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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.04.2009

Literatur Fängt ein Roman so an: "Vielleicht sollte ich einen Roman schreiben", dann hat er schon mal schlechte Karten. Wen interessieren die Nöte des Schriftstellers beim Schreiben? "Die Liebe am Nachmittag" von Erno Szép (dtv, jetzt auch als Hörbuch) hat aber überhaupt nichts Selbstreferentielles, ebenso wenig wie "Fiasko" von Imre Kertész, für den Szép ein Idol und Vorbild war. Auch passt der neckische deutsche Titel nicht. Im Original heißt das Buch von 1935 "Ádámcsutka". Ein gewisser Mihály, Theaterschriftsteller und Feuilletonist, bemerkt im schönen Vorkriegsbudapest an sich und anderen sichere Vorzeichen des Verfalls: Wie bei den hageren Endvierzigern die Adamsäpfel wachsen, wie bei den eher Runden die Korsettkontur durchschlägt, gefärbte Haare, kaschierte Falten, eine Überdosis Rasierwasser, Diät, Brille, Sport, Goldkrone und dann diese immer jünger werdenden Freundinnen. "Das Gemeinste ist, dass Herren und auch Damen einem sagen: Prächtig schaust du aus oder Wie gut Sie doch aussehen. Dem jungen Menschen sagt keiner, dass er gut aussieht. Junge, sagt man, miserabel schaust du aus, Freund! Bist wohl ein Nachtschwärmer, die Lumperei und all die Weibergeschichten, du Lüstling! Auch ich gewöhne mir an, zu den fetten, angeschimmelten Visagen zu sagen: Gut sieht er aus, der gnädige Herr." Mihály lebt noch in einer Welt, in der junge Mädchen "Backfisch" genannt werden dürfen und auf Kaffeehaustischen ihr "Retikül" abstellen. Diese Welt ist dem Untergang geweiht, und sie weiß es. Eigentlich also eine Tragödie, aber leicht und frech geschrieben. Eine auf ironischer Spitze getanzte Ballade, ein Gutenachtlied auf Alt-Kakanien in 43 Strophen. Nach "Ádámcsutka" schrieb Szép dann nur noch seinen Bericht aus dem Arbeitslager "Drei Wochen in 1944", den gibt es zurzeit immerhin auf Englisch: "The Smell of Humans". Jetzt warten wir also auf die deutsche Übersetzung. Im schwedischen Exil sprach Szép von sich selbst nur noch in der Vergangenheit.

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