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1974: Sein Vater, Präsident des äthiopischen Kronrats, wird von den Generälen der Revolution erschossen, seine Mutter und seine Geschwister gefangengenommen, das Hab und Gut der Familie beschlagnahmt. Über Nacht wird das Gastland Deutschland, in dem er studiert, zum Ort des Exils. Seine Pläne, nach Äthiopien zurückzukehren, werden durch die neue politische Situation von heute auf morgen zunichte gemacht.Prinz Asfa-Wossen Asserate erzählt vom Glanz des Kaiserhofs, seiner Zeit an der Deutschen Schule in Addis Abeba und vom Leid der Revolution. Er erzählt, wie er jahrzehntelang um seine Familie…mehr

Produktbeschreibung
1974: Sein Vater, Präsident des äthiopischen Kronrats, wird von den Generälen der Revolution erschossen, seine Mutter und seine Geschwister gefangengenommen, das Hab und Gut der Familie beschlagnahmt. Über Nacht wird das Gastland Deutschland, in dem er studiert, zum Ort des Exils. Seine Pläne, nach Äthiopien zurückzukehren, werden durch die neue politische Situation von heute auf morgen zunichte gemacht.Prinz Asfa-Wossen Asserate erzählt vom Glanz des Kaiserhofs, seiner Zeit an der Deutschen Schule in Addis Abeba und vom Leid der Revolution. Er erzählt, wie er jahrzehntelang um seine Familie kämpfte, wie er in Deutschland neu anfing und nach seinen Studien in Tübingen und Frankfurt am Main die Deutschen und deren große Dichter und Denker kennen- und liebenlernte: der Fremde, der blieb.
Autorenporträt
Asfa-Wossen Asserate, Prinz aus dem äthiopischen Kaiserhaus, wurde 1948 in Addis Abeba geboren. An der Deutschen Schule bestander als einer der ersten Äthiopier das Abitur. Er studierte Geschichte und Jura in Tübingen und Cambridge und promovierte in Frankfurt am Main. Die Revolution in Äthiopien verhinderte die Rückkehr in seine Heimat. Er blieb in Deutschland und ist heute als Unternehmensberater für Afrika und den Mittleren Osten tätig. Sein Buch »Manieren« wurde von der Kritik gefeiert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.05.2007

Diskrete Winke mit dem Kavalierstüchlein
Keine Spur von Formlosigkeit: Asfa-Wossen Asserate über seine Prinzenrolle in Deutschland

Warum Asserate Kassa, der Neffe des äthiopischen Kaisers Haile Selassie, seinen erstgeborenen Sohn Asfa-Wossen im Alter von sieben Jahren in die gerade eröffnete Deutsche Schule von Addis Abeba schickte und also nicht, wie in den herrschenden Kreisen des Landes bis dahin selbstverständlich, in den englischen Privatunterricht oder gleich auf ein englisches Internat? Asfa-Wossen, besagter Sohn, weiß es bis heute nicht: "Ich habe es nie in Erfahrung gebracht." Wahrscheinlich, so vermutet er mehr als ein halbes Jahrhundert danach, hätten sein österreichisches Kindermädchen, von ihm "Tante Louise" genannt, und seine deutsche Erzieherin Vera Schuhmacher einen gewissen Einfluss auf den Vater ausgeübt - aber lässt sich des Kaisers Generalgouverneur und nachmalige Vizekönig von Eritrea wirklich von Frauen aus der Fremde, gar von einer Hausangestellten leiten, wie Louise Haunold es war?

Wie dem auch sei: Just diese Entscheidung des Vaters hat das Leben des Sohnes von 1955 an wie keine andere geprägt. Sie hat ihn zu dem werden lassen, der er wurde und ist: ein zutiefst deutscher Äthiopier, ein Bürger von Frankfurt am Main - und, inzwischen wohl an erster Stelle der Identitätsskala: ein naturgemäß deutsch schreibender Autor. Welch ein Deutsch er zu schreiben vermag, hat sich erstmals 2003 erwiesen, als seine "Manieren" erschienen und ein staunenswerter Erfolg wurden. Was dieses bewusst antinormative Benimmbrevier, das im Grunde ein Vorschlag zu einer annähernd zivilisierten Lebensführung ist, von der ersten Seite an zeigte, bestätigen nun auch seine Memoiren: Asfa-Wossen Asserate ist ein packender Erzähler, ein auch in eigenen Angelegenheiten unbestechlicher Chronist, ein kluger Räsoneur und ein sicherer Stilist.

Seine Sätze trumpfen niemals auf, sie sind, bei aller Lust an der Anekdote, nicht auf eine brillierende, gar blendende Pointe hin konstruiert, vielmehr sachlich, wo Sachlichkeit geboten ist, und farbig, wo es die Anschaulichkeit verlangt. Seinen Stil darob als aristokratisch zu bezeichnen, bediente freilich bloß ein naheliegendes Klischee. Besser ist es, Asserate einen Romantiker des Deutschen zu nennen - und ihn damit zumindest vorderhand in eine heutzutage eigentlich unmögliche Position zu manövrieren. Zweifach unmöglich scheint auch, was er in seinen Memoiren unternimmt: ein Buch zu schreiben, das überaus diskret ist, obwohl es dem Genre gemäß doch viele Vorhänge aufziehen müsste - und zugleich ein Epos der Loyalität zu liefern, wo doch vor allem dem eigenen Vater und dem Großonkel Haile Selassie gegenüber, beide Repräsentanten der absolutistischen Monarchie, jedenfalls post festum eine kritische, wenn nicht gar abwehrende Distanz zu wahren wäre. Gerade die Selbstverständlichkeit aber, mit der Asserate diskret und loyal ist, macht sein neues Buch so offen, so klar und damit, man soll das hehre Attribut nicht vermeiden, auch so wahrhaftig. Woher rührt diese paradox erscheinende, tatsächlich aber ganz eindeutige Qualität?

