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Nominiert für den Deutschen Buchpreis.
Drei Personen durchstreifen Wien zu unterschiedlichen Zeiten, mit unterschiedlichen Motiven, und versuchen auf unterschiedliche Weisen, in der Wirklichkeit anzukommen - durch politisches Engagement, durch Kunst oder durch die Aufkündigung aller existierenden Zwänge. Thomas Stangls neuer Roman ist eine hypnotische Meditation über unsere Gegenwart und die Rolle, die der Kunst darin und in unserem Leben zukommt, ein Roman voller magischer Momente.
Drei Personen durchstreifen Wien zu unterschiedlichen Zeiten, mit unterschiedlichen Motiven, und versuchen auf unterschiedliche Weisen, in der Wirklichkeit anzukommen - durch politisches Engagement, durch Kunst oder durch die Aufkündigung aller existierenden Zwänge. Thomas Stangls neuer Roman ist eine hypnotische Meditation über unsere Gegenwart und die Rolle, die der Kunst darin und in unserem Leben zukommt, ein Roman voller magischer Momente.
Stangl, ThomasThomas Stangl, 1966 in Wien geboren, wo er heute lebt, studierte Spanisch und Philosophie. Für seinen ersten Roman "Der einzige Ort" erhielt der den "aspekte-Preis" für das beste deutschsprachige Debüt.
Produktdetails
- btb Bd.74817
- Verlag: btb
- Seitenzahl: 288
- Erscheinungstermin: 4. März 2015
- Deutsch
- Abmessung: 188mm x 119mm x 20mm
- Gewicht: 269g
- ISBN-13: 9783442748174
- ISBN-10: 3442748178
- Artikelnr.: 40794302
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Thomas Stangls Roman über das tragische Schicksal zweier Schwestern "zieht und zerrt" an Anja Hirsch und es fällt ihr teilweise schwer, dem Strom der Geschichte zu folgen, die aus der Sicht eines emeritierten Kunstwissenschaftlers erzählt wird. Das Buch lese sich, so die Rezensentin, wie eine Landkarte, die man geduldig und mit Lesepausen erforscht werden müsse. In ihren besten Momenten beginnt die langsame Geschichte für sie magisch und tänzerisch leicht zu leuchten. Dann verliert Hirsch gemeinsam mit den Figuren das Zeitgefühl und verliert sich in Stangls feingliedrigen Beschreibungen aus den "Randzonen des grübelnden Ichs".
© Perlentaucher Medien GmbH
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Was weiß das Pixel schon von der Liebe
Das Leben ist eine Landkarte: In seinem Roman "Regeln des Tanzes" schickt Thomas Stangl einen alten Mann auf die Suche nach der Geschichte alter Fotografien. Das ist nicht immer leicht zu lesen, wirkt in geglückten Momenten aber magisch.
Die Romane von Thomas Stangl, der jetzt mit "Regeln des Tanzes" seinen vierten vorlegt, sind Botschaften aus den Randzonen des immerzu grübelnden Ichs. 1966 in Wien geboren, erzählt der Österreicher seit seinem Debüt "Der einzige Ort" (2004), das noch Afrikas Wüste durchmaß, von den großen Themen; von Fremdheit und Einsamkeit, von dem Begehren, etwas zu verändern - und schließlich von dem Übergleiten des nur Gedachten in die unwiderrufliche
Das Leben ist eine Landkarte: In seinem Roman "Regeln des Tanzes" schickt Thomas Stangl einen alten Mann auf die Suche nach der Geschichte alter Fotografien. Das ist nicht immer leicht zu lesen, wirkt in geglückten Momenten aber magisch.
Die Romane von Thomas Stangl, der jetzt mit "Regeln des Tanzes" seinen vierten vorlegt, sind Botschaften aus den Randzonen des immerzu grübelnden Ichs. 1966 in Wien geboren, erzählt der Österreicher seit seinem Debüt "Der einzige Ort" (2004), das noch Afrikas Wüste durchmaß, von den großen Themen; von Fremdheit und Einsamkeit, von dem Begehren, etwas zu verändern - und schließlich von dem Übergleiten des nur Gedachten in die unwiderrufliche
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Tat. Und weil das vor allem zum sprachlichen Ereignis wird, hier gleich eine Kostprobe, aus dem Leben eines alten Mannes in Wien, der schon viel zu lange mit seiner Frau Pre zusammenlebt: "Die Woche zieht sich hin. Er verlässt selten die Wohnung, holt Weinflaschen aus dem Keller und mariniert Geflügelstückchen mit Ingwer und Koriander, sieht Pre auftauchen und verschwinden, als bewohne sie einen anderen Raum, eine parallele Welt, die sich zufällig über seine Wohnung gelegt hat."
