"Schlicht ist seine Sprache, doch nie banal, und erzeugt in dieser Einfachheit ein beinahe somatisches Bewusstsein für die unbedingte Verzahnung von Gegenwart und Vergangenheit."
Sofia Glasl, Süddeutsche Zeitung 17.10.2017
Sofia Glasl, Süddeutsche Zeitung 17.10.2017
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.10.2017NEUE TASCHENBÜCHER
Alltag und
Krieg
Damals war oft erst gestern. Daran erinnert Heinrich Böll unermüdlich. Etwa in den Nachkriegserzählungen „Wanderer kommst Du nach Spa“, wenn der Ich-Erzähler der Titelgeschichte drei Monate nach dem Abitur als Kriegsverwundeter in seinem ehemaligen Gymnasium notoperiert wird. Aus seiner einstigen Schule ist ein Lazarett geworden, aus dem gelangweilten Schüler Kanonenfutter, und doch hält er sich an dem Bekannten fest, um seinen gegenwärtigen Zustand greifbar zu machen. Heinrich Böll reflektiert in den 1947 bis 1950 entstandenen Erzählungen das beiläufige Nebeneinander von Alltag und Krieg, das sich auch über die Stunde null hinaus in die Gesellschaft einschreibt. Schlicht ist seine Sprache, doch nie banal, und erzeugt in dieser Einfachheit ein beinahe somatisches Bewusstsein für die unbedingte Verzahnung von Gegenwart und Vergangenheit. An dieser gilt es, sich abzuarbeiten, um der Gesinnung die notwendige Besinnung entgegenzustellen. Deshalb war sein literarisches Schreiben immer auch unmittelbar gesellschaftliches Engagement, er stieß damit Debatten an, deren Aktualität auch heute noch gilt.
SOFIA GLASL
Heinrich Böll: Wanderer kommst du nach Spa … Erzählungen. dtv, München 2017. 224 Seiten, 12 Euro.
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Alltag und
Krieg
Damals war oft erst gestern. Daran erinnert Heinrich Böll unermüdlich. Etwa in den Nachkriegserzählungen „Wanderer kommst Du nach Spa“, wenn der Ich-Erzähler der Titelgeschichte drei Monate nach dem Abitur als Kriegsverwundeter in seinem ehemaligen Gymnasium notoperiert wird. Aus seiner einstigen Schule ist ein Lazarett geworden, aus dem gelangweilten Schüler Kanonenfutter, und doch hält er sich an dem Bekannten fest, um seinen gegenwärtigen Zustand greifbar zu machen. Heinrich Böll reflektiert in den 1947 bis 1950 entstandenen Erzählungen das beiläufige Nebeneinander von Alltag und Krieg, das sich auch über die Stunde null hinaus in die Gesellschaft einschreibt. Schlicht ist seine Sprache, doch nie banal, und erzeugt in dieser Einfachheit ein beinahe somatisches Bewusstsein für die unbedingte Verzahnung von Gegenwart und Vergangenheit. An dieser gilt es, sich abzuarbeiten, um der Gesinnung die notwendige Besinnung entgegenzustellen. Deshalb war sein literarisches Schreiben immer auch unmittelbar gesellschaftliches Engagement, er stieß damit Debatten an, deren Aktualität auch heute noch gilt.
SOFIA GLASL
Heinrich Böll: Wanderer kommst du nach Spa … Erzählungen. dtv, München 2017. 224 Seiten, 12 Euro.
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