeisterte Proustianer. Selten erscheint uns ein Kunstwerk so zugänglich, sein Gehalt so zum Greifen nahe wie im Prozeß seiner Entstehung.
Mit diesem Faksimile legt der Suhrkamp Verlag eine Rarität vor: Es handelt sich um ein 48 Seiten umfassendes Schulheft, eines von Prousts berühmten cahiers. Der Autor hat dieses Heft in jeder erdenklichen Weise vollgeschrieben, er hat jeden freien Raum mit Notizen und Zeichnungen ausgefüllt. Entstanden ist dabei der Entwurf zu einem seiner bedeutendsten Essays: Sur la lecture - Tage des Lesens.
In diesem Aufsatz sucht Proust Geheimnis und Faszination des Lesens - "dieses fruchtbaren Wunders einer Kommunikation im Herzen der Einsamkeit" - zu entschlüsseln und setzt sich mit der Frage auseinander, ob und wie aus dem Umgang mit Literatur Literatur entstehen kann. Proust veröffentlichte den Essay in seiner endgültigen Form erstmals 1906 als Vorwort zu seiner Übersetzung von Ruskins Sesame and Lilies.
Die Handschrift des Entwurfs befindet sich heute im Besitz des Sammlers und Vorsitzenden der Marcel Proust Gesellschaft Reiner Speck. Diese Urfassung wurde bislang, auch in Frankreich, noch nicht publiziert.
Die aufwendig ausgestattete Kassette enthält neben dem Faksimile der Handschrift einen Begleitband mit Essays, Transkription und Kommentaren.

Autorenporträt
Marcel Proust, geb. am 10. Juli 1871 in Auteuil, starb am 18. November 1922 in Paris. Sein siebenbändiges Romanwerk 'Auf der Suche nach der verlorenen Zeit' ist zu einem Mythos der Moderne geworden. Eine Asthmaerkrankung beeinträchtigte schon früh Prousts Gesundheit. Noch während des Studiums und einer kurzen Tätigkeit an der Bibliothek Mazarine widmete er sich seinen schriftstellerischen Arbeiten und einem nur vermeintlich müßigen Salonleben. Es erschienen Beiträge für Zeitschriften und die Übersetzungen zweier Bücher von John Ruskin. Nach dem Tod der über alles geliebten Mutter 1905, der ihn in eine tiefe Krise stürzte, machte Proust die Arbeit an seinem Roman zum einzigen Inhalt seiner Existenz. Sein hermetisch abgeschlossenes, mit Korkplatten ausgelegtes Arbeits- und Schlafzimmer ist legendär. 'In Swanns Welt', der erste Band von Prousts opus magnum, erschien 1913 auf Kosten des Autors im Verlag Grasset. Für den zweiten Band 'Im Schatten junger Mädchenblüte' wurde Proust 1919
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.12.2004

Die Grenzen eines grenzenlosen Reichs
Wo die Weisheit des Dichters endet und die des Lesers beginnt: Marcel Prousts Essay "Tage des Lesens" in einer Faksimile-Ausgabe

Im kleinen Salon von Marcel Prousts Wohnung auf dem Boulevard Haussmann stand ein schwarzer Bücherschrank, ein Erbstück, in dem der Hausherr "alle Bücher aufbewahrte, die ihm lieb waren, zum Beispiel die Werke des englischen Schriftstellers Ruskin und von Madame de Sévigny, auch die seiner Freunde und Verwandten, die ihm dediziert worden waren". Céleste Albaret, die mehr als nur die Haushälterin des Dichters war, beschreibt diesen Schrank in ihren Erinnerungen "Monsieur Proust" und erwähnt auch, wie gern Proust den einen oder anderen Band aus diesem Schrank nahm, darin blätterte und ihr etwas über das betreffende Werk erzählte, wobei er in Wirklichkeit, wie die kluge Céleste wußte, nur laut seinen Gedanken und Erinnerungen nachging.

Einmal griff er sich einen Band des Religionswissenschaftlers Ernest Renan, Ruskins Werke müssen ganz in der Nähe gestanden haben, zeigte ihr die Widmung und bat um ein Gutachten: "Da sehen Sie seine Schrift. Was sagt sie Ihnen, Céleste?" - "Nun, Monsieur, man würde das für die ungelenken Buchstaben eines Kindes halten." Das ist, wenn man die Bedeutung des von Proust bewunderten Renan bedenkt, zumindest ein unverblümtes Urteil. Seine Offenheit verblüfft aber um so mehr, wenn man in Betracht zieht, welche Torturen die arme Céleste mit der Handschrift und der Arbeitsweise ihres verehrten Monsieur Proust ausgestanden hat. Proust schrieb kreuz und quer über die Seiten, klebte Papierstreifen mit Ergänzungen an, scherte sich nicht um die richtige Reihenfolge der Seiten oder darum, ob er Vorder- oder Rückseite eines Blattes vor sich hatte, und vertraute ganz darauf, daß die getreue Céleste schon Ordnung in das Chaos der sogenannten "Papieroles" bringen würde. Die vollgekritzelten Blätter, die Jürgen Ritte und Reiner Speck jetzt in einer reizvollen Faksimile-Ausgabe herausgegeben haben, sind also nicht ungewöhnlich für den Arbeitsstil Prousts.