Irgendwann verlässt Pre den Mann tatsächlich, es deutete sich bereits an. Überhaupt liegt die Zukunft des Romans immer schon in allen Zeilen drin. Die Zeiten verschwimmen, und man verliert, wie der Mann, das sichere Gefühl für Zeit und Raum: "Er schaute zum Schreibtisch hin, an dem Pre abends immer gesessen hatte, und glitt bewegungslos die Jahrzehnte zurück und zugleich nach vorn, hin zu seinem Tod, an einem Tag, an den er sich schon heute erinnert."
Rückblenden und Vorgriffe sind bei Stangl keine technischen Kniffe. Eher die automatischen Bahnen eines Denkens, das auf Schocksituationen mit kleinen Beben reagiert. Diese inneren Beben zeichnet Stangl auf, zwischen diesem Rentner, einem emeritierten Kunstgeschichtler, und zwei Schwestern, die in Wien wohnen. Der Rentner steht mit ihnen irgendwie in geheimer Verbindung: Er findet zufällig Fotografien dieser Schwestern und macht sich nach dem Weggang von Pre auf die Suche nach der Geschichte zu den Fotografien, fünfzehn Jahre später.
In Montagen erfährt man, was damals geschah. Die beiden Schwestern, Studentinnen nur auf dem Papier, teilen sich eine Wohnung. Ihr Vater starb, man weiß noch nicht, wie, man ahnt nur, dass es nicht übliche Trauer ist wie nach einem natürlichen Tod, sondern ein Unheil, das diese beiden Schwestern aneinanderschweißt. Die eine treibt es täglich in die Stadt, wo sie an den Protestzügen gegen die Regierung teilnimmt; als "Donnerstagsdemonstrationen" sind diese Kundgebungen in die Geschichtsbücher eingegangen.
Die andere, Mona, hat sich von allen abgewandt. Sie ist das genaue Gegenteil der Schwester, eine Wirklichkeitsflüchtige, nicht greifbar. Dann ist sie plötzlich verschwunden, und die zurückgelassene Schwester beginnt, die leere Wohnung zu fotografieren, Tag für Tag - ebenjene Bilder, die der alte Mann in den Händen hält. Sie sucht Mona in den Straßen Wiens. Das eigene Leben kommt ihr immer leerer vor, wie aufgeklebt. Wie ein Choreograph, der die Bühne mit ihren kuriosen Mustern von oben im Blick hat, zugleich aber aus der Mitte heraus schaut, folgt Thomas Stangl den Schwestern durch die Stadt. Irgendwann greift eine dieser beiden jungen Frauen nach der Waffe eines Polizisten.
Es braucht Ruhe und Geduld, diese langsame, achtsame Prosa zu lesen. "Regeln des Tanzes" gleicht einer Landkarte, die entfaltet einige Tage liegenbleiben muss, mit Lesepausen. Da sind Wege, die man auf den ersten Blick übersah; und Empfindungsspitzen, die überscharfe Porträts liefern, mit den "Schmerzzentren" dieser einsamen Schwestern. Man ist dabei, wenn sie auf ihrer je eigenen Flucht mit sich selbst sprechen, Möglichkeiten abwägen und um den natürlichsten Ablauf von Alltag kämpfen: "Du erfindest eine Spielregel; nichts kann dir geschehen." So formt sich aus den kleinsten Bildpixeln, angestoßen vom Zigarettenrauch oder der Hand in der Jackentasche, die den Schlüssel sucht, eine Folge von Bewegungen. Das Leben als absurder Tanz um eine geheime Mitte - das vermittelt sich hier vor allem über fein zergliederte Satzkaskaden, über Beschreibungen einer aufgebrochenen Stadt, die mit den Innenaufnahmen der Figuren korrespondieren. Das ist der fast körperlich spürbare Effekt beim Lesen dieses Romans. Erklären sie aber die Tat?
