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Er sah aus wie ein Hollywoodstar, versprühte grenzenlosen Enthusiasmus und besaß eine unwiderstehliche Medienpräsenz. Kurz: John F. Kennedy brachte alles mit, um jene 70 Millionen US-Bürger nachhaltig zu beeindrucken, die gespannt vor ihren Fernsehgeräten saßen, als erstmals in der Geschichte eine Präsidentschaftsdebatte live übertragen wurde. Nur wenige Tage nachdem er die Wahl mit denkbar knappem Vorsprung gewonnen hatte, erklärte Kennedy selbst: "Es war in erster Linie das Fernsehen, das den Umschwung gebracht hat."Ein Mann sah das anders. Norman Mailer, Autor und Journalist, rühmte sich,…mehr

Produktbeschreibung
Er sah aus wie ein Hollywoodstar, versprühte grenzenlosen Enthusiasmus und besaß eine unwiderstehliche Medienpräsenz. Kurz: John F. Kennedy brachte alles mit, um jene 70 Millionen US-Bürger nachhaltig zu beeindrucken, die gespannt vor ihren Fernsehgeräten saßen, als erstmals in der Geschichte eine Präsidentschaftsdebatte live übertragen wurde. Nur wenige Tage nachdem er die Wahl mit denkbar knappem Vorsprung gewonnen hatte, erklärte Kennedy selbst: "Es war in erster Linie das Fernsehen, das den Umschwung gebracht hat."Ein Mann sah das anders. Norman Mailer, Autor und Journalist, rühmte sich, mit seiner Reportage Superman Comes to the Supermarket Kennedys Wahlkampf entschieden zu haben. Dieser Essay, nur wenige Wochen vor der Wahl im Esquire-Magazin veröffentlicht, erfand die Politberichterstattung neu. In einem neuartigen, unverblümt-respektlosen und stark subjektiven Stil rief Mailer Kennedy darin zum "existenziellen Helden" aus, der die Nation endlich aus dem konformistischen Dämmerschlaf der Eisenhower-Jahre erwecken könne - und machte damit die Bühne frei für Präsident Kennedy und den New Journalism.Nun veröffentlicht und interpretiert TASCHEN Mailers ungeschöntes Porträt von Kennedy auf seinem Weg ins Weiße Haus zusammen mit 300 Fotos, die JFK und seine Familie in den turbulenten Wahlkampftagen des Jahres 1960 zeigen. Die Aufnahmen stammen von einigen der bekanntesten Fotojournalisten der damaligen Zeit, darunter Cornell Capa, Henri Dauman, Jacques Lowe, Lawrence Schiller, Paul Schutzer, Stanley Tretick, Hank Walker und Garry Winogrand. In Kombination mit Mailers Text entsteht so ein faszinierendes Porträt des Mannes, der damals proklamierte, dass die Zeit gekommen sei, um "Großes zu vollbringen".
Autorenporträt
Kein anderer zeitgenössischer amerikanischer Schriftsteller war so vielseitig, brillant, produktiv und umstritten wie Norman Mailer (1923-2007). Mailer ist einer der einflussreichsten Autoren der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er schrieb ein Dutzend Romane, zwanzig Sachbücher, Reportagen, Theaterstücke, Drehbücher und Fernsehserien, Hunderte von Essays, zwei Gedichtbände und eine Sammlung von Kurzgeschichten. Der zweifache Pulitzer-Preis-Gewinner lebte in Brooklyn, New York, und in Provincetown, Massachusetts.

Nina Wiener ist Managing Editor bei TASCHEN und für die Literatur-Reihe des Verlages verantwortlich. Sie hat an rund 200 Büchern zu den Themen Fotografie, Kunst, Geschichte, Design und Populärkultur gearbeitet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.11.2014

26. Ein Land, das Helden hat

Anfang der sechziger Jahre war plötzlich, und, wie wir wissen, viel zu kurz, John F. Kennedy der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika - und dass das, einerseits, das Allerunwahrscheinlichste war, was der amerikanischen Politik geschehen konnte; und dass diese Wahl zugleich geradezu zwingend folgte aus der Geschichte und der Mythologie amerikanischer Helden: Das hat, ein paar Monate vor der Wahl, Norman Mailer absolut schlüssig dargelegt, in seinem Essay (oder ist es eher eine Reportage?) "Superman Comes to the Supermarket", der im November 1960 im Magazin "Esquire" erschien (was man sich, wenn man nur die deutschen Ausgaben amerikanischer Magazine kennt, nur sehr schwer vorstellen kann: zu lang, zu komplex, zu intelligent!).