Sehr entschieden daher, dass beide, Loyalität wie Diskretion, eine andere Haltung von vornherein und nachgerade kategorisch ausschließen: jedwedes Rechtfertigen. Dieser Autor kann ganz am Ende des Buchs gestehen, das "große Glück" seines Lebens sei es gewesen, "dass ich der Sohn meines Vaters sein durfte" - angesichts des bis dahin Geschilderten stellt sich für den Leser erst gar nicht die Frage, ob man dem Satz glauben oder ihn für eine Verklärung halten solle, denn es ist schlicht so. Das Porträt des Vaters als eines zugleich antikaiserlichen Reformers und absolut treuen Kaiserneffen, das sich, unterbrochen von der Schilderung der eigenen Existenzgänge des Autors, nach 380 Seiten hergestellt hat, erlaubt gar keine andere Deutung.

Dass dieser Vater dabei weder zum tragischen Helden erhöht noch zum privilegierten Nutznießer erniedrigt wird, liegt natürlich am Erzählvermögen des Autors, nicht zum minderen aber am Stoff, der erzählt sein will: Asserate Kassa, der in der Nacht vom 23. auf den 24. November 1974 mit neunundfünfzig anderen Angehörigen der äthiopischen Führungsschicht von den Revolutionären des Mengistu Haile Mariam an die Wand gestellt und erschossen wurde, hatte vorab die freie Wahl, in London zu bleiben und dort im Exil zu leben. Er hat, aus Loyalität zu Kaiser und Heimat, sehr bewusst darauf verzichtet. Mengistu übrigens, dessen rotes Schreckensregime siebzehn Jahre währte, lebt seit 1991 unter dem Schutz von Robert Mugabe in Zimbabwe.

1968, nach dem Abitur an der Deutschen Schule, wo er neben Latein und Goethes Gedichten auch "Plätzchenbacken" und "Schuhplattler zu bayerischer Blasmusik" lernte, kam der äthiopische Prinz Asfa-Wossen Asserate zum Studium nach Tübingen. Das Kapitel, das er dieser Zeit widmet, ist ein Glanzstück der ungewöhnlichen Autobiographie. Und es ist zunächst ein folkloristisches Deutschland, das da zum Vorschein kommt. Lustvoll lässt der Autor die schwäbischen "Besenwirtschaften" und das Ritual der "Kehrwoche" Revue passieren, "Maultaschen und Kartoffelsalat" dürfen als Lieblingsspeisen auftreten, das Verbindungshaus der "Corps Suevia", einer weiland noch schlagenden Verbindung, der sich Asserate anschloss, erhält idyllische Reminiszenz.

Kaum aber will man ihn ob seines Postkartenpanoramas des Anachronismus und der Verniedlichung zeihen, schildert er, präzis und beeindruckend, sogleich einen Auftritt von Gudrun Ensslin im Audimax der Universität, beschreibt seinen Kulturschock, als ihn eine junge Frau (discretion assurée: ihr Name wird nicht genannt) so flugs wie robust verführen will, um dann von den Gesprächen mit dem großen Politologen Theodor Eschenburg zu berichten, die sich unter dem Motto "Was-wäre-gewesen-wenn?" immer wieder um "die verpassten Möglichkeiten" der deutschen wie der äthiopischen Geschichte drehten.

Auf Kosten erlebter Wirklichkeit geht das nicht, im Gegenteil. Wenn das Buch von der großen, grausam endenden Liebe zu Tessy handelt, der Tochter des in Äthiopiens Revolution ebenfalls ermordeten Bürgermeisters von Asmara, wird es zum epischen Epitaph. Wenn es Asserates mehr als anderthalb Jahrzehnte währende Versuche referiert, die in Addis Abeba gefangenen Familienmitglieder, Mutter, Geschwister und nahe Verwandte, von Deutschland und England aus freizubekommen, also auch freizukaufen, wird es zugleich zu einer bewegenden Hommage an jene Menschen, die ihm dabei halfen. Neben den verpassten aber räsoniert der sich erinnernde Asserate auch über künftige Möglichkeiten für sein nach wie vor geschundenes und darbendes Land, Äthiopien mithin. Er tut dies ohne Illusion: Der Romantiker des Deutschen ist als Weltbürger ganz und gar Realist.

JOCHEN HIEBER

Asfa-Wossen Asserate: "Ein Prinz aus dem Hause David und warum er in Deutschland blieb". Erinnerungen. Scherz Verlag, Frankfurt am Main 2007. 384 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Jochen Hieber verneigt sich tief vor dem Autor und seinem Buch. Asfa-Wossen Asserate begegnet ihm in seinen Memoiren nicht nur als begabter Chronist und Erzähler, sondern auch als sicherer Stilist. Einen "Romantiker des Deutschen" nennt Hieber ihn und schreibt ihm seltene Tugenden, wie Diskretion, Loyalität und Wahrhaftigkeit zu. Ihrer bedient sich der Autor laut Hieber beim Porträt des Vaters ebenso, wie bei der Darstellung seiner zweiten Heimat, eines "folkloristischen Deutschlands", durchsetzt mit Kulturschocks (Maultaschen!). Realistisch erscheint Hieber auch der Blick des Prinzen auf Äthiopien und seine Zukunft.

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