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Benutzername: 
heinoko
Wohnort: 
Bad Krozingen

Bewertungen

Insgesamt 588 Bewertungen
Bewertung vom 28.08.2024
Die Gräfin
Nelles, Irma

Die Gräfin


ausgezeichnet

Ein kleines Buch mit großer erzählerischer Kraft

Das dünne Büchlein hat ein wunderschönes, ruhiges, den Blick in die Weite lenkendes Cover – allein dieses Äußere sagt sehr viel über den Inhalt aus. Ich habe ein wenig gebraucht, bis ich mich eingefunden habe in die Art des Erzählens. Die Autorin, die erst im höheren Alter diesen Roman schrieb, hat eine besondere Fähigkeit, sehr viel zwischen den Zeilen zu vermitteln. Aber es braucht innere Ruhe, um ihr zu folgen und den Reichtum im Ungesagten zu entdecken.
Es werden 6 Tage geschildert, kein Vorher, kein Nachher, nur 6 Tage im Leben der historisch verbrieften und von Geheimnissen und Mythen umgebenen Hallig-Gräfin Diana von Reventlow-Criminil. Wir haben das Jahr 1944. Die Angst vor den Nazis und gleichzeitig der beharrliche Stolz der Insulaner weht durch die Seiten. Es sind heiße Tage, die Hitze liegt auf dem Meer wie eine schwere Last. Ein englischer Pilot, ein Feind, stürzt mit seinem kleinen Flugzeug ins Watt. Der Hund der Gräfin wittert lange vor den Menschen dieses ungewöhnliche Ereignis. Die Gräfin und Maschmann, ihr getreuer Helfer, ziehen den bewusstlosen Piloten aus seiner Kanzel und bringen ihn auf die Warft. Meta, die seit vielen Jahren das zurückgezogene Leben der Gräfin teilt, pflegt mit Hingabe den Fremden. Diese kleine Gemeinschaft an Menschen erfährt durch die Anwesenheit des Fremden auf sehr individuelle Weise innere Unruhe…
Es passiert nicht allzu viel auf diesen 170 Seiten. Nicht viel, wenn man auf dramatische Ereignisse wartet. Und doch packte mich beim Lesen eine innere Spannung, denn im Grunde geschieht enorm viel, wenn man sich Zeit dafür nimmt zu erspüren, was die Autorin so geschickt zwischen den Zeilen versteckt. Das Kammerspiel am Meer in einer dunklen historischen Zeit zeichnet Menschen mit unaufgeregtem Mut. Es wird nichts totgeplappert, sondern nur das Nötigste geredet. Die Kostbarkeit der Wörter zeigt sich in der leidenschaftlich klassische Texte zitierenden Gräfin. Und es wird fein beobachtet. Und so findet man im Buch wunderbare Landschaftsschilderungen, Stimmungen am Meer und feinfühlig skizzierte Szenen. Der manchmal etwas spröde Sprachstil in seinem besonderen Charme passt genau zu den Menschen, ebenso die eingestreuten plattdeutschen Einwürfe, die spätestens beim laut Vorlesen gut verständlich werden.
Dieses kleine große Buch hat eine immense Kraft, weil es nach der Lektüre, gerade weil der Text irgendwie unvollständig wirkt, noch lange nachtönt und man geneigt ist, über die 6 Tage hinaus die Geschichte in der Fantasie weiter zu träumen.

