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Zwei Stadtneurotiker im Spontanurlaub
In seinem neuen Roman erzählt Michael Kumpfmüller von einer Frau und einem Mann, die beschließen, gemeinsam zu verreisen. Was ist ungewöhnlich daran? Die beiden kennen sich kaum. Das Einzige, was sie wissen: Sie fühlen sich zueinander hingezogen. Eigentlich kann es mit ihnen nichts werden, aber vielleicht ja doch. Auf der Reise wollen sie es ergründen.
Sie begegnen sich auf einer Hochzeitsparty - und bleiben aneinander hängen: die Kunstschneiderin Ora und der Erzähler des Romans. Beide sind Experten in Liebeskatastrophen und allenfalls gemäßigt
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Produktbeschreibung
Zwei Stadtneurotiker im Spontanurlaub

In seinem neuen Roman erzählt Michael Kumpfmüller von einer Frau und einem Mann, die beschließen, gemeinsam zu verreisen. Was ist ungewöhnlich daran? Die beiden kennen sich kaum. Das Einzige, was sie wissen: Sie fühlen sich zueinander hingezogen. Eigentlich kann es mit ihnen nichts werden, aber vielleicht ja doch. Auf der Reise wollen sie es ergründen.

Sie begegnen sich auf einer Hochzeitsparty - und bleiben aneinander hängen: die Kunstschneiderin Ora und der Erzähler des Romans. Beide sind Experten in Liebeskatastrophen und allenfalls gemäßigt optimistisch. Aber sie spüren: Dieser neue Mensch interessiert mich. Da ist etwas, das ich ausprobieren will - mit allen Konsequenzen. »Tage mit Ora« erzählt davon, wie die beiden sich auf den Weg machen. Zwei Wochen USA, Westküste, mit dem Mietwagen. Die Stationen ihrer Reise: Orte aus Oras Lieblingssong »June On The West Coast« von Bright Eyes. Mehr Planung gibt es nicht. Mit wunderbarer Leichtigkeit und zärtlichem Humor führt Michael Kumpfmüller vor, was passiert, wenn zwei Stadtneurotiker Spontanurlaub machen. Und sich in fremder Umgebung Schritt für Schritt aufeinander einlassen. Ihr Road Trip wird zu einer Woody-Allen-artigen Komödie des sich Findens und Verfehlens, über deren Ausgang am Ende nur der Leser entscheiden kann.
Autorenporträt
Michael Kumpfmüller, geboren 1961 in München, lebt als freier Autor in Berlin. Im Jahr 2000 erschien mit dem gefeierten Roman »Hampels Fluchten« seine erste literarische Veröffentlichung, 2003 sein zweiter Roman »Durst« und 2008 »Nachricht an alle«, für den er vor dem Erscheinen mit dem Döblin-Preis ausgezeichnet wurde. »Die Herrlichkeit des Lebens« wurde 2011 zum Bestseller und von der literarischen Kritik hochgelobt. Mittlerweile ist der Roman in 27 Sprachen übersetzt und 2024 unter der Regie von Georg Maas und Judith Kaufmann verfilmt worden. Zuletzt erschienen bei Kiepenheuer & Witsch die Romane »Tage mit Ora« (2018), »Ach, Virginia« (2020) und »Mischa und der Meister« (2022).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.08.2018

