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Ludwig Hirschfelds charmanter feuilletonistischer Reiseführer entführt uns in das Wien der späten 1920er Jahre. Als im Sacher noch keine alleinsitzenden Frauen bedient wurden. Als es kaum Bierlokale in der Stadt gab. Als man sich noch Eintänzer beim Kellner bestellen konnte, wenn der Gatte keine Lust hatte. Im Jahr 1927 erschien in der Buchreihe Was nicht im Baedeker steht ein köstlicher Wien-Reiseführer. Autor Ludwig Hirschfeld, der bereits in Karl Kraus' "Die letzten Tage der Menschheit" Erwähnung findet, beschreibt in sehr launigem, charmantem Stil seine Stadt. In 19 Kapiteln wird uns das…mehr

Produktbeschreibung
Ludwig Hirschfelds charmanter feuilletonistischer Reiseführer entführt uns in das Wien der späten 1920er Jahre. Als im Sacher noch keine alleinsitzenden Frauen bedient wurden. Als es kaum Bierlokale in der Stadt gab. Als man sich noch Eintänzer beim Kellner bestellen konnte, wenn der Gatte keine Lust hatte. Im Jahr 1927 erschien in der Buchreihe Was nicht im Baedeker steht ein köstlicher Wien-Reiseführer. Autor Ludwig Hirschfeld, der bereits in Karl Kraus' "Die letzten Tage der Menschheit" Erwähnung findet, beschreibt in sehr launigem, charmantem Stil seine Stadt. In 19 Kapiteln wird uns das alte Wien nähergebracht: Essen und Trinken, die angesagtesten Lokale, Kunst & Kultur, die Parks, das Burgtheater, die Nacktrevuen – alles, was der Tourist und Einheimische wissen muss. Aber Hirschfeld hat auch damals Veränderungen zu beklagen: Die Bankenhäuser verdrängen die Kaffeehäuser. Die Wiener trinken fast kein Bier mehr! Es gibt viel zu schmunzeln für den heutigen Leser. Apropos, wussten Sie: … dass Frauen ohne männliche Begleitung aus Schicklichkeitsgründen im Sacher nicht bedient wurden? … was ein Schnitzel mit Charlestongarnierung ist? … der Ober im Kaffeehaus "Zahlmarkör" genannt wurde? … dass in den meisten großen Lokalen Salonkapellen oder Jazzbands spielten? Erinnern Sie sich noch an das Café Lurion in der Siebensterngasse? An das Café Arlon in der Rothgasse? An das Krystallcafé auf dem Aspernplatz? Der beliebteste Reiseführer der 1920er Jahre. Als das Grauen noch in der Zukunft lag. "Über Wien kann man nur unpathetisch schreiben, mit einem lächelnden und einem nörgelnden Auge. Auch auf diese Weise kann man von einer Stadt begeistert und in die verliebt sein. Und vielleicht ist es nicht einmal die schlechteste Art. Wer wirklich liebt, singt keine Liebeslieder."
Autorenporträt
Ludwig Hirschfeld Geb. am 21. Mai 1882 in Wien, gestorben zwischen 7. November 1942 und 4. Mai 1945 im KZ Auschwitz. Hirschfeld arbeitete als Redakteur der Neuen Freien Presse und als Chefredakteur für die Moderne Welt. 1927 erschien sein alternativer Reiseführer Das Buch von Wien und Budapest, 1929 auch in englischer Übersetzung. Er verfasste darüber hinaus eine Vielzahl von Novellen, Schauspielen und Libretti und war als Übersetzer und Feuilletonist tätig. Hirschfeld wird bei Karl Kraus in Die letzten Tage der Menschheit in der Szene vor dem Hotel Imperial erwähnt. Freund Felix Salten resümierte, dass er sich "fast immer als Schriftsteller von ausgesprochen journalistischem Temperament" zeigte. Am 6. November 1942 wurde er nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.10.2020

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Ludwig Hirschfelds Wien-Führer von 1927 in einer neuen Ausgabe

Karl Kraus beschimpfte ihn als "den grauslichsten von allen Wohlstandsplauderern", Felix Salten pries ihn als "Schriftsteller von ausgesprochen journalistischem Temperament". Das Lob wie die Polemik zielten auf denselben Habitus, den der 1882 geborene Ludwig Hirschfeld, Chefredakteur der von Kraus verachteten "Neuen Freien Presse" sowie Verfasser populärer Schauspiele und Erzählungen, im Wien der zehner und zwanziger Jahre verkörperte. Als schriftstellernde Journalisten wurden damals solche Autoren qualifiziert, die sich mit Artikeln für die Tagespresse ein Einkommen sicherten, den Anspruch, Schriftsteller zu sein, aber nicht preisgaben, sondern im Feuilleton eine neue Ausdrucksmöglichkeit sahen.

