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Die Debatte über die »Leitkultur« ist in vollem Gange. Was bedeutet dieser Begriff? Befördert oder behindert er die angestrebte offene Auseinandersetzung? Kann er helfen, in einer modernen Gesellschaft Orientierung zu finden? Prominente Autoren aus Politik, Kultur und Wirtschaft beleben die Debatte.Vor wenigen Jahren galt allein der Begriff als anstößig, jetzt steht er für eine grundsätzliche Diskussion über die Grundlagen unseres Landes. Was versteht man unter »Leitkultur«? Wie verhält sie sich zu Recht, zu Politik, Bildung und Wissenschaft? Ist es ein tauglicher Begriff? Kann »Leitkultur«…mehr

Produktbeschreibung
Die Debatte über die »Leitkultur« ist in vollem Gange. Was bedeutet dieser Begriff? Befördert oder behindert er die angestrebte offene Auseinandersetzung? Kann er helfen, in einer modernen Gesellschaft Orientierung zu finden? Prominente Autoren aus Politik, Kultur und Wirtschaft beleben die Debatte.Vor wenigen Jahren galt allein der Begriff als anstößig, jetzt steht er für eine grundsätzliche Diskussion über die Grundlagen unseres Landes. Was versteht man unter »Leitkultur«? Wie verhält sie sich zu Recht, zu Politik, Bildung und Wissenschaft? Ist es ein tauglicher Begriff? Kann »Leitkultur« spezifisch »deutsch« sein oder steht sie für einen europäischen Weg? Bundestagspräsident Norbert Lammert hat die Debatte neu belebt. Vierzig prominente Autoren aus Politik, Kultur und Wirtschaft sind seiner Einladung gefolgt - und bieten teilweise überraschende Antworten auf diese Fragen.Dies ist ein HOFFMANN UND CAMPE Corporate Publishing Buch im Vertrieb des HOFFMANN UND CAMPE Verlags.
Autorenporträt
Lammert, NorbertNorbert Lammert, geboren 1948 n Bochum, verheiratet, vier Kinder. Altsprachlich-humanistisches Gymnasium, nach Wehrdienst Studium der Politikwissenschaft, Soziologie, Neueren Geschichte und Sozialökonomie in Bochum und Oxford; Promotion in Sozialwissen-schaften 1975. CDU-Mitglied des Bundestages seit 1980. Von 1989 bis 1998 Parlamen-tarischer Staatssekretär in den Bundesministerien für Bildung und Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr. Von 1998 bis 2002 kultur- und medienpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.10.2006