LITERATUR
Breite Augen
In seinem neuen Roman „Tage mit Ora“ spendiert Michael Kumpfmüller einem frisch verliebten Paar einen Trip durch Kalifornien.
Aber die bösen Geister, die in den beiden spuken, machen ihnen einen Strich durch die Rechnung. Und dem Autor auch
VON HUBERT WINKELS
Liedern lauscht man ergriffen, mitgerissen oder betört, wenn sie einen unvermittelt ins Mark treffen. Man summt sie mit, man tanzt, oder, am besten: Man singt sie mit, oder, am allerbesten, man singt sie zu zweit mit. Das gehört zu den Herrlichkeiten des Lebens. Des Lebens, und nicht des Schreibens oder Erzählens. Denn die Herrlichkeit des Lebens gehört zur Sphäre des Unsagbaren. Übersetzt in Prosa ist die Herrlichkeit hin, im besten Fall ist sie eine herrliche Prothese.
Michael Kumpfmüllers neuer Roman „Tage mit Ora“ folgt einem Popsong. Zwei nicht mehr ganz junge Liebende hören ihn unterwegs auf ihrer Reise im Fiat 500 X City Look. Sie fahren die amerikanische Westküste hinunter, grob gesagt von Seattle im Norden bis San Diego an der mexikanischen Grenze, und nach einem Abstecher Richtung Phoenix, Arizona, nach Los Angeles zum Flughafen. Diese Reise erzählt der Roman, die Reise möchte er sein. Die Orte, an denen der Ich-Erzähler und seine Geliebte Ora haltmachen, sind nicht die genannten Großstädte, sondern abgelegene Kaffs in der Nähe, die sie nur aus ihrem Lieblingssong kennen: „June on the West Coast“ heißt er. Der melancholische Pop-Lyriker Conor Oberst singt darin von Natur, Jahreszeiten, Tod und Liebe in Winnetka, Mesa, Olympia, San Diego. Seine Band heißt Bright Eyes, und man muss deshalb leider öfter an den gleichnamigen Song von Art Garfunkel denken, auch wenn Song und Roman so kitschig denn doch nicht sind, obwohl beide mit eben dieser Verführung zum Gefühligen schwer zu kämpfen haben. Es ist recht eigentlich ihr Thema. Der lange Text des Songs, die Lyrics also, beenden übrigens den Roman; der dadurch auch so etwas wie einen Wettstreit bietetˋ – wer wohl am besten sänge – zwischen Prosa, Lyrik und Gesang.
Ora also und der Ich-Erzähler im Fiat. Sie ist Mitte vierzig, er Mitte fünfzig, beide vom Leben gezeichnet, nein: beschädigt. Sie haben sich, bedeutungsreich, auf einer Hochzeit kennengelernt und büxsen bei erster Gelegenheit aus ins Land der Liebe, das bekanntlich nicht von dieser Welt ist: die Insel der Seligen, der Wald bei Athen in Shakespeares „Sommernachtstraum“, Kythera, die Insel der Aphrodite, oder eben Olympia bei Seattle bei den Bright Eyes.
„Niemand ist eine Insel“, heißt es bei John Donne. Seit einigen Jahrhunderten Liebe als Passion könnte es ergänzend heißen: Nur Liebende sind eine Insel. Doch wer das Glück und die Herrlichkeit dieser Insellage erzählen will, der bekommt es mit echten Problemen zu tun, solchen des Lebens und solchen der Literatur. Denn das Schönste ist das Nicht-Sagbare, weil: der Nicht-Aufschub, die erfüllte Gegenwart. Die Dramaturgie des Lebens schreibt der Liebe die Endlichkeit und damit den Tod ein. Gute Literatur verdeckt diesen Riss selbst in ihren luftigsten Versuchen nicht, weder in Tucholskys „Rheinsberg“ noch in Max Frischs „Montauk“. Und auch Kumpfmüller tut das nicht, aber er ist doch so sehr ein Erzähler nach der Moderne, dass er dies vorzüglich im Zitieren von anderer Literatur nicht tut. Und er vermeidet es durch seine unaufdringliche, aber intrikate Erzählperspektive.
Doch zuerst zum Trip der Liebenden: Wir folgen dem Blick des verliebten Ich-Erzählers, der nicht so richtig weiß, wer er selbst ist. Erst recht nicht, seit ihn seine erfolgssüchtige Ehefrau Lynn Knall auf Fall verlassen hat. Lynn, wir erinnern uns, hieß die Begleiterin Frischs bei der Reise an der amerikanischen Ostküste, nach Montauk. Und die Geliebte des Innenministers in Kumpfmüllers Roman „Nachricht an alle“.
Lynn, das Gestern, hat schlechte Karten im Roman, Ora, die reine Gegenwart, die guten. Wenn sie lacht, ist alles gut, löst sich alle Qual, die war, in herrlichste Jetzigkeit auf. Man darf das Motiv mystisch nennen. Denn Kumpfmüller verstreut die Spuren des religiösen Verlangens so überdeutlich im Text, dass der Genuss der Vereinigung und des Augenblicks fast ohne Scham ins Göttliche gezogen werden kann. Ora ist auch der Imperativ von orare, beten, und der Roman ein Song für die Angebetete, eine Beschwörung. Nachts, wenn sie über gefährliche Klippen ins dunkle Wasser steigt und heraus, heißt es: „Puh, machte sie. Oh, der Mond. Die junge Göttin im Mond, so sah sie aus, wenn Sie verstehen.“ Das ist in leichtem Ton verpackt, doch man kann nicht nicht an Botticellis „Geburt der Venus“ denken. Überhaupt ist dieses Liebeslied ein heidnisch frommes, wie soll es anders sein in „the sun of Winnetka, California / Where they understand the weight of human hearts“.