Von solcher - je nach Sichtweise - Doppel- oder Halbbegabung ist der Prosaband "Wien" getragen, den Hirschfeld 1927 als Auftragsarbeit für die im Münchener Piper-Verlag erschienene Reihe "Was nicht im Baedeker steht" geschrieben hat und der nun mitsamt Originalillustrationen von Adalbert Sipos und Leopold Gedö neu herausgekommen ist. Die Buchreihe sollte den Gebrauchswert von Reiseführern mit einem auf eigene Erfahrung statt auf bloße Information vertrauenden Zugang verbinden. Entsprechend stellt sich Hirschfelds Buch als Sammlung feuilletonistischer Prosastücke dar, in denen ein plauderfreudiges Ich ein imaginäres Paar jenseits touristischer Pfade durch die Stadt führt. Diese Fiktion benötigt Hirschfeld, wie er erklärt, um sich mit seiner Aufgabe nicht zu langweilen. Weshalb er sich "eine nette Begleitung gesucht und erfunden (habe). Und das sind Sie, mein Herr Leser, und Sie, meine Frau Leserin. Sie sind zwei Fremde, die zum ersten Mal nach Wien kommen. Ein Herr und eine Dame, die gar nicht zusammengehören, aber ich (...) habe mir erlaubt, Sie für die Dauer dieses Buches ein bißchen miteinander zu verheiraten".

Die achtzehn Kapitel, in denen der Autor sein Paar ins Kaffeehaus, die Ringstraße entlang, ins Burgtheater, zur Sportveranstaltung, ins Kaufhaus und auf die Landpartie mitnimmt, beziehen aus der Tatsache, dass auch Hirschfelds Alter Ego zu zweit, nämlich verheiratet ist, erzählerischen Witz. Im "Shopping" überschriebenen Abschnitt lässt der einkaufsunlustige Erzähler seine Gattin in die Innere Stadt fahren, um "Rapporte aus allen Mode- und Luxusgebieten" zu sammeln, woraufhin sie ihn mit ihren Einkäufen fast in den Bankrott treibt. Daher empfiehlt er den Reisenden, "Shopping" eher als "Anschauen" denn als Einkauf zu praktizieren. In einem Kapitel über Freibäder bringt Hirschfeld den Wien-Besuchern die neue Praxis des Gemischtbadens nahe und ruft die im Schwinden begriffenen Schwimmbäder mit separierten Eingängen als "Zeit der Prüderie", aber auch des unmodern gewordenen "Genierens" in Erinnerung.

Heute liest sich Hirschfelds Buch nicht nur als Kompendium historisch gewordener Gewohnheiten wie dem "Linksgehen" auf dem Trottoir oder dem in Kaffeehäusern auf das Trinkgeld zuzuschlagenden "Separattrinkgeld", sondern auch als Chronik eines jüdischen Alltagslebens, das schon zehn Jahre nach Erscheinen des Reiseführers Vergangenheit war. Dabei registriert Hirschfeld das jüdische Wien eher wie nebenher und ohne die Absicht kulturhistorischer Belehrung. Etwa, wenn er einen Gang durchs Wiener Nachtleben zum Anlass nimmt, den Couplet-Dichter Fritz Grünbaum zu porträtieren, die Gegenwart des Bankiers Louis Rothschild im Theaterbetrieb beobachtet oder aufgrund des Ressentiments gegen Sigmund Freud den Rat erteilt: "Seien Sie während Ihres Wiener Aufenthalts nicht zu interessant und originell, sonst sind Sie hinter Ihrem Rücken plötzlich ein Jud."

Was sich in Hirschfelds Buch nur an den Rändern abzeichnet, traf ihn später mit unvorhergesehener Gewalt. Während des Austrofaschismus unbehelligt, wurde er 1938 kurzzeitig verhaftet und emigrierte mit seiner Frau Elly, der Tochter Eva und dem Sohn Herbert nach Frankreich. Im November 1942 wurde die Familie vom Zwischenlager Drancy nahe Paris aus nach Auschwitz deportiert, wo alle vier ermordet wurden. Martin Amanshauser, der in seinem Nachwort zur Neuausgabe die Lebensgeschichte Hirschfelds rekonstruiert, gelingt es, das Pittoreske von dessen Reiseprosa als Erscheinungsform einer versunkenen Freiheit kenntlich zu machen.

MAGNUS KLAUE

Ludwig Hirschfeld: "Wien".

Mit einem Nachwort von Martin Amanshauser.

Milena Verlag, Wien 2020. 256 S., Abb., geb., 23,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension

Rezensent Christoph Haacker lernt das Wien der Zwanziger Jahre kennen in dieser schönen Neuauflage von Ludwigs Hirschfelds "Was nicht im Baedecker steht" von 1927. Der Kritiker nimmt natürlich Platz in den Kaffeehäusern der Stadt, lernt, wie man sich mit der richtigen Aussprache von "Kaffee" tunlichst von den Reichsdeutschen zu unterscheiden hatte, begegnet den Autoren Leo Perutz und Anton Kuh (vermisst aber Freud, Schnitzler, Reinhardt oder Tauber) und erfreut sich an detailreichen Schilderungen von Musik, Kleinkunst, Restaurants, Tanzbars oder der Heurigen. Mit einem Schaudern liest der Rezensent zudem vom reichen jüdischen Leben der Stadt, das im Jahr 1938 - was der Autor nicht erahnen konnte - sein Ende fand.

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