Was träumten die Menschen vor zwei Jahrtausenden? Die sorgfältig kommentierte Zusammenstellung vermittelt von Homer bis Hieronymus eine lebhafte Vorstellung und eröffnet einen spannenden Zugang zu den Funktionen und Deutungen des Traumes im Altertum: Träume begegnen als raffiniertes poetisches Mittel, sie werden als Propagandawerkzeug eingesetzt, als Offenbarung interpretiert u. v. a.Sprachen: Deutsch, Latein
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.01.2007Magendruck
Und andere Schlafprobleme: Die Traumweisheit der Antike
Das Kaleidoskop der Antike kann man schütteln, so oft man will, es ergeben sich immer wieder neue farbenprächtige Muster. Im anzuzeigenden Fall ist es besonders bunt, geradezu traumhaft schön ausgefallen. „Träume in der Antike” – der Titel des mit dem Orange seines Einbands seine Zweisprachigkeit verratenden Reclambändchens verspricht eine Reise durch die Seelenlandschaft der Griechen und Römer. Marion Giebel, die unermüdliche Vermittlerin antiker literarischer Schätze an eine Welt, die ihrer dringend bedarf und neuerdings auch wieder in zunehmendem Maß nach ihnen verlangt, hat auf knappem Raum alle wichtigen einschlägigen Texte zusammengestellt und hervorragend kommentiert.
Natürlich beginnt die Revue mit dem Bild von den zwei Pforten, aus denen einerseits die wahren, andererseits die täuschenden Träume kommen. Die von einer Gottheit oder ihrem Dichter Homer erleuchtete Penelope gebraucht dieses Bild, um den noch als Bettler verkleideten, also unerkannten Odysseus von der Bedeutungslosigkeit des Traums, der ihr in allegorischer Form die Heimkehr des Gatten verhieß, zu überzeugen. Sie hat sich (in der Fall erfreulicherweise) in der Pforte geirrt, wie Jokaste sich irrt, wenn sie inzestuöse Befürchtungen ihres Sohnes Ödipus dadurch in den Wind schlagen zu können glaubt, dass sie auf die Bedeutungslosigkeit entsprechender Träume verweist.
Träume sind Schäume: Das ist die aufklärerische Linie des antiken Umgangs mit dem Phänomen. Die Schäume werden etwa dem übervollen Magen zugeschrieben oder als Reste besonders starker Tageseindrücke erklärt. Die Vertreter der anderen Linie, die sich ebenfalls durch die ganze Antike zieht, nehmen die Träume ernst; sie verstehen sie als Vorzeichen, als Weisung oder Warnung. Auch Caesar hatte ödipale Anwandlungen; er träumte, er habe seine Mutter vergewaltigt. Als „Mutter” stellte sich die Erde Afrikas heraus, die der Eroberer bald darauf in Besitz nahm. Das – auslegungsbedürftige – Orakel konnte nur von einer Gottheit stammen; die Weissagung kam also von oben. Umgekehrt wurde aber auch schon früh die Seele als Ursprungsort der prophetischen oder per Tempelschlaf praktizierten heilenden Träume angenommen. Dem antiken Traumwissen fehlte der Begriff des Unbewussten, sonst hätte es einen griechischen oder römischen Freud gegeben. Marion Giebels Textsammlung jedenfalls hätte auch vor einem Jahrhundert den Moses der Traumanalyse entzückt. ALBERT VON SCHIRNDING
MARION GIEBEL (Hrsg.): Träume in der Antike. Zweisprachige Ausgabe. Philipp Reclam jun., Stuttgart 2006. 255 Seiten, 6 Euro.
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Und andere Schlafprobleme: Die Traumweisheit der Antike
Das Kaleidoskop der Antike kann man schütteln, so oft man will, es ergeben sich immer wieder neue farbenprächtige Muster. Im anzuzeigenden Fall ist es besonders bunt, geradezu traumhaft schön ausgefallen. „Träume in der Antike” – der Titel des mit dem Orange seines Einbands seine Zweisprachigkeit verratenden Reclambändchens verspricht eine Reise durch die Seelenlandschaft der Griechen und Römer. Marion Giebel, die unermüdliche Vermittlerin antiker literarischer Schätze an eine Welt, die ihrer dringend bedarf und neuerdings auch wieder in zunehmendem Maß nach ihnen verlangt, hat auf knappem Raum alle wichtigen einschlägigen Texte zusammengestellt und hervorragend kommentiert.