Als leidenschaftlicher Leser ist man mit sich selbst ja nie ganz einig darüber, was man vom Stil des jungen Mailer halten soll. Er ist, einerseits, ein verdammter Angeber, der mindestens einmal pro Absatz unbedingt vorzeigen muss, was er so alles draufhat an Metaphern und Vergleichen (über die Stadt Los Angeles zum Beispiel: "one has the feeling it was built by television sets giving orders to men.") Und andererseits kann er es halt wirklich - egal, ob er die Fremdheit, ja fast schon die Depression der demokratischen Parteifunktionäre angesichts dieses Kandidaten beschreibt, der das Aussehen und den Habitus eines Filmstars hat und ein Lächeln, das nichts, absolut nichts zu wissen schien von der Ödnis der Parteipolitik; oder ob er, ganz ohne sich bei einer Theorie rückzuversichern, die Notwendigkeit des politischen Helden sehr schön und anschaulich begründet aus dem Bedürfnis der amerikanischen Nation, sich selbst in einer Figur verkörpert zu sehen, und zwar so, wie sie sein wollte, nicht so, wie sie wirklich war. Kennedys Vorgänger, Dwight D. Eisenhower, war das Gegenteil, schreibt Mailer: "Eisenhower could stand as a hero only for the large number of Americans who were most proud of their lack of imagination."

Ob man Mailers Stil und Sound mag oder nicht, der Text ist unbedingt lesenswert - auch weil er nicht unbedingt ungültig geworden ist, bloß weil der Held, nach dem sich 48 Jahre später die Amerikaner ausstreckten, Barack Obama hieß. Man kann diesen Text, schon seit fünf Jahren, nachlesen auf der Website des "Esquire"-Magazins, und dass daraus trotzdem eines der zentnerschweren Bilderbücher aus dem Taschen-Verlag geworden ist: das ist natürlich gleichermaßen sinnlos wie wunderbar. Man kann nicht sagen, dass das Lesen der riesigen Buchseiten bequemer wäre, als wenn man sich Mailers Text im Internet anschaute, zumal "Superman Comes to the Supermarket" auch im Buch nur auf Englisch steht.

Aber wenn man verstanden hat, warum alles Visuelle, der Look, der Habitus, die Inszenierung, für Norman Mailer der Ausgangspunkt aller politischen Überlegungen, ja eigentlich die Basis des politischen Handelns sind: Dann versteht man auch, wozu ein Zentner voller Bilder aus dem 1960er Wahlkampf gut sein kann. Man stellt sich ja Kennedy immer als Marilyn Monroe der Politik vor, tausendmal fotografiert, und jedes dieser Bilder sei so oft beglotzt worden, dass es davon ganz abgenutzt ist. Aber die gute Nachricht dieses Bildbands ist, einerseits, dass das nicht stimmt: ungesehene Fotos, nicht nur von JFK, sondern auch von dem Volk, das ihn dann gewählt hat. Und andererseits stimmt es eben doch, weil Kennedy nicht die Monroe der Politik ist, eher schon ein Filmstar eigenen Rechts, jünger als Cary Grant, ein bisschen ernster als Steve McQueen, nachdenklicher als Robert Redford, aber alles in allem: diese Liga.

Nur die ersten Takte von "Let's Stay Together" singen, das konnte er nicht. Aber das könnte ein Bildband eh nicht angemessen zeigen.