Im Kern geht es immer weniger um die geheime Verbindung zwischen dem alten Mann und den Schwestern. Beide Geschichten bleiben lange getrennt. Und doch überlappen sie einander schon vorher, weil sie von der gleichen Bedrängnis erzählen. Alle drei Menschen hatten einmal Ideale - die Arbeit, den Tanz, die Revolution. Dann streicht die Zeit darüber hinweg, dazu eine Katastrophe von außen, und etwas zerbricht. Alles wird gleichwertig. Von diesem Punkt aus streben diese inneren Dialoge weg. Stangl zeichnet aus dem subjektiven Echoraum den fragilen Boden, auf dem wir schwerfällig wandern, bestenfalls tänzerisch. Er zeigt unterschiedliche Möglichkeiten des Widerstands.
Vielleicht führt das, wie die verebbende Demonstration, in eine neue Leere; vielleicht für den Einzelnen in eine Lebensform, die wenigstens durch die Dichte der Empfindungen trägt. Thomas Stangl, der Philosophie und Spanisch studierte, folgt dem Bewusstseinsstrom so konsequent, so radikal, dass diese Abfolge kleinster Lebensmomente selbst zur Kunst wird, die sich betrachten und goutieren lässt - als Roman. Das wäre jenseits von üblichen Glücksversprechern nicht wenig: das von Menschen und Geschichte unabhängige Glück, das sich beim Betrachten der Welt von selbst einstellt, inklusive der Angst, der Resignation, der Trauer über das Ungelebte. In jedem Fall schreibt Thomas Stangl gute Literatur, die bisweilen unbequem an einem zieht und zerrt, die in ihren besten Momenten magisch leuchtet und nicht mit Auflösung dient. Diese über lange Strecken gehaltene Dissonanz ist in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur höchst selten geworden.
ANJA HIRSCH
Thomas Stangl: "Regeln des Tanzes". Roman.
Droschl Verlag, Wien 2013. 278 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Irgendwann verlässt Pre den Mann tatsächlich, es deutete sich bereits an. Überhaupt liegt die Zukunft des Romans immer schon in allen Zeilen drin. Die Zeiten verschwimmen, und man verliert, wie der Mann, das sichere Gefühl für Zeit und Raum: "Er schaute zum Schreibtisch hin, an dem Pre abends immer gesessen hatte, und glitt bewegungslos die Jahrzehnte zurück und zugleich nach vorn, hin zu seinem Tod, an einem Tag, an den er sich schon heute erinnert."
Rückblenden und Vorgriffe sind bei Stangl keine technischen Kniffe. Eher die automatischen Bahnen eines Denkens, das auf Schocksituationen mit kleinen Beben reagiert. Diese inneren Beben zeichnet Stangl auf, zwischen diesem Rentner, einem emeritierten Kunstgeschichtler, und zwei Schwestern, die in Wien wohnen. Der Rentner steht mit ihnen irgendwie in geheimer Verbindung: Er findet zufällig Fotografien dieser Schwestern und macht sich nach dem Weggang von Pre auf die Suche nach der Geschichte zu den Fotografien, fünfzehn Jahre später.
In Montagen erfährt man, was damals geschah. Die beiden Schwestern, Studentinnen nur auf dem Papier, teilen sich eine Wohnung. Ihr Vater starb, man weiß noch nicht, wie, man ahnt nur, dass es nicht übliche Trauer ist wie nach einem natürlichen Tod, sondern ein Unheil, das diese beiden Schwestern aneinanderschweißt. Die eine treibt es täglich in die Stadt, wo sie an den Protestzügen gegen die Regierung teilnimmt; als "Donnerstagsdemonstrationen" sind diese Kundgebungen in die Geschichtsbücher eingegangen.
Die andere, Mona, hat sich von allen abgewandt. Sie ist das genaue Gegenteil der Schwester, eine Wirklichkeitsflüchtige, nicht greifbar. Dann ist sie plötzlich verschwunden, und die zurückgelassene Schwester beginnt, die leere Wohnung zu fotografieren, Tag für Tag - ebenjene Bilder, die der alte Mann in den Händen hält. Sie sucht Mona in den Straßen Wiens. Das eigene Leben kommt ihr immer leerer vor, wie aufgeklebt. Wie ein Choreograph, der die Bühne mit ihren kuriosen Mustern von oben im Blick hat, zugleich aber aus der Mitte heraus schaut, folgt Thomas Stangl den Schwestern durch die Stadt. Irgendwann greift eine dieser beiden jungen Frauen nach der Waffe eines Polizisten.
