Das Huhn, gezeichnet, fotografiert: in alltäglichen und außergewöhnlichen Situationen, aber immer mit großer Komik und Poesie. Zwei sehr unterschiedliche Künstler, der Zeichner und Schriftsteller Friedrich Karl Waechter und der Bildhauer Claus Bury zeigen mit ihren Bildern ausdrucksstarke Physiognomien und erstaunliche Metamorphosen."Kein Suppen-, ein Superhuhn" schreibt Andreas Platthaus in seinem Essay über F.K. Waechter.Diese Hühner-Sammlung ist eine Erstveröffentlichung, eine private Sammlung von Zeichnungen und Fotografien, Schätze aus einer bislang unbekannten (Hühner-)Welt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.04.2017Henne wie Hanne
Hanne Kulessa hat eine Hommage an das Huhn und F. K. Waechter in Buchform herausgebracht
Sie ist großzügig. Sonst wäre sie wohl kaum auf die Idee gekommen, ihr Glück mit anderen zu teilen. Schon Anfang der siebziger Jahre hatte Hanne Kulessa den Zeichner, Cartoonisten, Theater- und Kinderbuchautor Friedrich Karl Waechter kennengelernt. Bis zu seinem Tod 2005 beschenkte er die Journalistin und Autorin mit selbstgezeichneten Hühnern. Nur Eingeweihte wussten davon. Jetzt hat Kulessa sie zusammen mit Hühner-Fotografien des Architekten und Bildhauers Claus Bury im Verlag Henrich Editionen veröffentlicht. Zur Präsentation des Buchs unter dem Titel "Das Huhn" herrschte ungewöhnlicher Auftrieb im Frankfurter Holzhausenschlösschen: Promis der lokalen Literatur- und Medienszene gaben sich ein Stelldichein zu Ehren F. K. Waechters, der am 3. November dieses Jahres 80 Jahre alt geworden wäre. Vielleicht auch aus Neugier auf jenes "Totemtier", wie Andreas Platthaus, Literaturchef dieser Zeitung, Waechters Huhn in seinem Vorwort genannt hat.
Und er hat recht. Dies ist "kein Suppenhuhn, sondern ein Superhuhn". Geeignet, eine Lanze zu brechen für all die Hühner, die in Legebatterien vor sich hin schmachten. Auch die Mühsal des Eierlegens hatte Waechter zum Ausklang des Jahres 1989 mit schwarzem Humor festgehalten. Eine Träne seines Huhns gilt dem Ei, das von gierigen Vögeln verzehrt wird, anstatt Nachwuchs zu entlassen. Auch deshalb hat der Satiriker Hans Zippert dem Hühnerei und dem Küken eine kleine Hommage dargebracht. Zu Beginn seiner süffisanten Laudatio berichtete er von seinem Zivildienst auf einer Vogelpflegestation nahe Gifhorn. Dort musste er vergaste Eintagsküken an Storchenküken verfüttern, nicht ohne sie vorher schnabelgerecht zerschnippelt zu haben. "Die Kinder des Huhns sind reine Industrieware", so sein Fazit.
Zippert hat Waechter natürlich auch persönlich gekannt. Im September 1988 lernte er, der bis dahin nur an Haschisch-Plätzchen geknabbert hatte, bei ihm das Marihuana in tiefen Zügen kennen. Achim Greser war mit von der Partie, als sie bewusstseinserweitert einen dreisten Titel für die Satirezeitschrift "Titanic" ausheckten. Auch Waechters nun in Buchform erhältliche Hühner haben gelegentlich einen Schwips, wenn sie am Sekt genippt haben. "Mehr als 60 exzellente Hühner" würdigte Zippert: geschminkt und ungeschminkt, auf der Psychiater-Couch, im Wollpullover und in der Abendrobe. Die Grüne Soße schmeckt dem Huhn "sagenhaft", aber die weißen "Klößchen" irritieren das arglose Federvieh. Immer wieder ist Waechters Humor grundiert von Melancholie. Sein Huhn tanzt elegant den Tango, aber es liegt auch krank im Bett oder ergeben neben dem Tranchiermesser.
Das Hühnerdasein ist nicht nur lustig. Das belegen auch die Fotografien von Claus Bury. Nach Waechters Tod schenkte er Hanne Kulessa die Fotografie eines Huhns: "Es geht ja nicht, dass Du keine Hühner mehr bekommst", zitiert ihn die Herausgeberin in ihrem Vorwort. Seitdem hat Bury viele Hühner fotografiert. Steinerne Hähne auf Dachfirsten, ausgezehrte Hennen in China. Verena Auffermann, Literatur- und Kunstkritikerin, hat sie in einem elaborierten Begleittext eigens gewürdigt, den Kulessa bei der Buchpräsentation vorstellte. Nach einer Dreiviertelstunde war die offizielle Versammlung im Namen des Huhns beendet, aber die Waechter-Gemeinde stieß noch ausgiebig auf den Künstler an. Chicken Wings oder Hähnchen-Nuggets wurden nicht serviert.