Bewertung vom 14.08.2024
Sobald wir angekommen sind
Lewinsky, Micha

Sobald wir angekommen sind


sehr gut

Gute Schreibe, nerviger Romanheld

Wenn ich einen neuen Titel meines Lieblingsverlages in Händen halte, bin ich grundsätzlich positiv-neugierig gestimmt. So erging es mir auch bei dem vorliegenden Titel, dessen Coverbild mich ganz besonders intensiv ansprach. Und doch weiß ich nach Lektüre nicht wirklich, wie ich dieses Buch beurteilen soll. Denn es hat mich mehr genervt als beglückt. Doch dazu später mehr.
Der Protagonist, der Schriftsteller Ben Oppenheimer, hat ein ungewöhnliches Arrangement getroffen mit seiner Ex-Frau, seinen zwei Kindern und seiner aktuellen Liebe Julia. Er lebt halb mit der früheren Familie, halb mit der neuen, um allen oder vielleicht auch sich selbst gerecht zu werden. Eine Schreibblockade lässt ihm viel Zeit für seine Rückenschmerzen und für seine Angst vor einem Krieg in Osteuropa. Aus jüdischem Fluchtinstinkt heraus entscheidet er sich plötzlich, nach Brasilien auszuwandern, zusammen mit seiner Ex-Frau und den Kindern, aber ohne Julia. Als der Atomkrieg auf sich warten lässt, beginnt Ben endlich zu begreifen, dass er nicht die Umstände ändern kann, sondern dass er sich selbst ändern muss.
Dass der Autor Drehbuchschreiber ist, hilft dem Roman und seiner Lesbarkeit sehr. Denn die kurzen Szenen sind kurzweilig geschrieben, oftmals mit einer Prise Humor gewürzt. Es wird nie langweilig, man mag immer weiter lesen und hat das Gefühl, in eine Art „Entwicklungsroman“ verlockt zu werden. Und doch habe ich noch nie mit einem Protagonisten so sehr gehadert, noch nie war mir eine Hauptperson, die Dreh- und Angelpunkt allen Geschehens und Denkens ist, dermaßen unsympathisch wie dieser Ben Oppenheimer. Sein rückgratloser Egoismus, seine ewige Zauderei und Unentschlossenheit, die aber auch plötzlich umschlagen kann in seltsam unüberlegten Aktionismus, seine Hypochondrie, sein Nichtwissen, was er eigentlich wirklich will – all das hat mich genervt, hat mich aufgeregt, hat mich immer wieder den Kopf schütteln lassen. Vielleicht wollte er Autor mit seiner mitunter eingestreuten Ironie dem Leser Distanz zu Ben Oppenheimer gewähren. Bei mir jedoch rief diese Romanfigur nur Ärger hervor. Denn Davonlaufen vor den eigenen und den gesellschaftlichen oder gar weltpolitischen Problemen findet nicht mein Verständnis, sondern Zorn und Enttäuschung. Warum soll ich darüber lesen, auch wenn es gekonnt geschrieben ist? Die Quintessenz des Romans, über die ich mich hier nicht äußern will, um nicht zu spoilern, mag für Menschen mit psychischer Struktur ähnlich wie Ben erkenntnisreich sein. Mir persönlich war das Selbstverständliche zu wenig Inhalt.
Fazit: Gute Schreibe, unterhaltsam, ironisch, aber ein Romanheld, der mir nur auf die Nerven ging.

Bewertung vom 06.08.2024
Das Dickicht
Kuhl, Nikolas;Sandrock, Stefan

Das Dickicht


ausgezeichnet

Perfekte Krimi-Unterhaltung

Angesprungen hat mich dieser Titel, weil ich auf der Innenseite des Covers las, dass einer der Ermittler gebürtiger Finne ist. Das machte ich neugierig, weil ich eine gute Bekannte habe, die aus Finnland stammt. Und neugierig machte mich auch das Autorenpaar, das „auf keinen Fall“ einen Krimi schreiben wollte. PR vom Feinsten und genau mein Humor. Und in der Tat hat mich dieser Kriminalroman bestens unterhalten. Meine Erwartungen wurden allesamt mehr als erfüllt.
Worum geht es: Im Buch lernt man ein sehr besonderes Ermittler-Duo kennen, denen das Autoren-Duo genau im richtigen Maß Farbe und Persönlichkeit verliehen hat, nicht zu viel und nicht zu wenig. Es passiert mir selten, dass ich echte Sympathie für die jeweiligen Ermittler hege. Doch in diesem Roman habe ich mein Herz sofort verloren an Juha Korhonen, einen jungen, engagierten ehemaligen Fernspäher aus Finnland. An seinen gelegentlichen finnischsprachlichen Einwürfe hatte ich besonderen Spaß. Interessant fand ich auch seinen dunkelhäutigen Kollegen Lukas alias Lux Adisa, dem es erstaunlich gut gelingt, mit seiner bipolaren Störung zurecht zu kommen. Die beiden, nun zusammen tätig im LKA Hamburg, sollen sich um einen aktuellen Entführungsfall kümmern. Juha fallen seltsame Parallelen auf zu einem viele Jahre zurückliegenden Cold Case, einem Verbrechen, das Juha bis heute nicht loslässt. Der Junge Daniel wurde in einer Kiste im Wald vergraben und konnte schließlich nur noch tot geborgen werden. Der Täter hatte Suizid begangen. Und tatsächlich, je mehr die beiden Ermittler in der Vergangenheit graben und Unstimmigkeiten entdecken in der damaligen Tragödie, umso mehr wandeln sich auch in der Gegenwart die Vorzeichen von Gut und Böse…
Der Kriminalroman ist gekonnt geschrieben. Zwar war für mich anfangs ein wenig gewöhnungsbedürftig der sprachliche Wechsel zwischen Präsens und Imperfekt. Doch gerade die Perspektivwechsel machen die Spannung aus. Das Tempo des Romans wird nicht nur durch die geschilderte Handlung zunehmend höher. Die Szenen wechseln auch mehr und mehr zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Und je näher sich die beiden Ermittler persönlich kommen, desto rasanter entwickeln sich auch die Entdeckungen – die von früher und die gegenwärtigen. Nicht zu vergessen der rasante Twist am Ende.
Kurzum: Gekonnt konstruiert, mit durchgehendem Spannungsbogen, menschlich sympathisch, psychologisch nachvollziehbar, sprachlich lebendig, mit leisem Humor – für mich die perfekte Krimi-Unterhaltung!