Doch auch Ora ist eine Beschädigte. Sie hat einen Sohn zu Hause, Jasper, und einen Mann, der nicht mehr da ist. Und nicht zu überlesen ist, dass unsere Liebenden sich auf der initialen Hochzeit vor allem füreinander interessiert haben, weil sie dieselben Tabletten regelmäßig nehmen, starke Psychopharmaka, Antidepressiva, damit sie sich so fühlen wie die normalen Leute, die diese nicht nehmen, wie es heißt.
An dieser Stelle offenbart der Roman eines seiner beiden Risiken. Das erste ist die Nähe zur Idylle, zu ihrer Überzeichnung im Pathos. Wo Tucholsky der Gefahr im rauen Slang begegnet, bemüht sich Kumpfmüller um höhere Ironie, Reflexion und plötzliche Wendungen ins Lapidare. Das gelingt ihm im großen Ganzen. Schwieriger wird es beim zweiten Risiko, das von den aufgerufenen Beschädigungen ausgeht. Deren Darstellung könnte ja auch vom Pathos entlasten. Kumpfmüller aber hat sich etwas mickrig für kursorische Reprisen einiger pathologischer Symptome entschieden. So hat sein Ich-Erzähler – er ist wie Ora in psychologischer Betreuung – eine Sehnsucht, von Balkonen oder Brücken zu springen, ist also chronisch suizidgefährdet. Kein Höhepunkt ohne Absturzlust.
Ora wiederum sieht immer mal wieder the beast, die chimärische Verkörperung der Depression. Die beiden können das sogar wechselseitig erkennen und anerkennen, doch es wird daraus nicht mehr als ein allzu flüchtig gesetzter Kontrapunkt zum lovegame. Von da ist es nicht weit zur eigentümlichen Erzählperspektive des Romans. Der Ich-Erzähler adressiert sein Reden immer wieder an eine konkrete Person oder Instanz, die er aufzuklären gedenkt, der die Intensität seiner Liebesgegenwartsbeschreibung gilt. Möglich, dass es (auch) schlicht die Leser sind, gewiss ist es die Psychotherapeutin, die ihn seit Langem behandelt und ihn durch seine Liebesunglückswirren zu navigieren sucht.
Zu Beginn des Romans erinnert sich der Erzähler daran, dass diese Therapeutin, sagen wir kurz: sein institutionelles Über-Ich, eher unterschwellig seine neue Liebe mit Ora nicht gutheißt, was er übersetzt in: „Sag Nein zu ihr, flüsterte sie. Sie ist nicht gut für dich, ich bin für dich gut; du darfst mit dieser Frau nicht reisen, reise lieber weiter mit mir.“ Sie will ihm Lebensmut machen mit Nein-Sagen und für das Nein-Sagen. Blöderweise tut der Patient das Gegenteil und übt sich ins Ja-Sagen: Dieses Ja-Sagen ist der Roman. Und er ist auch ein Sendschreiben an die Therapeutin und die Gesellschaft, die sie verkörpert. Sie wollen ihn als kritisch- skeptischen Zeitgenossen, nicht weggetreten in love.
Die Liebesglück-Roadnovel hat, durch gute Dialoge, witzige Aperçus und gelegentliche Selbstironie mitreißende Züge. Gut und einfach gebaut ist sie auch: dreizehn Tage, dreizehn Orte / Strecken, dreizehn Kapitel. Manchmal überstrapaziert Kumpfmüller die Motive transzendenten Sehnens, oft gelingt ihm aber der unbedingt gewollte leichte Ton. Nur die Überwindung der Schwerkraft der beschädigten Normalverhältnisse inszeniert er zu schematisch. Die depressiven Figuren des Nein sind in den kalifornischen Glückskindern so gut wie ausgelöscht. Es findet weniger eine Verwandlung als eine Abkehr vom alten Leben statt. Deshalb muss man am Ende um die Rückkehrer aus Los Angeles fürchten. Unter der Sommer-Sonnen-Liebesgeschichte schlägt dann doch „my so badly broken heart“ (Bright Eyes).
Sie ist Mitte vierzig, er Mitte
fünfzig, beide vom Leben
gezeichnet, nein: beschädigt
„I spent a week drinking the sunlight of Winnetka, California / Where they understand the weight of human hearts“ – so beginnt der Lieblingssong des Erzählers und seiner Geliebten. Sie reisen zu den Orten, die sie aus dem Lied kennen, auch nach Winnetka in der Nähe von Los Angeles.
Foto: Stephanie Diani / Bloomberg News
Michael Kumpfmüller: Tage mit Ora. Roman. Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2018. 180 Seiten, 19 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.2018