Tödlicher Kampfbegriff
Norbert Lammert fragt nach der „deutschen Leitkultur”
Es gibt Begriffe, die machen eine Debatte schon tot, bevor sie begonnen hat. Beinahe wäre Familienministerin Ursula von der Leyen mit ihrem Elterngeld zum Beispiel ein Opfer des Begriffs „Wickelvolontariat” geworden, ein Wort aus dem Schandmaul von CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer, der damit die sogenannten Vätermonate verunglimpfen wollte.
Manchmal wählen die Urheber einer Debatte den tödlichen Begriff aber gleich selbst. So verhält es sich mit der Auseinandersetzung um die deutsche Leitkultur. Dieser Diskurs, den nach dem Begriff-Erfinder Bassam Tibi zuerst
der frühere Unions-Fraktionschef Friedrich Merz und dann Bundestagspräsident Norbert Lammert zu Beginn seiner Amtszeit wieder aufleben lassen wollten, trägt den Keim des Todes schon in
sich, seit dieses Etikett erfunden wurde. Wenn Lammert das nicht glauben will, so ist sein Projekt „Verfassung Patriotismus Leitkultur” der Buch gewordene
Beleg.
Lammert, der kurz nach Amtsantritt in den Fettnapf trat, um eine eigentlich in der Tat nicht unnütze Debatte um das Wesen und die zentralen Werte dieses Gemeinwesens wiederzubeleben, hat 42 prominente Deutsche aus den verschiedenstenpolitischen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Kreisen gebeten, kurze Essays zum Thema Leitkultur zu schreiben. Vier Fragen sollten dieAutoren dabei angehen. Wobei die erste gleich die entscheidende ist: Ob der Begriff selbst „einer ernsthaften, unvoreingenommenen und breiten öffentlichen Auseinandersetzung” in irgendeiner Weise im Wege stehe.
Die Antwort lautet zusammengefasst: Ja. Gleich der erste repräsentative Deutsche, der Schauspieler Mario Adorf, schreibt, Leitkultur habe für unsere Nachbarn „einen fatalen Beigeschmack”, weil in ihm ein „Deutschland über alles” mitschwinge. Wo Leitkultur ist, da isteben auch Nebenkultur oder Sekundärkultur, unwichtigere Kultur, mindere Kultur. Und in Herren-Kultur hat sich Deutschland schon einmal unrühmlich hervorgetan.
Auch die Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin Seyran Ates¸, dem Begriff im Unterschied zu Adorf prinzipiell nicht abgeneigt, zweifelt an der Brillanz des Wortes und schlägt vor, möglichst bald ein neues dafür zu finden, ohne allerdings mit einem Vorschlag aufzuwarten.
Vielen Beiträgen von Adorf bis Westerwelle und von Großdenkern wieWolf Lepenies, Jürgen Flimm oder Julian Nida-Rümelin merkt man an, dass sie die Grußwortabteilung des Büros aus dem Formulierungsbaukasten des Computers zusammengebaut hat. In vielen Fällen, das darf als sicher gelten, schrieb nicht der Abgebildete selbst. Oder aber, wieim Fall von Lepenies: Der um Rat Gebetene nahm ein Kapitel aus einem seiner Werke und schickte es ein.
Dennoch verbindet sich mit dem jeweiligen Autor logischerweise das Abgedruckte, und deshalb ist es ein besonderes Augenmerk wert, was etwa die
Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrem Namen ausrichten lässt. Sie fragt, ob es „nur um recht allgemein gehaltene Mindeststandards menschlichen Zusammenlebens” geht oder „um einen
umfangreichen Pflichten- und Verhaltenskanon, gar eine Pflichtkultur”. Weiterhin stellt sie die Frage, ob Zusammenhalt und Identität in Deutschland in Zukunft vor allem „über kulturelle Kriterien definiert” werden müssen. Und: „In welchem Selbstverständnis, als deutschem oder gemeinsam mit allen anderen Europäern, fühlen wir uns mehr herausgefordert?”
Diese Gegenfragen machen deutlich, dass sich bei Merkel erfreulicherweise nichts Tümelndes hinter dem Gedanken von der Leitkultur verbirgt. Im Prinzip entwindet sie ihn wieder jenen, die ihn zum deutsch-nationalen Kampfbegriff stilisieren wollen. Ihre Vorstellung davon ragt teilweise hinein in das, was manpolitisch andernorts Multi-Kulti nennen würde. Sie ist geprägt von Respekt, Toleranz und Offenheit und vor allem: einem europäischen Geist. „Wenn die Leitkulturdebatte in diesem umfassenden Sinne als eine Debatte um nationale und europäische Identität, Wertegebundenheit und Zusammenhalt, Weltoffenheit und Erneuerung verstanden wird, wird sie auch Früchte tragen”, schließt die Kanzlerin.
Fazit: Eine wichtige Debatte, wenn nur das Wort nicht wäre. Und ein interessantes Buch, dem dennoch das Schicksal droht, nach aufmerksamem Durchblättern auf immer in den Schrank gestellt zu werden und Teil einer intelligent
aussehenden Staffage des Büro-Insassen zu werden.
CHRISTOPH SCHWENNICKE
NORBERT LAMMERT: Verfassung Patriotismus Leitkultur. Was unsere Gesellschaft zusammenhält. Hoffmann und Campe, Hamburg 2006. 300 Seiten, 12,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Rezensent Matthias Arning hat die Texte, die Norbert Lammert, Präsident des Deutschen Bundestages, in diesem Band versammelt hat, durchaus mit Interesse gelesen. 42 Prominente hat er um ihre Positionen zur Debatte um Integration und Leitkultur gebeten, darunter Kritiker des Begriffs wie Seyran Ates, Ekin Deligöz und Fritz Kuhn oder Befürworter wie Volker Kauder und Angela Merkel, die darüber hinaus auch den Verfassungspatriotismus verabschieden wollen. Im Ergebnis, stellt Arning dann allerdings fest, bringe der Band die Debatte nicht voran, sondern stelle sie zurück auf Null. Zuletzt zitiert der Rezensent die seiner Ansicht nach gewichtigsten Stimmen des Bandes, Kardinal Karl Lehmann und Jutta Limbach, bei denen das aktuelle Modeadjektiv "deutsch" blanken Schrecken auslöse. Und den Begriff "Leitkultur", stimmt der Rezensent der früheren Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts zu, sollte man beim nächsten Debattenversuch einfach aus dem Spiel lassen.

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