Bewertung vom 15.07.2024
Hast du Zeit?
Winkelmann, Andreas

Hast du Zeit?


ausgezeichnet

Meisterhaft erzählt mit einem nachdenkenswerten Thema

Diese Frage wird uns allen oftmals gestellt: Hast du Zeit? „Na klar“, sagt man oder „morgen vielleicht“ oder „nee, ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht“ usw. Zeit als Thema für einen außerordentlich spannenden Thriller zu wählen, hat durchaus auch etwas Philosophisches, Vieldeutiges. Auf jeden Fall ist es reizvoll, darüber nachzudenken, was oder wer uns Zeit stiehlt. Können wir uns dagegen wehren? Oder verrinnt sie ganz einfach, egal was wir tun? Können wir Zeit überhaupt „besitzen“? Andreas Winkelmann, für mich einer der aufregendsten Thriller-Autoren, hat einen Protagonisten in Szene gesetzt, der alles daran setzt, genau an den Menschen, die ihm Zeit gestohlen haben, Rache zu üben auf schlimmste Weise. Diese Hauptperson hat sich selbst eine unermesslich große Aufgabe gestellt, denn es finden sich immer neue Zeitdiebe, deren Bestrafung unvermeidbar ist. Doch welch frühe Erlebnisse machen einen durchschnittlichen Menschen zum Serienmörder mit einem überdimensional großen Sendungsbewusstsein, diesen Zeitdieben dieser Welt eine tödliche Lehre zu erteilen?
Vor mehreren Jahren wartet Maren Liefers, eine Bestatterin, auf Kundschaft. Denn ihr Geschäft geht nur schleppend. Bis sie unerwarteten Besuch erhält… Jahre später fühlt sich die Krankenschwester Conny Goldmann angstvoll verfolgt. Der Vater ihrer besten Freundin Lars Erik Grotheer, ehemaliger Polizist, will ihr helfen. Doch Conny ist völlig überraschend tot. Kurze Zeit später wird die Schornsteinfegerin Felicitas Möller entführt und verschwindet spurlos. Deren Partnerin, die Fotografin Lilly Costanzo, versucht gemeinsam mit Grotheer, der seltsamen Serie von Todesfällen und der verschwundenen Felicitas Möller, auf die Spur zu kommen. Denn sie entdecken eine ganze Reihe unaufgeklärter Todesfälle, die nichts, aber auch gar nichts, miteinander zu tun haben.
Als Leser ist man von der ersten Seite an, wie gewohnt bei Winkelmann, gefesselt von der Geschichte, die aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt wird. Besonders faszinierend sind dabei die Sequenzen, in denen man den kruden Gedanken des Täters folgen kann und die im Verlaufe des Buches zunehmend die Persönlichkeit des Täters in seiner Tiefe aufdecken. Lange bleibt dennoch vorherrschend das Gefühl der Verwirrung, weil man trotz vielfältiger Ermittlungsschritte und aufmerksamster Lektüre den roten Faden nicht entdecken kann, der zum Täter führen könnte. Statt dessen gerät man beim Lesen immer wieder in komische Verständnisprobleme, weil der Hund namens Jemand zwar herrlich geschildert wird, aber durch seinen Namen die Lektüre seltsam komisch wird.
Fazit: Ein meisterhaft erzählter, nervenaufreibender Thriller mit einer Prise Humor, der zum Nachdenken über die Zeit animiert.

