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Drei Jahre nach dem Tod einer der größten zeitgenössischen Künstlerinnen Österreichs würdigt diese Publikation die Zeichnungen und Aquarelle von Maria Lassnig (1919-2014). Bislang völlig unbekannte Blätter erweisen sich in der Schau als Schlüsselwerke - gemeinsam mit Vertrautem erschließen sie neue Einblicke in das vielseitige Werk der international renommierten österreichischen Künstlerin.Es sind tiefgreifende Gefühle, die im Zentrum ihres faszinierenden und autonomen Schaffens stehen. Das Sichtbarmachen von körperlichen Empfindungen und das Nachspüren der Körperwahrnehmung bilden den…mehr

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Produktbeschreibung
Drei Jahre nach dem Tod einer der größten zeitgenössischen Künstlerinnen Österreichs würdigt diese Publikation die Zeichnungen und Aquarelle von Maria Lassnig (1919-2014). Bislang völlig unbekannte Blätter erweisen sich in der Schau als Schlüsselwerke - gemeinsam mit Vertrautem erschließen sie neue Einblicke in das vielseitige Werk der international renommierten österreichischen Künstlerin.Es sind tiefgreifende Gefühle, die im Zentrum ihres faszinierenden und autonomen Schaffens stehen. Das Sichtbarmachen von körperlichen Empfindungen und das Nachspüren der Körperwahrnehmung bilden den Mittelpunkt ihrer Body-Awareness-Arbeiten. Humorvoll und ernst, sehnsuchtsvoll und gnadenlos bannt die Künstlerin ihre Eindrücke auf Papier. Die gefühlte Körperwelt trifft sich dialogisch mit der sichtbaren Außenwelt, mit der Natur oder in der Großstadt. Lassnigs Zeichnungen und Aquarelle nehmen häufig zentrale Themen ihrer Malerei vorweg oder begleiten sie in autonomen Variationen und verdeutlichen ihre zentrale Bedeutung innerhalb ihres künstlerischen OEuvres.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.04.2017

Das Ich als Küchenreibe

Kunst sammelt man doch nicht! Natalie Lettners exzellente Biographie der Malerin Maria Lassnig.

Ihr Leben war fast ein Jahrhundertleben: 1919 wurde Maria Gregorz als uneheliches Kind in einem winzigen Dorf in Kärnten geboren, 2014 starb sie mit 94 Jahren als Maria Lassnig in Wien, als eine der größten Künstlerinnen der Gegenwart. "Ich gehe nicht unter die Erde, bevor ich nicht eine Ausstellung im MoMA habe", hatte sie prophezeit. Und sie hielt Wort. Sie starb Anfang Mai, zwei Monate nachdem ihre fulminante Retrospektive im MoMA PS1 in New York eröffnet worden war. Die Schau war das i-Tüpfelchen einer Künstlerkarriere, die erst so richtig Fahrt aufgenommen hatte, als Lassnig schon über sechzig war.

Warum sie erst so spät zu Ruhm und Ehre kam und was Lassnig auszeichnete, als Malerin wie als Mensch, hat die österreichische Kunsthistorikerin Natalie Lettner in einer kurzweiligen Biographie herausgearbeitet. Sie zeichnet sich weniger durch literarischen Ton aus als vielmehr durch fundierte und differenzierte Analyse: Zum ersten Mal wurde das noch im Aufbau befindliche Lassnig-Archiv umfassend ausgewertet. Die Autorin präsentiert zugleich ein Panorama der Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts.

Dass aus Maria Gregorz Maria Lassnig wurde, lag nicht etwa daran, dass sie den Namen eines Ehemanns annahm. Heiraten kam für sie nie in Frage. Der Nachname stammte vielmehr von dem Bäcker Jakob Lassnig aus Klagenfurt, den ihre mittellose Mutter 1922 ehelichte. Rosig ist Lassnigs Kindheit weder vor noch nach diesem Aufstieg ins Kleinbürgertum. Bis sie sechs ist, lebt sie vernachlässigt bei der Großmutter. Ihr leiblicher Vater hatte keinerlei Bedürfnis verspürt, ihre Mutter zu heiraten. Er sei enttäuscht gewesen, erzählt die Mutter dem Kind, weil sein Baby ein Mädchen und kein Junge war, noch dazu nicht übermäßig hübsch. Maria fühlt sich schuldig, eigentlich an allem, auch an der Vernunftehe mit dem Bäcker, in der die Mutter nicht glücklich wird. Hinzu kommen fehlende Wärme, während der Schulzeit dann prügelnde Mitschülerinnen: Ballast, den Lassnig ihr Leben lang mit sich herumtragen wird. Jahre später, sie hat mittlerweile mehrere Animationsfilme geschaffen, notiert sie: "Filmidee, über meine Jugend: Huhn wird gejagt von einer Ecke zur andern, bis es in ein Messer rennt. Gelächter im Hintergrund".