Ungewöhnlich, geradezu außergewöhnlich ist jedoch der editorische Aufwand, den Marcel Proust diesem kurzen Text angedeihen ließ: "Sur la lecture" entstand als Vorwort zu seiner eigenen Übersetzung von Ruskins "Sésame et les lys" und wurde bereits ein Jahr vor deren Veröffentlichung (1906) in einer Zeitschrift publiziert. Vierzehn Jahre später, nämlich 1919, als Proust den Prix Goncourt erhielt, nahm er den Essay in die Sammlung "Pastiches et Mélanges" auf. Weit mehr noch als die Aufsätze über Flaubert und Baudelaire gilt "Tage des Lesens", wie der deutsche Titel lautet, als bedeutende Selbstauskunft des Dichters, gerade mit Blick auf die Bedeutung des Lesens im Konzept des Romanwerks der "Recherche".

Während Proust sonst Kladden, Hefte, seine berühmten "Cahiers", lose Blätter und fliegende Zettel zur Niederschrift nutzte, hat er den vermutlich ersten Entwurf des Essays in einem englischen "Exercise book" notiert, dessen erste Seiten Notizen von fremder Hand zu Collingwoods Ruskin-Biographie enthalten. Als das Heft vor einigen Jahren bei einem Antiquar auftauchte, konnte es Reiner Speck, der Begründer der deutschen Proust-Gesellschaft, für seine Bibiliothek erwerben. Jetzt wird es erstmals zugänglich gemacht: faksimiliert, transkribiert, kommentiert und mit einem Essay versehen von Reiner Speck und dem in Paris lehrenden Literaturwissenschaftler Jürgen Ritte, wunderbar aufgehoben in einem Schmuckschuber aus Leinen und mit Marmorpapier bezogenem Karton.

Vier Anläufe unternimmt Proust in seinem Entwurf, um vom ersten Teil des Essays zum zweiten zu gelangen. Der Übergang ist heikel, denn den allgemeinen Überlegungen zur Lektüre gehen die Erinnerungen an die lektüreerfüllten Tage der Kindheit voran, Erinnerungen, in denen das Ritual des Lesens mit den Ritualen des häuslichen Tagesablaufs konkurriert. Fast wichtiger als der Inhalt der Bücher erscheint der Ort der Lektüre, der Ort also, an dem Proust erstmals jene Eindrücke empfing, die viele Jahre, zahllose Lektürestunden später zu Reflexionen über die Grenzen des potentiell grenzenlosen Reichs der Lektüre führten: "Das Lesen liegt an der Schwelle des geistigen Lebens; es kann uns darin einführen, aber es ist nicht dieses Leben."

Proust verteidigt das Lesen, indem er scheinbar dessen Bedeutung relativiert, vor allem aber will er das Lesen vom Ruch der Passivität befreien: "Wir spüren genau, daß unsere Weisheit dort beginnt, wo die des Autors endet, und wir möchten, daß er uns Antworten gibt, während er uns doch nur Wünsche geben kann." Daß die Literatur auch Wünsche erfüllt, würde Proust vermutlich nicht leugnen. Aber es sind nur jene, von denen wir nicht wußten, daß wir sie hegen.

Marcel Proust: "Sur la lecture / Tage des Lesens". Faksimile der Handschrift. Transkription, Kommentare und Essays. Herausgegeben von Jürgen Ritte und Reiner Speck. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004. 2 Bde., 48 und 150 S., br. im Schuber, 114,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

1994, erzählt Rezensentin Ina Hartwig, fand Reiner Speck in einem Pariser Antiquariat ein englisches Schulheft, das den handschriftlichen Erstentwurf von Prousts Essay "Über das Lesen" enthielt, der 1906 als Vorwort zu John Ruskins "Sesam und Lilien" diente. Wie die Rezensentin amüsiert bemerkt, wird Ruskin von Proust in seinem Vorwort nur an einer Stelle erwähnt. Doch erstens könne man dies als nachahmendes Augenzwinkern deuten - schließlich habe Ruskin selbst seine Themen nie direkt behandelt - und zweitens setze sich Prousts Essay mit der (auch) für Ruskin zentralen Frage "Wie lässt sich die Kunst mit dem Leben versöhnen?" auseinander. Prousts antworte darauf mit einer "kleinen Philosophie des Lesens". In diesem kleinen Essay wird für die Rezensentin deutlich, dass die kritische Auseinandersetzung mit Ruskin ein zentraler Bestandteil des verschlungenen Schaffensweges zur Recherche darstellt, ja, dass es ohne Ruskin keine "memoire involontaire" gegeben hätte. Insgesamt findet sie die vorliegende "kostbare Ausgabe" sehr gelungen, weniger aufgrund der luxuriösen Aufmachung, als vielmehr weil sie neben der französischen Endfassung - und deren Übersetzung ins Deutsche - auch das Faksimile des Erstentwurfs und abermals deren Übersetzung liefert. Gerade das Faksimile biete wunderbaren Einblick in die für Proust so typische "Unordnung auf dem Papier und Ordnung im Kopf", die erspüren lasse, wie schon "im Chaos des ersten Entwurfs" das Glück des Schaffens erstrahle - nicht in der "Vollendung", sondern im "Enstehen". Schließlich wird auch Jürgen Rittes einleitender Kommentar als "ebenso elegant wie instruktiv" gelobt.

© Perlentaucher Medien GmbH
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