Bewertung vom 02.07.2024
Zimmerpflanzenliebe
Hartwich, Antonia

Zimmerpflanzenliebe


ausgezeichnet

Sehr schöne Anregung, um neue Pflanzenfreundschaften zu schließen

Wenn eine Influencerin ein Sachbuch herausgibt, bin ich erst einmal misstrauisch. So auch in diesem Fall. Allerdings gibt bereits der Buchtitel keine falschen Versprechungen. Es geht um PflanzenLIEBE, nicht um ein Kompendium zum Nachschlagen. Und wenn man das Buch so versteht, als persönliches Statement für das „artgerechte“ Halten von Pflanzen, die individuelle Zuwendung benötigen, dann wird man durch die Lektüre rundum belohnt.
In erster Linie wirken auf mich die ausgesucht ästhetischen Fotos anregend, Lust machend auf Pflanzenmitbewohner. Schon das Titelbild ist absolut gelungen, ohne Selbstbeweihräucherung der Autorin, sondern ein von Pflanze und Mensch verbundenes Miteinander. Diese Art von Freundschaft zwischen Mensch und Pflanze zieht sich durch das gesamte Buch, ergänzt von aussagekräftigen Fotos von einzelnen, teilweise bislang mir völlig unbekannten Pflanzen. Schöner kann man es doch gar nicht sagen: „Pflanzen sind wie Freunde. … man kennt ihre Macken, weiß mit diesen umzugehen…“ Ja, und genau diese individuellen Macken werden im Buch nicht ausgespart.
Das Buch beginnt mit Grundsätzlichem. Und tatsächlich erfuhr ich hier durchaus Neues, obwohl ich mich schon viele, viele Jahre mit Pflanzen umgebe. Es lohnt sich also, diese Basics aufmerksam durchzulesen. Das nächste Kapitel befasst sich ausschließlich mit Blattpflanzen. Viele mir bislang unbekannte Arten lernte ich hier kennen. Außerordentlich hilfreich sind die jeweiligen Angaben, wo die Pflanze leben möchte und was sie zum Gedeihen braucht. So kann man schon allein beim oberflächlichen Blättern und Lesen einige neue Idealpflanzen für das eigene Reich finden. So manche Pflanze hatte ich bereits im Garten-Center gesehen, hätte mich aber nicht getraut, sie mitzunehmen. Was für interessante Namen: Mondsamenpflanze, Ufopflanze, Geigenfeige, Flamingoblume… man könnte direkt poetische Zeilen um diese fantasievollen Namen herumranken. Auf die kleine Rubrik der fleischfressenden Pflanzen hätte ich verzichten können. Schön aber geht es weiter mit den Kakteen und Sukkulenten. Wer hat schon je von der Spuckpalme gehört? Unbekannte und blühende Pflanzen bilden das Buchende.
Fazit: Ein sehr gelungenes Buch, das Lust macht, sich angeregt durch zusätzliches Wissen neue Mitbewohner zu suchen. Doch diese Anmerkung sei erlaubt: Grausig ist die Bewerbung des Buches, das sich in Anglizismen wie „Must-Haves“ oder „Careguide“ usw. ergeht, statt in ganz normalem Deutsch auszudrücken, worum es geht.

Bewertung vom 08.06.2024
Das falsche Blut / Ishikli Caner Bd.2
Gravenbach, Philipp

Das falsche Blut / Ishikli Caner Bd.2


sehr gut

Ein actionreicher Thriller in emotionsarmem Schreibstil

Der vorliegende Thriller wird allgemein wegen seines Spannungspotenzials hochgelobt. Ich hatte allerdings beim Lesen sehr gemischte Gefühle. Vielleicht lag es daran, dass ich den ersten Band nicht kenne. Ich hatte jedenfalls große Mühe, mich unter den handelnden Personen zurecht zu finden. Die Namen waren mir nicht eingängig und dadurch schlecht zu merken, auch fehlten mir detailliertere Personenbeschreibungen, die mir geholfen hätten, ein inneres Bild der Protagonisten zu entwickeln. Mir erging es beim Lesen dieses Thrillers ähnlich wie beim Anschauen komplexer Geheimdienstfilme: Unterhaltsam, eine Fülle spannender (filmreifer) Szenen, aber ein Mitdenken, ein Vermuten, ein Mitforschen, ein Mitfühlen, ein inneres Verbinden mit den Personen und den Ereignissen blieben aus.