1940, mitten im Krieg, beginnt sie ein Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Lassnig sei während der NS-Zeit eine "typische Mitläuferin" gewesen, schreibt Lettner, unpolitisch, angepasst, eine strebsame und hochbegabte Studentin. Gemalt habe sie "immer schön bräunlich", so Lassnig selbst. Als sie doch beginnt, vorsichtig mit Farben und einem expressiveren Stil zu experimentieren, muss sie die Klasse wechseln. "Sie malen ja ganz entartet", soll der Lehrer ihr vorgeworfen haben. 1945 schließt sie das Studium ab.

Mühsam erkämpft sich die Malerin in den folgenden Jahrzehnten ihren Platz in einer von Männern und Machos beherrschten Kunstwelt. In ihren frühen Werken arbeitet sie sich an der Moderne ab, experimentiert mit Kubismus, Surrealismus, Informel und findet dann zu einem Stil, der zwischen Realem und Irrealem changiert. Mit 41 Jahren zieht sie nach Paris, acht Jahre später weiter nach New York. Es ist das Faszinosum dieser Biographie, dass man beim Lesen beinahe übersieht, wie die Protagonistin älter wird. Lassnig blieb ihr Leben lang Jugendliche. Nie nistete sie sich in einer klassisch-bürgerlichen Existenz ein, immer wagte sie Neues, in der Kunst wie im Leben. Ihr Ich war äußerst wandelbar, die Künstlerin erscheint in ihren endlosen Selbstporträts als Knödel, Küchenreibe, Zitrone, zuckerbäckerfarbenes Monster, Superwoman und als schonungslos auf die Leinwand gebannte nackte, vom Alter gezeichnete Frau. Das große Thema ihres Schaffens lautet "Body-awareness", Körperbewusstsein. Lassnig malte nicht einfach ihren Körper, wie er aussah, sondern vor allem, wie er sich anfühlte, wie er brannte, drückte, zog.

1980, sie ist gerade 60 Jahre alt, wird sie an die Hochschule für angewandte Kunst in Wien berufen, als erste Professorin für Malerei in Österreich. Mit den achtziger Jahren setzt dann endlich der ganz große Erfolg ein: Sie gestaltet zusammen mit der zwanzig Jahre jüngeren Performance-Künstlerin Valie Export den österreichischen Pavillon auf der Biennale in Venedig, erhält den Großen Österreichischen Staatspreis, präsentiert ihre Werke auf der documenta und auf großen Retrospektiven und erhält 2013 für ihr Lebenswerk den Goldenen Löwen der Venedig-Biennale.

"Als Malerin glaube ich nicht, feministische Statements gemacht zu haben, außer dass ich überhaupt durchgehalten habe." Zumindest mit dem zweiten Teil des Satzes - einige ihrer Bilder können durchaus feministisch gelesen werden - hat Lassnig den Kern der Sache getroffen. Ihr Leben selbst war ein überragendes feministisches Statement, und ihr erst so spät einsetzender Ruhm hängt wesentlich damit zusammen, dass es Frauen in der Kunst viel schwerer hatten als Männer.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Der Künstlerin Maria Lassnig stand, das weist Lettner nach, nicht allein ein patriarchales System im Weg, sondern auch der Mensch Maria Lassnig. Sie war hochsensibel, alles ging ihr sofort an die "Herzfasern", sie hatte autistische Züge, war gesellschaftsscheu, zweifelte an sich und anderen, misstraute vielen, besonders Galerien, Museen und Sammlern. Das Wort "sammeln" ist ihr "eh immer ganz verdächtig vorgekommen. Mein Gott, man kann Bierflaschen sammeln, Bierdeckel sammeln, so etwas, aber keine Kunst." Sie war stets besorgt um den Verbleib ihrer Bilder. Eine Galeristin erinnert sich, dass man irgendwann das Gefühl hatte, "Sammler müssten sich mit Lebenslauf vorstellen", um von ihr kaufen zu dürfen. Als ein wichtiges Museum weitere Arbeiten erwerben will, kommentiert sie: "Die haben jetzt wirklich genug, das reicht jetzt. Was wollen die denn mit so vielen Bildern?"

Lange und tiefe Beziehungen zu Männern ging Lassnig nie ein. Sie empfand sie als Hindernis für die Kunst, fürchtete, sich in ihnen zu verlieren. Das war die Kehrseite der ewig Jugendlichen: Sie konnte die Geister der Vergangenheit, ihr tiefes Misstrauen in zwischenmenschliche Bindungen und ein erschüttertes Selbstvertrauen, nie abschütteln. Natalie Lettner ist es gelungen, ein plastisches Porträt dieser ambivalenten Jahrhundertkünstlerin zu zeichnen, die für ihren Erfolg einen hohen Preis zahlen musste. Als sie mit 94 Jahren starb, hatte sie alles erreicht, was sie wollte. Nur: Sie war allein, hatte niemanden, der zu ihr gehörte. "Ich bin zu Tränen gerührt, wenn mich ein Kind streichelt oder eine Katze umstreicht", sagte sie einmal. Und: "Es tut mir um jeden Kuss leid, den ich nicht gegeben habe."

KATHARINA RUDOLPH

Natalie Lettner:

"Maria Lassnig".

Die Biographie.

Christian Brandstätter Verlag, Wien 2017. 400 S., Abb., geb., 29,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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