Claudius Seidl

Norman Mailer: Superman Comes to the Supermarket". Taschen, 370 Seiten, 99,99 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.11.2014

Die Erfindung des Messias
Gut fünfzig Jahre nach Veröffentlichung in „Esquire“ erscheint Norman Mailers legendäre Kennedy-
Reportage in deutscher Übersetzung als Coffee Table Book - ein Schwergewicht in jeder Hinsicht
VON WILLI WINKLER
Auch der beste Journalismus braucht eine gute Inszenierung. Mit einer Anzeige wird gerade ein Model gesucht, das bereit ist, voreiner heruntergekommenen Hauptstadt zwei Stunden lang mit einem dicken Buch zu posieren. Obacht aber: „Sie haben möglicherweise Mühe, es zu halten.“ Gage: hundert Dollar.
  Das dicke Buch ist nicht bloß schwer (ge-nau 5,062 Kilo), sondern auch groß, 29 mal 39,5 Zentimeter, richtig groß, denn es enthält einen der Ur-Texte moderner politischer Berichterstattung, Norman Mailers Reportage Superman kommt in den Supermarkt von 1960. Der damals durch seinen Kriegsroman Die Nackten und die Toten bereits weltbekannte Autor – er lässt sich vom Kandidaten bereitwillig auf seine Bücher ansprechen – beobachtete 1960 in Los Angeles, wie die Demokraten John F. Kennedy zu ihrem Präsidentschaftskandidaten wählten. Die Reportage erschien dreieinhalb Monate später im Novemberheft der Zeitschrift Esquire , und sie enthielt eine majestätische Prognose: „Der Mann, den sie da nominierten, war anders als alle Politiker, die sich in der Geschichte des Landes um die Präsidentschaft beworben haben. Wenn er gewählt wird, gelangte er in einem Jahr an die Macht, in dem Amerika der Niedergang droht.“
  Kennedy wurde mit einer hauchdünnen (und teilweise gekauften) Mehrheit ge-wählt und gilt, zumal er drei Jahre später im Amt ermordet wurde, bis heute als Inbegriff jugendlicher, idealistischer Politik. Oder wie es Mailer formuliert: „Er ist ein Kriegsheld, und sein Heldentum ist redlich, sogar außergewöhnlich. Er ist ein Mann, der mit dem Tod konfrontiert war und sich aufgrund einer Kriegsverletzung einer Rückenoperation unterziehen musste, die ihn entweder töten oder seine Kraft wiederherstellen würde; der eine Frau geheiratet hat, deren Gesicht für den Geschmack einer Demokratie, die ihre First Ladies lieber als Herrscherinnen am heimischen Herd sehen möchte, zu sehr die Phantasie beflügelt; ein Mann, der mit dem politischen Selbstmord flirtet, indem er nach Ansicht seiner politischen Altvorderen vier, acht oder zwölf Jahre zu früh zu einer Nominierung stürmt; ein Mann, der eine Woche vor dem Parteitag erklärt, dass die Jungen besser als die Alten geeignet sind, Geschichte zu gestalten.“
  Norman Mailer war aber nicht nur ein wortgewaltiger Dröhner, sondern Schrift-steller, Zeitdiagnostiker, Psychologe, Mah-ner, Lober, Preiser, Schwärmer, Eitelkeitsweltmeister, also ein Journalist, genau genommen der beste, den Nachkriegsamerika aufzubieten hatte. Er genügt sich nicht damit, biedersinnig und allenfalls mit ein bisschen Lokalkolorit aufgehübscht Fraktionskämpfe, Hintertreppen-Deals und durchrauchte Nächte zu schildern, sondern nimmt noch Gelegenheit, das Hotel, in dem der Parteikonvent stattfindet, in Grund und Boden zu dissen, beiläufig den Schauspieler Gregory Peck als Poser zu denunzieren und ohne Not und vor allem ohne Angst vor Platzverschwendung Los Angeles zu besingen: „Und in diesem Land des Niedlichen findet sich Männlichkeit nur in den Barbarismen, den Vulgaritäten, auf den riesigen Werbetafeln, den kreischenden Neonreklamen, dem Brüllen der Tankstellen und riesigen Drugstores in den Farben von Farmzubehör, im Wedeln der Sportwagen, der hochgetunten Karren, der Cabrios.