Zum Inhalt in Kurzform: Hauptperson ist Ishikli Carner, einst Auftragskillerin, jetzt Agentin des deutschen militärischen Abschirmdienstes MAD. Ihr neuer Auftrag ist besonders schwierig, denn es geht um ein stummes Kind, dessen Mutter vor den Augen des Kindes brutal getötet wurde. Dieses Kind hütet ein Geheimnis, weshalb es sowohl vom französischen Staatsschutz gejagt wird, als auch Ziel eines Killer ist, dessen Auftraggeber, ein Pharmakonzern, ohne jegliche Skrupel bereit ist, zum Schlimmsten zu greifen…

Der Plot bietet reichlich Potenzial für Spannung. Aber, wie weiter oben bereits beschrieben, fehlte mir im Schreibstil die Kraft der bildhaften Beschreibung, was die Darstellung der Personen betrifft. So lief die Handlung vor meinen lesenden Augen einfach ganz neutral ab, unterhaltsam, streckenweise spannend, aber ohne jegliche gefühlsmäßige Verknüpfung. Aufregende Actionszenen finden viel Platz. Es treten viele Personen auf und wieder ab, die mich verwirrten. Und es geht, wen wundert’s, um Geld, sowohl beim Pharmakonzern als auch bei den korrupten Entscheidungsträgern.
Kurzum gesagt: Für mich ist dieses Buch ein actionreicher Thriller, dessen Lektüre weitgehend emotionslos an mir vorüberzog. Das mag an mir liegen, aber zu einem gewissen Maß ganz sicher auch an dem emotionsarmen Schreibstil..

Bewertung vom 04.06.2024
Wie man ein Monster zum Leben erweckt / Prometheus Highschool Bd.1
Wilson, Stuart

Wie man ein Monster zum Leben erweckt / Prometheus Highschool Bd.1


gut

Eine makabre Geschichte ohne erkennbaren Sinn

Die Reizworte in der Werbung für dieses Kinderbuch sprachen mich an: Abenteuer, Monster, eine besondere Schule, Humor und Experimente. All dies klang nach aufregender Spannung und ideal für mich als Lesepatin, um das Buch gemeinsam mit „meinen“ Kindern zu lesen. Doch nachdem ich das Buch durchgelesen hatte, war ich maßlos enttäuscht. Auf keinen Fall handelt es sich meiner Meinung nach um ein Buch, das ich Kindern in die Hand geben möchte.
Hauptperson ist Athena. Sie ist ein intelligentes Mädchen, aber auch recht sonderbar, mit merkwürdigen Interessen. Von ihren Klassenkameraden wird sie gemieden. Sie experimentiert für ihr Leben gern, brennt aber eines Tages fast ihr Zuhause ab, als sie mit Hilfe von Blitzenergie versucht, die verstorbene Nachbarskatze wiederzubeleben. Überraschenderweise erhält sie statt Hausarrest einen Platz an der Prometheus Highschool angeboten, einer Schule, an der ausgewählte Schüler lernen, mit Wissenschaft und Magie umzugehen mit dem Ziel, den Tod zu bezwingen. Der Unterricht findet auf hoher See auf einem maroden Schiff statt. Seltsame Lehrer, seltsame Mitschüler und gruselige Geschehnisse bestimmen die Tage…

Die Hauptfigur Athena wirkt zunächst sympathisch, doch mit ihrer sturen Eigenwilligkeit und ihrer Rücksichtslosigkeit mag ich sie im Verlauf der Geschichte immer weniger. Überhaupt sind die einzelnen Charaktere nur sehr oberflächlich geschildert, sodass man keinen wirklichen Bezug zu den handelnden Personen aufnehmen kann. Ganz generell überfordert meiner Meinung nach der Schreibstil Kinder im Alter von 10 Jahren. Bei mir persönlich überwiegt letztlich der Ekel, wenn ungeniert mit Leichenteilen hantiert wird. Zwar gibt es einzelne kurzzeitig spannende Szenen, aber die Handlung ist im Gesamten wirr, es fehlt der rote Faden, von der ethischen Fragwürdigkeit des Geschehens ganz abgesehen. Ich finde es abstoßend, wenn Kinder ungeniert Leichenteile zusammennähen, um anschließend damit Wiederbelebungsversuche zu starten. Den vielleicht hinterlegten skurrilen Humor jedenfalls konnte ich in den makabren Details im Buch nicht entdecken, eine gewisse Sinnhaftigkeit des Erzählten sowieso nicht.