Natürlich beginnt die Revue mit dem Bild von den zwei Pforten, aus denen einerseits die wahren, andererseits die täuschenden Träume kommen. Die von einer Gottheit oder ihrem Dichter Homer erleuchtete Penelope gebraucht dieses Bild, um den noch als Bettler verkleideten, also unerkannten Odysseus von der Bedeutungslosigkeit des Traums, der ihr in allegorischer Form die Heimkehr des Gatten verhieß, zu überzeugen. Sie hat sich (in der Fall erfreulicherweise) in der Pforte geirrt, wie Jokaste sich irrt, wenn sie inzestuöse Befürchtungen ihres Sohnes Ödipus dadurch in den Wind schlagen zu können glaubt, dass sie auf die Bedeutungslosigkeit entsprechender Träume verweist.
Träume sind Schäume: Das ist die aufklärerische Linie des antiken Umgangs mit dem Phänomen. Die Schäume werden etwa dem übervollen Magen zugeschrieben oder als Reste besonders starker Tageseindrücke erklärt. Die Vertreter der anderen Linie, die sich ebenfalls durch die ganze Antike zieht, nehmen die Träume ernst; sie verstehen sie als Vorzeichen, als Weisung oder Warnung. Auch Caesar hatte ödipale Anwandlungen; er träumte, er habe seine Mutter vergewaltigt. Als „Mutter” stellte sich die Erde Afrikas heraus, die der Eroberer bald darauf in Besitz nahm. Das – auslegungsbedürftige – Orakel konnte nur von einer Gottheit stammen; die Weissagung kam also von oben. Umgekehrt wurde aber auch schon früh die Seele als Ursprungsort der prophetischen oder per Tempelschlaf praktizierten heilenden Träume angenommen. Dem antiken Traumwissen fehlte der Begriff des Unbewussten, sonst hätte es einen griechischen oder römischen Freud gegeben. Marion Giebels Textsammlung jedenfalls hätte auch vor einem Jahrhundert den Moses der Traumanalyse entzückt. ALBERT VON SCHIRNDING
MARION GIEBEL (Hrsg.): Träume in der Antike. Zweisprachige Ausgabe. Philipp Reclam jun., Stuttgart 2006. 255 Seiten, 6 Euro.
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"Träume in der Antike" (...) verspricht eine Reise durch die Seelenlandschaft der Griechen und Römer. Marion Giebel, die unermüdliche Vermittlerin antiker literarischer Schätze an eine Welt, die ihrer dringend bedarf und neuerdings auch wieder in zunehmendem Maß nach ihnen verlangt, hat auf knappem Raum alle wichtigen einschlägigen Texte zusammengestellt und hervorragend kommentiert. (...) Dem antiken Traumwissen fehlte der Begriff des Unbewussten, sonst hätte es einen griechischen oder römischen Freud gegeben. Marion Giebels Textsammlung jedenfalls hätte auch vor einem Jahrhundert den Moses der Traumanalyse entzückt. -- Süddeutsche Zeitung
Ob Träume nützlich sind oder nicht, ist seit der Antike strittig. Sicher ist jedoch, dass dieses Buch interessierte Leser finden dürfte. -- Radio Bremen
Ob Träume nützlich sind oder nicht, ist seit der Antike strittig. Sicher ist jedoch, dass dieses Buch interessierte Leser finden dürfte. -- Radio Bremen
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rundum glücklich ist Albert von Schirnding mit diesem Reclambändchen über "Träume in der Antike", das Marion Giebel herausgegeben hat. Er findet in der jeweils zweisprachigen Textsammlung alle wichtigen antiken Texte zum Thema Traum. Giebels Kommentierung der Texte würdigt er als ausgezeichnet. Deutlich werden für ihn zwei Traditionslinien im Umgang mit den Träumen: Während die aufklärerische Linie das Phänomen als Folge eines übervollen Magen oder als Reste besonders starker Tageseindrücke erklärte, deutete die andere Traditionslinie sie als Vorzeichen, Weisung oder Warnung. Einen Begriff des Unbewussten kannte das antike Traumwissen allerdings nicht, wie Schirnding berichtet. Dennoch hält er fest: Freud wäre von dieser Textsammlung entzückt gewesen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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