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Wilbur will sich umbringen. Weder sein Verstand noch sein Charme, der insbesondere auf Frauen eine besondere Anziehungskraft ausübt, kommen gegen seine abgrundtief pessimistische Lebenseinstellung an: Lieber wäre er heute schon tot, als morgen noch lebendig. Sein unverbesserlich optimistischer Bruder Harbour hat sich deshalb Wilburs Wohlergehen zur Lebensaufgabe gemacht. Die exzentrischen Brüder leben in Glasgow über der heruntergewirtschafteten Second-Hand-Buchhandlung "North Books" - dem einzigen Erbe von ihrem kürzlich verstorbenen Vater. Nach einem weiteren Selbstmordversuch Wilburs…mehr

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Produktbeschreibung
Wilbur will sich umbringen. Weder sein Verstand noch sein Charme, der insbesondere auf Frauen eine besondere Anziehungskraft ausübt, kommen gegen seine abgrundtief pessimistische Lebenseinstellung an: Lieber wäre er heute schon tot, als morgen noch lebendig. Sein unverbesserlich optimistischer Bruder Harbour hat sich deshalb Wilburs Wohlergehen zur Lebensaufgabe gemacht. Die exzentrischen Brüder leben in Glasgow über der heruntergewirtschafteten Second-Hand-Buchhandlung "North Books" - dem einzigen Erbe von ihrem kürzlich verstorbenen Vater. Nach einem weiteren Selbstmordversuch Wilburs befinden Harbour, der zynische Krankenhaus-Psychologe Horst und vor allem die Oberschwester Moira, dass Wilbur eine Freundin braucht. Doch kurz darauf ist es nicht Wilbur, sondern der ältere Bruder, der die Liebe und sein Glück findet - wäre da nicht ein todtrauriges Geheimnis, das er nicht mehr lange für sich behalten kann...

Bonusmaterial

Beil.: Booklet
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.09.2003

Der Tod und das Märchen
Bruderliebe: Lone Scherfigs traurig-tröstliche Filmkomödie "Wilbur wants to kill himself"

Daß schwarzer Humor allein den Briten zusteht, diese landläufige Ansicht taugt als Dogma nur bedingt. Auch Dänen können es - wenn sie es können. Schon in ihrem tragikomischen Dogma-Film "Italienisch für Anfänger" ließ die dänische Regisseurin Lone Scherfig den Blick auf die Mühseligen und Beladenen dieser Welt nie vom Tränenflor des Mitleids trüben. Aber erhaben über Glück und Unglück ihrer Figuren gab sie sich deshalb nicht. Mochten die Käuze, die Lone Scherfig paradieren ließ, sich auch noch so seltsam gebärden - dem denunziatorischen Gelächter preisgegeben wurden sie in keinem Fall.

Genau dieses feine Gespür für die notwendige Balance zwischen Distanz und Nähe, Schmerz und wie von ungefähr befreiendem Lachen zeichnet auch Lone Scherfigs Film "Wilbur wants to kill himself" aus, eine dänisch-schottische Produktion von 2002, deren Titel im Grunde schon die ganze Geschichte umfaßt. Wilbur, ein etwas abgerissen wirkender junger Mann, der gleichwohl eine fast magische Anziehungskraft auf das schöne Geschlecht ausübt, wobei sich nie richtig feststellen läßt, ob es mehr erotisches Begehren oder mütterliches Verlangen ist, was die Frauen zu ihm hinzieht - dieser Wilbur also gibt sich fest davon überzeugt, daß er es nicht verdient hat, am Leben zu sein. Sein älterer Bruder Harbour hingegen sieht genau darin seine Lebensaufgabe, den Bruder fortdauernd am Selbstmord zu hindern und ihm unabweisbare Gründe dafür zu liefern, daß es sich auch für Wilbur zu leben lohnt.

Für ihr Drehbuch hat sich die Regisseurin der Mitarbeit von Anders Thomas Jensen versichert, der schon mit seiner Vorlage für Susanne Biers Film "Open Hearts" beweisen konnte, wie psychologisch sorgsam er Figuren in ihren ungeahnten Abgründen auszuloten versteht. So ist, obwohl das Geschehen um Wilbur die letzten Dinge Leben, Tod und Liebe verhandelt, eine Tragikomödie entstanden, die überhaupt nicht dröhnend daherkommt, niemals auftrumpft und ein Lachen provoziert, das nicht dazu angetan ist, im Hals steckenzubleiben.

Ob Wilbur, mit grimmig-abweisendem Charme gespielt von Jamie Sives, den Gashahn aufdreht, sich einen Strick um den Hals windet, die Pulsadern öffnet oder in ein Wasser geht, das nicht tief genug ist - immer kommt ihm das Schicksal, das meist den Namen seines nimmermüden Bruders Harbour (Adrian Rawlins) trägt, in die Quere. Daß Wilbur von seinem Vermieter die Tür gewiesen bekommt, weil er zu fahrlässig mit dem Gas umzugehen pflegt, ist Harbour gerade recht. So kann er den Bruder ohne dessen Widerwort zu sich in die Wohnung über seinem Secondhand-Buchladen in einem wenig anheimelnden Viertel Glasgows holen, einem Geschäft, das er vom kürzlich verstorbenen Vater geerbt hat und ohne Aussicht auf Gewinn betreibt.

Auch Alice, eine vom Leben gleichfalls gebeutelte junge unverheiratete Frau und deren kleine Tochter Mary ziehen bei Harbour ein, dessen Fürsorglichkeit keine Grenzen kennt und nur Gefahr läuft, fälschlich für Liebe gehalten zu werden, vor allem von ihm selbst. Diese Alice, hinreißend verhuscht und anschmiegsam zugleich, verkörpert von Shirley Henderson, bringt einen so eigenen Ton in die Geschichte - ein bißchen Schwermut und ein wenig Resignation, eine verzagte Portion Selbstbehauptungswillen und ein gut Teil Stehvermögen -, daß man einen solch eigentümlichen Schwebezustand kaum in Worte fassen kann. Schon wie sie an Harbour gerät, ist ganz wunderbar ersonnen: Alice arbeitet als Putzfrau im Hospital, sammelt die von den Patienten zurückgelassenen Bücher ein und verscherbelt sie im Laden "North Books".

Harbour wird Alice heiraten - und Wilbur, der bisher alle Avancen weiblicherseits brüsk abwies, wird die ihn verstörende Erfahrung machen, daß man sich zu einer Frau auch hingezogen fühlen kann. Und dann dreht sich unversehens die Konstellation, dann wird Harbour mit der Diagnose konfrontiert, lebensbedrohlich an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt zu sein, und Wilbur wird wider Willen und erleichtert zugleich in die Rolle dessen gedrängt, der Leben bewahren muß, statt es zu zerstören.

Seit langem hat es keinen Film im Kino gegeben, der so unaufwendig und wahrhaftig von der grenzenlosen Verletzlichkeit des Menschen erzählt - und von dessen Vermögen, sich gleichwohl für Momente das Glück zu bewahren. "Hast du ein riesiges weißes Licht gesehen?" fragt Harbour, damals noch gesund, irgendwann seinen Bruder, nachdem er ihn wieder einmal dem Tod abspenstig machen konnte. "Da ist nichts", antwortet Wilbur, "nur Schwärze und völliges Schweigen." Und wie beiläufig hängt er den entscheidenden Satz an, der von der Kunst Lone Scherfigs kündet, allfällige Rührung gewitzt zu meiden: "Es ist ein bißchen so, wie in Wales zu sein."

HANS-DIETER SEIDEL

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