Es braucht Ruhe und Geduld, diese langsame, achtsame Prosa zu lesen. "Regeln des Tanzes" gleicht einer Landkarte, die entfaltet einige Tage liegenbleiben muss, mit Lesepausen. Da sind Wege, die man auf den ersten Blick übersah; und Empfindungsspitzen, die überscharfe Porträts liefern, mit den "Schmerzzentren" dieser einsamen Schwestern. Man ist dabei, wenn sie auf ihrer je eigenen Flucht mit sich selbst sprechen, Möglichkeiten abwägen und um den natürlichsten Ablauf von Alltag kämpfen: "Du erfindest eine Spielregel; nichts kann dir geschehen." So formt sich aus den kleinsten Bildpixeln, angestoßen vom Zigarettenrauch oder der Hand in der Jackentasche, die den Schlüssel sucht, eine Folge von Bewegungen. Das Leben als absurder Tanz um eine geheime Mitte - das vermittelt sich hier vor allem über fein zergliederte Satzkaskaden, über Beschreibungen einer aufgebrochenen Stadt, die mit den Innenaufnahmen der Figuren korrespondieren. Das ist der fast körperlich spürbare Effekt beim Lesen dieses Romans. Erklären sie aber die Tat?
Im Kern geht es immer weniger um die geheime Verbindung zwischen dem alten Mann und den Schwestern. Beide Geschichten bleiben lange getrennt. Und doch überlappen sie einander schon vorher, weil sie von der gleichen Bedrängnis erzählen. Alle drei Menschen hatten einmal Ideale - die Arbeit, den Tanz, die Revolution. Dann streicht die Zeit darüber hinweg, dazu eine Katastrophe von außen, und etwas zerbricht. Alles wird gleichwertig. Von diesem Punkt aus streben diese inneren Dialoge weg. Stangl zeichnet aus dem subjektiven Echoraum den fragilen Boden, auf dem wir schwerfällig wandern, bestenfalls tänzerisch. Er zeigt unterschiedliche Möglichkeiten des Widerstands.
Vielleicht führt das, wie die verebbende Demonstration, in eine neue Leere; vielleicht für den Einzelnen in eine Lebensform, die wenigstens durch die Dichte der Empfindungen trägt. Thomas Stangl, der Philosophie und Spanisch studierte, folgt dem Bewusstseinsstrom so konsequent, so radikal, dass diese Abfolge kleinster Lebensmomente selbst zur Kunst wird, die sich betrachten und goutieren lässt - als Roman. Das wäre jenseits von üblichen Glücksversprechern nicht wenig: das von Menschen und Geschichte unabhängige Glück, das sich beim Betrachten der Welt von selbst einstellt, inklusive der Angst, der Resignation, der Trauer über das Ungelebte. In jedem Fall schreibt Thomas Stangl gute Literatur, die bisweilen unbequem an einem zieht und zerrt, die in ihren besten Momenten magisch leuchtet und nicht mit Auflösung dient. Diese über lange Strecken gehaltene Dissonanz ist in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur höchst selten geworden.
ANJA HIRSCH
Thomas Stangl: "Regeln des Tanzes". Roman.
Droschl Verlag, Wien 2013. 278 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Gebundenes Buch
Der Froschkönig-Impuls
«Sollte man alles, was gesagt wird, unter die Knute der Verständlichkeit zwingen»? fragt Niklas Luhmann, der große Sozialwissenschaftler. Aber sicher doch, würde ich antworten, denn Sprache dient nun mal der Verständigung, es ist ihr …
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Der Froschkönig-Impuls
«Sollte man alles, was gesagt wird, unter die Knute der Verständlichkeit zwingen»? fragt Niklas Luhmann, der große Sozialwissenschaftler. Aber sicher doch, würde ich antworten, denn Sprache dient nun mal der Verständigung, es ist ihr eigentlicher Zweck, wo sie unverständlich bleibt, ist sie zwecklos. Was mir noch nie passiert ist als Leser, hier war der Impuls fast übermächtig: Ich hätte das Buch nämlich öfter mal am liebsten gegen die Wand geworfen, so hat mich der Roman «Regeln des Tanzes» von Thomas Stangl frustriert beim Lesen, – um schließlich genervt zwar, aber doch brav durchzuhalten bis zum Schluss. Manchmal kommt da noch was, hofft man ja immer, hier aber leider vergebens.