CLAUDIA SCHÜLKE
"Das Huhn: Zeichnungen und Fotos" ist bei Henrich Druck und Medien erschienen und kostet 18 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hanne Kulessa hat eine Hommage an das Huhn und F. K. Waechter in Buchform herausgebracht
Sie ist großzügig. Sonst wäre sie wohl kaum auf die Idee gekommen, ihr Glück mit anderen zu teilen. Schon Anfang der siebziger Jahre hatte Hanne Kulessa den Zeichner, Cartoonisten, Theater- und Kinderbuchautor Friedrich Karl Waechter kennengelernt. Bis zu seinem Tod 2005 beschenkte er die Journalistin und Autorin mit selbstgezeichneten Hühnern. Nur Eingeweihte wussten davon. Jetzt hat Kulessa sie zusammen mit Hühner-Fotografien des Architekten und Bildhauers Claus Bury im Verlag Henrich Editionen veröffentlicht. Zur Präsentation des Buchs unter dem Titel "Das Huhn" herrschte ungewöhnlicher Auftrieb im Frankfurter Holzhausenschlösschen: Promis der lokalen Literatur- und Medienszene gaben sich ein Stelldichein zu Ehren F. K. Waechters, der am 3. November dieses Jahres 80 Jahre alt geworden wäre. Vielleicht auch aus Neugier auf jenes "Totemtier", wie Andreas Platthaus, Literaturchef dieser Zeitung, Waechters Huhn in seinem Vorwort genannt hat.
Und er hat recht. Dies ist "kein Suppenhuhn, sondern ein Superhuhn". Geeignet, eine Lanze zu brechen für all die Hühner, die in Legebatterien vor sich hin schmachten. Auch die Mühsal des Eierlegens hatte Waechter zum Ausklang des Jahres 1989 mit schwarzem Humor festgehalten. Eine Träne seines Huhns gilt dem Ei, das von gierigen Vögeln verzehrt wird, anstatt Nachwuchs zu entlassen. Auch deshalb hat der Satiriker Hans Zippert dem Hühnerei und dem Küken eine kleine Hommage dargebracht. Zu Beginn seiner süffisanten Laudatio berichtete er von seinem Zivildienst auf einer Vogelpflegestation nahe Gifhorn. Dort musste er vergaste Eintagsküken an Storchenküken verfüttern, nicht ohne sie vorher schnabelgerecht zerschnippelt zu haben. "Die Kinder des Huhns sind reine Industrieware", so sein Fazit.
Zippert hat Waechter natürlich auch persönlich gekannt. Im September 1988 lernte er, der bis dahin nur an Haschisch-Plätzchen geknabbert hatte, bei ihm das Marihuana in tiefen Zügen kennen. Achim Greser war mit von der Partie, als sie bewusstseinserweitert einen dreisten Titel für die Satirezeitschrift "Titanic" ausheckten. Auch Waechters nun in Buchform erhältliche Hühner haben gelegentlich einen Schwips, wenn sie am Sekt genippt haben. "Mehr als 60 exzellente Hühner" würdigte Zippert: geschminkt und ungeschminkt, auf der Psychiater-Couch, im Wollpullover und in der Abendrobe. Die Grüne Soße schmeckt dem Huhn "sagenhaft", aber die weißen "Klößchen" irritieren das arglose Federvieh. Immer wieder ist Waechters Humor grundiert von Melancholie. Sein Huhn tanzt elegant den Tango, aber es liegt auch krank im Bett oder ergeben neben dem Tranchiermesser.
Das Hühnerdasein ist nicht nur lustig. Das belegen auch die Fotografien von Claus Bury. Nach Waechters Tod schenkte er Hanne Kulessa die Fotografie eines Huhns: "Es geht ja nicht, dass Du keine Hühner mehr bekommst", zitiert ihn die Herausgeberin in ihrem Vorwort. Seitdem hat Bury viele Hühner fotografiert. Steinerne Hähne auf Dachfirsten, ausgezehrte Hennen in China. Verena Auffermann, Literatur- und Kunstkritikerin, hat sie in einem elaborierten Begleittext eigens gewürdigt, den Kulessa bei der Buchpräsentation vorstellte. Nach einer Dreiviertelstunde war die offizielle Versammlung im Namen des Huhns beendet, aber die Waechter-Gemeinde stieß noch ausgiebig auf den Künstler an. Chicken Wings oder Hähnchen-Nuggets wurden nicht serviert.
CLAUDIA SCHÜLKE
"Das Huhn: Zeichnungen und Fotos" ist bei Henrich Druck und Medien erschienen und kostet 18 Euro.
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