Wir sind beide Zitterkinder

In seinem neuen Roman "Tage mit Ora" schickt Michael Kumpfmüller ein Paar, das sich kaum kennt, auf einen Roadtrip durch Amerika und erzählt die Geschichte einer Annäherung

Tage mit Ora" verspricht der Schriftsteller Michael Kumpfmüller in seinem neuen Roman und scheint damit schon sehr genau anzukündigen, was den Leser erwartet. Denn um was anderes als eine große Liebe kann es sich handeln, wenn so romantisch und sehnsuchtsvoll einer offenbar begrenzten Zeit mit einer Frau gedacht wird, dass ihr ein ganzes Buch gewidmet wird? Doch alle, die sich keinen Illusionen mehr hingeben und gelungene Zweisamkeit für einen vorübergehenden Trugschluss halten, können sich freuen: Dieses Buch ist nichts für Romantiker.

Ein Mann lernt eine Frau auf einer Hochzeitsfeier kennen, sie bleiben in Kontakt, bekunden unverbindlich Interesse aneinander und machen nach wenigen Monaten eine Reise, ohne viel voneinander zu wissen, ohne sich schon einmal berührt zu haben, ohne dass überhaupt klar ist, ob es darum geht, eine Liebesbeziehung zu dem anderen aufzubauen. Sie planen einen Roadtrip durch Amerika, entlang jener Orte, die in einem Song der Lieblingsband Oras genannt werden. Er habe diese Idee charmant gefunden, schreibt der Mann und Ich-Erzähler, um sich dann korrigierend an den Leser zu wenden: "Okay, sie war bescheuert, aber wissen Sie, wie wenig mich das störte?" Die Ansprache an den Leser ist ein Stilmittel, das in dem Buch immer wieder auftaucht, zumeist nicht überzeugt, an dieser Stelle aber einigermaßen treffend ist: Es braucht die Brechung dieser Phantasie Oras, die sonst ein wenig zu sehr nach einer jugendlichen Schwärmerei geklungen hätte.

Wenig vertraut sind sie einander, als sie aus dem Flugzeug aussteigen und die Reise mit dem Auto beginnt. Mit jedem Tag, der vergeht, kommen sie sich in zarter Neugier ein bisschen näher, sie essen das erste Mal zusammen, erzählen von sich, übernachten vorerst in Einzelzimmern, aber wachsen durch das gemeinsame Reisen zaghaft zusammen. Alles vollzieht sich friedlich, ohne jede Aufregung, so wie alles, was zwischen ihnen geschieht, beiläufig ist, erwachsen - "gebraucht", wie der Mann einmal schreibt: "man sah die Gebrauchsspuren, dass sie eine gebrauchte Frau war, so wie ich ein gebrauchter Mann, aber ich mochte, wenn etwas gebraucht war".