Im Wien des Jahres 2000 haben «bösartige Gnome» die Macht im Lande übernommen, eine rechtslastige Koalition, die nebenbei auch einen Geburtsfehler der Europäischen Gemeinschaft aufgedeckt hat, denn einen Ausschluss oder ein Instrumentarium von wirksamen Sanktionen gegen einen politisch abgedrifteten Mitgliedsstaat sieht der Vertrag nicht vor. Zwei Studentinnen, die der Uni schon für eine Weile den Rücken gekehrt haben, Mona und ihre fast bis zum Schluss namenlos bleibende Schwester, bewohnen gemeinsam eine von der Mutter finanzierte Wohnung, aus der Mona plötzlich ohne Nachricht spurlos verschwindet. Sie hat sich den Demonstranten gegen die verhasste Regierung angeschlossen, irrt allein ziellos durch Wien, taucht mal hier mal dort in der Menge auf - einmal sieht die Schwester Mona sogar ganz kurz aus der Ferne - ehe sie wieder verschwindet. Es gelingt ihr schließlich, einem jungen Polizisten den Revolver zu stehlen, sie bringt sich damit um. Andrea, ihre Schwester wendet sich später dem Butō zu, einem modernen japanischen Ausdruckstanz, sie tritt in Hinterzimmer-Theatern auf, bewegt sich in einem künstlerischen Untergrund von absoluten Außenseitern.
In einer zweiten Zeitebene der Jetztzeit begegnet uns der dritte Protagonist, Dr. Walter Steiner, ein alternder Kunsthistoriker im Ruhestand, gelegentlich noch als Gutachter tätig, der in gleicher Weise wie die beiden Schwestern ziellos dahin treibt, wie diese ratlos am Rande seiner eigenen Existenz zu stehen scheint, fast wortlos neben seiner Frau Pre her lebend, die ihn schließlich denn auch kommentarlos verlässt, um ihm später lapidar eine kurze Nachricht auf den Anrufbeantworter zu sprechen. Er findet bei seinen ziellosen Streifzügen durch Wien zufällig in einer Mauerspalte zwei Filmrollen mit Fotografien. Er lasst sie entwickeln und trifft mit Hilfe der Fotografien nach langer Suche auf Andrea. Höhepunkt dieses wundersamen Plots ist dann ein gemeinsamer Auftritt der Beiden, bei dem ihm die Butōtänzerin die Kleider vom Leibe schneidet und ihm dann eine trockene Ganzkörperrasur angedeihen lässt, sein Geschlechtsteil eingeschlossen natürlich. Als das Licht angeht, erkennt er im peinlich hüstelnden Publikum unter den 23 Zuschauern Pre, seine Exfrau, eine mich unwillkürlich an Heinrich Manns «Professor Unrat» erinnernde Szene.
Was will mir der Autor sagen mit alldem, fragt sich der ratlose Leser, so er von meinem Schlage ist. Über weite Strecken in Form des Bewusstseinsstroms und ausschweifenden inneren Monologen erzählt, erzeugt Stangl, in einer allerdings klaren, unmanierierten Sprache, völlig verquere Zerrbilder einer Welt, die total kaputt zu sein scheint, in der nichts mehr stimmt und alles sinnlos geworden ist, in der sich seine beziehungsarmen Protagonisten folgerichtig auch nicht mehr zurechtfinden können. Alle drei, nicht nur die Selbstmörderin, erscheinen mir wie Psychopathen, die sich hilflos in einem vom Autor inszenierten Chaos bewegen, das leider völlig unglaubwürdig, weil regelrecht konstruiert ist. Ich war jedenfalls froh, diesem literarischen Alptraum nach knapp dreihundert Buchseiten glücklich entronnen zu sein, habe mir aber geschworen: Künftig werde ich den Wurf an die Wand praktizieren bei derart verkorksten Romanen.
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