Kurzum: Ein Buch, das ich Kindern nicht in die Hand geben würde.

Bewertung vom 04.06.2024
Krähentage
Cors, Benjamin

Krähentage


ausgezeichnet

Atemberaubender, brillant geschriebener Thriller

Dieser Thriller ragt aus der unüberschaubaren Menge an laufend neu erscheinenden Thrillern überaus wohltuend hervor. Natürlich verfügt er über alle Kriterien, die ein guter Thriller besitzen muss. Aber darüber hinaus ist er, und das zeichnet ihn ganz besonders aus, in einer großartigen Sprache verfasst. Er ist geschrieben in teils wunderbaren Wortbildern, die mühelos zu plastischen Kopfbildern werden. Damit ist er in doppelter Hinsicht ein wahres Lesevergnügen: Ungewöhnlich, atemberaubend spannend und brillant geschrieben. Was will man mehr!
Eine neue Ermittlungseinheit soll sich mit Serientätern befassen. Jakob Krogh wird nach längerer Auszeit zusammen mit Mila Weiss zur Leitung dieser neuen Einheit berufen. Jakob, verheiratet, mit kleinem Sohn, hat den unbedingten Willen zum Erfolg. Und genau in seiner Familienkonstellation liegt sein dunkles Geheimnis. Mila ist zurückhaltend, verbissen, gibt nichts von sich preis. Ein alter ungelöster Fall aus ihrer Zeit in Wien treibt sie nach wie vor um. Die beiden bekommen es mit seltsamen Mordfällen zu tun, denn die Toten wurden noch Tage nach ihrem Tod lebendig von glaubwürdigen Zeugen gesehen und gesprochen. Und was haben die ausgehungerten Krähen und die seltsame Botschaft „Sieh nach oben“ damit zu tun?
Der Thriller ist hart, er ist brutal, er ist grausam und man braucht als Leser wahrlich gute Nerven. Denn es mangelt nicht an detaillierten Beschreibungen all der Entsetzlichkeiten, die den Opfern widerfahren sind. Die Story ist großartig konstruiert, denn obwohl man als Leser bald eine Ahnung hat, wer der Serienkiller sein könnte, erfährt man doch erst zum überraschenden Schluss, wie alles zusammenhängt. Die Spannung wird über alle 400 Seiten hinweg hochgehalten, steigert sich aber über die letzten 100 Seiten nochmals bis zum letzten Twist. Und, um es noch einmal zu wiederholen, für mich hat dieser Thriller noch einen besonderen Bonus, den die wenigsten Romane dieses Genres aufweisen können: Nämlich einen großartigen bildhaften Sprachstil, der das Lesen abgesehen von der atemberaubenden Spannung zum echten Lesegenuss macht.
Deshalb aus meiner Sicht uneingeschränkt empfehlenswert!