Der Blick des Mannes, durch den der Leser die Geschichte sieht, dominiert das Geschehen, er bleibt bei sich und in sich, unternimmt nicht einmal den Versuch, sich vorzustellen, was in Ora vorgeht. Das reduziert auf irgendwie angenehme Weise Komplexität, umso mehr, als beide Protagonisten depressive Naturen sind, die ihre Neurosen mit Tabletten behandeln und die ganze Schwere des Lebens mit sich herumtragen. "Wir waren beide Zitterkinder", schreibt der Mann, der immer wieder mit dem Gedanken spielt, vom Balkon zu springen, während Ora sich in ihre Höhle verkriecht und der Überzeugung ist, dass niemand sie glücklich machen kann.

Doch das Glück kommt trotzdem angeschlichen, klopft leise an ihrer Tür, vielleicht. Scheinbar ohne dass sie es merken, werden Ora und der Mann liebevoller, geben, beide seelisch schwer bepackt, zunehmend aufeinander acht. Schließlich hören sie auf, in Einzelzimmern voreinander zu fliehen, teilen das Bett, verbringen Nächte miteinander und geben ihrem Zusammensein eine neue Dimension. Auch hier bleibt Kumpfmüller seinem leichten Erzählstil treu, beschreibt die Dinge unaufgeregt, manchmal selbstironisch, ohne der Geschichte ihre Besonderheit zu nehmen.

Die Erzählung ist flüchtig, die Bilder bleiben trotzdem haften, vielleicht weil das, was sie beschreiben, so nah am Leben ist. Der Ich-Erzähler stellt mit seinen Anfang fünfzig keine Fragen mehr - warum diese Frau, warum diese Reise, warum jetzt. Warum nicht.

Dass er sie liebt, sagt er nie. Ob sie in ihn verliebt ist, fragt er sie schon. Die Frau offenbart sich, der Mann hält sich mit Gefühlsbekundungen zurück - hier zeigt sich eine Facette der klassischen Rollenaufteilung zwischen den Geschlechtern, aber auch das nur flüchtig. Viel zu sehr sind beide Protagonisten mit sich selbst beschäftigt, mit dem, was sie zu tragen haben, mit ihren Versuchen, die dann doch etwas Sehnsuchtsvolles haben, einen Weg aus ihren seelischen Sackgassen zu finden, einander näherzukommen und an die Liebe, die zwischen ihnen entsteht, zu glauben. "Lieben war Drecksarbeit, eine elende Plackerei", schreibt der Mann.

Man mag ihm und Ora gerne dabei zusehen, denn Kumpfmüller nimmt ihrem Leben nichts von der Schwere, erzählt es aber leicht. Dabei unterläuft ihm allerdings auch die ein oder andere Ungenauigkeit, etwa, als er Ora einmal als "schmal" beschreibt, dann als "kompakt" und "kräftig". Durch seinen gänzlichen Verzicht auf Anführungszeichen und überwiegend auch der expliziten Kennzeichnung der Sprechperson wird außerdem manchmal nicht klar, wer was sagt - war es Ora, war es der Mann, waren es nur Gedanken des Mannes?

Wer gerade unter depressivem Liebeskummer leidet oder generell zu den pessimistisch-ironischen Zweiflern gehört, wird diesen von jeglicher Naivität freien Text gerne in die Hand nehmen. Kumpfmüllers Roman besticht durch seine Unaufdringlichkeit. Er spaziert, in sich ruhend, irgendwo mittendrin in das Leben dieser beiden Menschen hinein und eine Weile später wieder hinaus. Sein Buch ist wie eine Fotografie aus einem fahrenden Zug. Das Ende mag für Abgeklärte fast schon zu zuversichtlich sein, aber doch so zaghaft, dass es selbst depressive Seelen zu trösten vermag.

HANNAH BETHKE

Michael Kumpfmüller: "Tage mit Ora". Roman, Kiepenheuer & Witsch, 179 Seiten, 19 Euro

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»Kumpfmüller nimmt [dem] Leben nichts von der Schwere, erzählt es aber leicht [...]. Kumpfmüllers Roman besticht durch seine Unaufdringlichkeit« Hannah Bethke FAS 20181104