“ Der große Kulturkritiker Theodor W. Adorno würde im Sechseck springen, wenn erLos Angeles derart schamlos besungen sähe: Für ihn ist es „eine Stadt zum Autofahren, die Straßen sind breit, der Verkehr ist nervös und schnell, die Sender spielen lebhafte, plumpsende, kräuselnde, der Pop in den Pop-Melodien ist gut, kein Mensch mit Ehre im Leib würde sich dabei lieben wollen, aber der Sound ist gut, um mit dem Auto zu pendeln, Elektrogitarren und Hawaii-Harfen.“
  Das hat doch alles nichts mit einer politi-schen Reportage zu tun, sagen die festan-gestellten Hausmeister der Wolf-Schneider-Schule für ironie- und konjunktivfreie, aber unbedingt leserfreundliche Serviceprosa, und sie haben selbstverständlich recht. Genau deswegen ist es hohe Kunst geworden oder meinetwegen, wie die Lehre geht, der Beginn des New Journalism von Tom Wolfe, Gay Talese und Hunter S. Thompson. Es ist auch der Beginn der großen amerikanischen Seifenoper, in der jeden Monat ein noch jüngerer, neuerer, radikalerer und haarigerer Politiker als Hoffnungsträger ausgerufen werden muss, weil es sonst ja nichts zu berichten gäbe. Anders gesagt: Die inzwischen etwas nachgedunkelte Lichtgestalt des Baron zu Guttenberg ist eine Spätfolge von Mailers Reportage, für die sich der Autor, da bereits 2007 verstorben, allerdings nicht mehr verantworten muss.
  Mailer hat seinen Kennedy als literarische Figur geschaffen, nach dem Vorbild des von ihm 1957 kreierten „weißen Neger“, dem „Hipster“, und geformt zum „existenzialistischen Helden“.“ Mit Politik, mit solider Berichterstattung hat das wie gesagt nichts zu tun. Aber es ist wie bei den alten Petticoat-Filmen: Niemand braucht sie, und doch ist es ein ewiger Jammer, dass solche Autos und solche Reportagen nicht mehr gebaut werden. Der Platz ist nicht mehr da, und die Begeisterung, einen Kandidaten, selbst wenn er eine jugendliche Erotik ausstrahlt, die weit über die Politik hinausreicht, hochzuschreiben. Das letzte Mal ist das 2008 passiert, als nicht wenige den Messias Kennedy wiederkehren sahen, schwarz diesmal, veränderungsentschlossen, ein Revolutionär mit Namen Barack Obama. Hat nichts geholfen.
  Gut fünfzig Jahre nach ihrer Entstehung feiert Mailers Reportage, ordentlich wissenschaftlich begleitet, ein Comeback als Coffee Table Book . Die Groß-Reportage aus dem Internet zu fischen (esquire.com/features/superman-supermarket), kommt genau 99,99 Euro billiger, um den Preis allerdings, dass es nicht übersetzt, sondern das originale Mailer-Englisch ist und der Ausdruck natürlich nicht die herrlichen zeitgenössischen Fotos, unter anderem von Cornell Capa und Garry Winogrand, bietet.
  Mailer, so groß und berühmt er 1960 schon war, musste übrigens die berufsüb-lichen Schikanen hinnehmen: Die Redakti-on des Esquire änderte die von ihm ge-wählte Überschrift (aus dem „Supermarket“ wurde der seinerzeit schicke „Supermart“), weshalb Mailer viele Jahre nicht mehr für das Magazin schrieb.
  Die Agentur hat offenbar noch immer keine Frau gefunden, die stark genug wäre für den fünf Kilo dicken Mailer. Das Angebot wurde mittlerweile auf zweihundert Dollar erhöht.
JFK. Superman kommt in den Supermarkt . Taschen-Verlag, Köln. 372 Seiten, 99,99 Euro.
Mailers Reportage besingt auch
Los Angeles – ohne Not und ohne
Angst vor Platzverschwendung
„Sein Heldentum ist redlich, sogar außergewöhnlich“: Mailer 1960 über Kennedy.
Foto: Stanley Tretick/Taschen
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