Bewertung vom 17.05.2024
Nothing but Spies 1: Nothing but Spies
Fesler, Mario

Nothing but Spies 1: Nothing but Spies


sehr gut

Ungewöhnliche, erfrischende Geschichte zwischen Wirklichkeit und Zukunft

Das Lesen dieses nicht ganz ernst zu nehmenden „Agenten“-Romans für 11- bis 14-Jährige war für mich eine Achterbahn mit Hochs und Tiefs und Loopings. Von Lachen, Gespannt-Sein, Staunen und Gähnen war alles geboten.
Wir lernen zunächst Celia kennen, die sich unendlich langweilt im öden Ort Trockenstedt, in dem sie seit kurzer Zeit leben muss. Sie benimmt sich so, wie man sich Teenager vorstellt, schlecht gelaunt und frech. Erst als Vincent mit Familie in der Nähe einzieht, wird es für Celia interessanter. Denn der überaus souverän wirkende Vincent scheint noch eine andere, eine geheimnisvolle Seite zu haben. Dem will Celia natürlich auf die Spur kommen. Und entdeckt tatsächlich, dass Vincent Undercover-Agent ist mit dem Auftrag, einem geheimnisvollen Erfinder namens Hypnos auf die Spur zu kommen. Celia in ihrer grenzenlosen Neugierde wird zum Problem für Vincent. Sie erpresst ihn schließlich, sodass ihm nichts anderes übrig, als sie einzuweihen…
Zu Beginn der Lektüre fand ich mich erst einmal nicht ganz zurecht zwischen der geschilderten Realität mit Durchmischung mit Fantasy-Elementen. Doch mit der Zeit gewöhnte ich mich daran. Die frechen Antworten von Celia und die Kabbeleien des Agenten-Duos untereinander sorgen immer wieder für Lacher. Schön ist auch beschrieben, wie Celia und Vincent sich während ihrer Mission zunehmend besser verstehen. Den Ideenreichtum des Autors bewunderte ich streckenweise sehr. Spannend und frisch wird die Geschichte insgesamt erzählt, auch wenn mir Ausdrücke wie „schissige Kleinstadt“ nicht gefallen. Was mich persönlich jedoch seitenweise etwas langweilte, waren diese komischen technischen Konstrukte, mit denen ich nichts anfangen konnte. Das hätte man sicher eleganter, verständlicher und weniger theoretisch-abstrakt und damit langweilig beschreiben können. Irritierend empfand ich auch, dass Celia in Ich-Form erzählt, Vincent jedoch aus Autoren-Sicht.
Insgesamt gesehen ist dieser Roman eine erfrischende, lebendige, ungewöhnliche und spannende Geschichte, angesiedelt zwischen Wirklichkeit und Zukunft.

Bewertung vom 06.05.2024
Nachspielzeiten
Vogelsang, Lucas

Nachspielzeiten


gut

Unterschiedlich interessant, leider auf Illustriertenniveau

Als Fußball-Laie (gibt es eine weibliche Form: Lain?), die aber durchaus mit Interesse gelegentlich Spiele anschaut, hat mich das immense Fachwissen, das der Autor durchblitzen lässt, sehr beeindruckt. Zwar erkenne ich nicht den eigentlichen Sinn dahinter, wenn man längst vergangene Spiele in Einzelzügen wiedergeben kann und sich mit einem Gleichgesinnten darüber stundenlang austauschen kann. Doch Anerkennung für dieses reiche Detailwissen zolle ich Lucas Vogelsang durchaus. Entsprechend neugierig war ich auf die Lektüre dieses Buches, weil ich erwartete, mein rudimentäres Wissen durch die Lektüre erweitern zu können. Doch offenbar hat das Buch ein ganz anderes Ziel.
Die einzelnen Kapitel befassen sich mit verschiedenen Fußballgrößen wie Otto Rehhagel, Franz Beckenbauer, Mehmet Scholl usw. Und bei genauer Betrachtung dieser Fußballer wiederum geht es gar nicht so sehr um deren jeweilige fußballerische Leistung. Sondern eher um deren Herkunft, Werdegang, ihre Unterstützer und – vor allen Dingen – um ihr Leben nach der aktiven Spielerzeit. Unterschiedlich interessant sind diese Kapital für mich gewesen. Insbesondere das Kapitel über die Fußballer, die sich im Dschungelcamp „entblößten“ um des Geldes willen, fand ich unpassend für ein Sachbuch, das Ernsthaftigkeit beansprucht.
Der Schreibstil, den Lucas Vogelsang vorlegt, ist gewöhnungsbedürftig. Er brennt für den Fußball, das spürt man jeder Zeile an. Vielleicht schreibt er deshalb in grammatikalisch oftmals unvollständigen Sätzen, so als müsste er seinem inneren Drang so schnell wie möglich nachkommen und sein unfassbar reiches Fußballgedächtnis in größter Eile dem Leser vermitteln. Aber sowohl dieser Sprachstil als auch der Inhalt des jeweils Erzählten lassen eher an Boulevardpresse-Artikel denken als an Sachbuch. Die jeweiligen Fußballer werden ohne jegliches psychologisches Feingespür nur anhand von Äußerlichkeiten dargestellt, mehrheitlich sogar eher mit ihren negativen Seiten, ihren Alkoholabstürzen, ihr Versinken in Bedeutungslosigkeit – reißerisches Illustriertenniveau halt. Das ist zwar unterhaltsam, aber nicht das, was ich von solch einem Fußball-Fachmann erwartet hätte.