Mit sorgsam inszenierten Instagramfotos nehmen die Models Carl (Harris Dickinson) und Yaya (Charlbi Dean) ihre Follower auf eine Reise durch ihre perfekte (Mode-)Welt mit - und zwar rund um die Uhr. Als das junge Paar die Einladung zu einer Luxuskreuzfahrt annimmt, treffen sie an Bord der Megayacht auf russische Oligarchen, skandinavische IT-Milliardäre, britische Waffenhändler, gelangweilte Ehefrauen und einen Kapitän (Woody Harrelson), der im Alkoholrausch Marx zitiert. Zunächst verläuft der Törn zwischen Sonnenbaden, Smalltalk und Champagnerfrühstück absolut selfietauglich. Doch während des Captain's Dinners zieht ein Sturm auf und das Paar findet sich auf einer einsamen Insel wieder, zusammen mit einer Gruppe von Milliardären und einer Reinigungskraft (Dolly De Leon) des Schiffes. Plötzlich ist die Hierarchie auf den Kopf gestellt, denn die Reinigungskraft ist die Einzige, die Feuer machen und fischen kann.
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Interviews mit Regisseur Ruben Östlund und Schauspielerinnen Trailer WendecoverRuben Östlund erzählt in "Triangle of Sadness" vom bösen Ende einer Luxuskreuzfahrt. Sein Film lässt uns über die Reichen und Schönen lachen. Aber es ist eine erpresste, unfrohe Komik.
Wenn man auf die Kinoerfolge von früher zurückblickt, wundert man sich oft, wie rasch und gründlich der Lack ihres Ruhms abgeblättert ist. Gab es vor zehn Jahren wirklich nichts Besseres als "Ziemlich beste Freunde"? Und was ist aus den Wohngemeinschaftsfilmen der Achtziger-, den Disco-Epen der Siebzigerjahre geworden? Aber die soziale Frage, im Unterschied der Hautfarbe gespiegelt, war eben ein Thema des vergangenen Jahrzehnts, so wie es die Generationenfrage in den Achtzigern und die sexuelle Revolution in den Sechzigern waren. Die Kurzlebigkeit, der flüchtige Reiz der Geschichten gehört zu den Stärken des Kinos. Das Spiel mit dem Zeitgeist darf nur nicht zu offensichtlich sein, sonst fliegt es auf.
Ruben Östlunds Film "Triangle of Sadness" beginnt mit Aufnahmen eines Model-Castings. Ein Reporter bringt männliche Fotomodelle dazu, für ihn abwechselnd zu feixen und zu schmollen. Ein Jüngling namens Carl wird aufgefordert, seine Sorgenfalten (englisch: "triangle of sadness") über den Augen zu entspannen. Dann sehen wir Carl mit seiner Freundin Yaya, ebenfalls Fotomodell, im Nobelrestaurant. Er soll schon wieder das Essen zahlen, obwohl sie mehr Geld verdient. Sie streiten sich, im Taxi, im Hotelaufzug, in ihrer Suite, über Geld und Liebe, Geschlechterrollen, weibliche und männliche Bedürfnisse. Danach versöhnen sie sich.
Szenenwechsel. Yaya und Carl sind auf seiner Luxusjacht im Mittelmeer, den Fahrpreis für die Kreuzfahrt zahlt sie mit ihrem Influencer-Profil auf Instagram. Auf dem Schiff herrscht eine Dreiklassengesellschaft: Oben sonnen sich die Millionäre, im Zwischendeck freut sich das uniformierte Bordpersonal auf üppige Trinkgelder, während das Prekariat im Unterdeck für Hungerlöhne putzt und kocht. Die Hierarchie gerät scheinbar in Unordnung, als die Frau eines russischen Oligarchen die gesamte Mannschaft zum Schwimmen schickt: "Lasst uns die Rollen tauschen!" In Wahrheit bleibt die Rollenverteilung unangetastet, auch als später ein Sturm aufzieht und das Inventar durcheinanderwirbelt. Jetzt ist auch der zuvor abgetauchte Kapitän mit von der Partie, beim Dinner sieht er gleichgültig zu, wie die Passagiere sich auf ihre Teller voller Meeresfrüchte übergeben, anschließend betrinkt er sich mit dem Oligarchen in seiner Kajüte. Am nächsten Morgen ist der Himmel klar, nur ein Piratenboot stört die Idylle. Eine Handgranate fliegt an Bord, direkt vor die Füße des englischen Rüstungsfabrikanten-Rentnerehepaars. Es folgt eine Explosion.
Neue Szene. Ein Strand auf einer Insel. Wrackteile, Ertrunkene, eine Schar Überlebender. Der Oligarch zieht seiner toten Gattin die Diamantkette vom Hals. Nur die philippinische Toilettenfrau hat es ins Rettungsboot geschafft. Abigail ist zugleich die Einzige, die Fische fangen und Feuer machen kann, deshalb kehrt sie die Hierarchie um: "Auf der Yacht Toilettenmanager. Hier Kapitän." Als sie die Möglichkeiten ihrer neuen Position realisiert, nimmt sie Carl, der ebenfalls überlebt hat, als Schlafgefährten mit in ihr Dingi. Bald haben sich alle außer Yaya an die neue Ordnung gewöhnt. Trotz ihrer Rivalität unternehmen die beiden Frauen einen Erkundungsausflug zur anderen Seite der Insel. Dort stellen sie fest, dass sie in einem Touristenresort gelandet sind. Die Aussicht, ihre hart errungenen Privilegien wieder zu verlieren, treibt Abigail zu einer Verzweiflungstat.
Wenn man sich die drei Episoden dieses Films näher anschaut, erkennt man, dass jede von ihnen diverse Reizthemen unserer Gegenwart antippt. In der Mode-Sequenz: die Geschlechter und das Geld, die Körperideale der Bekleidungsindustrie. Auf dem Schiff: die Klassengesellschaft, die Globalisierung der Arbeitswelt, die Obszönität des Konsums (einmal wird ein Paket aus einem Hubschrauber abgeworfen und vom Yachtpersonal aus dem Wasser gefischt; es enthält drei Gläser Nutella). Auf der Insel: die Lebensuntüchtigkeit der Privilegierten. Die Brüchigkeit der Zivilisation. Die Rache des globalen Südens an seinen Ausbeutern.
Aber das sind Abstraktionen. Was man auf der Leinwand sieht, sind Schauspieler und ihre Figuren: Harris Dickinson als Carl, Charlbi Dean Kriek als Yaya, Woody Harrelson als Kapitän, Dolly de Leon als Abigail. Sie hätten die Chance, den Rahmen, den der Film um sie spannt, zu durchdringen, seine Themen lebendig, seine Abstraktionen konkret zu machen, wenn Ruben Östlund, der Regisseur, sie gewähren ließe. Aber Östlund lässt sie nicht, weil er sich für das, was in den Figuren steckt, im Grunde nicht interessiert. Ihn kümmert nicht die Entwicklung der Charaktere, sondern der Weg der Geschichte von A nach B und C. Deshalb lässt er seine Schauspieler immer ein wenig dümmer agieren, als sie eigentlich müssten. Dass ein Schiffbruch im östlichen Mittelmeer keine Robinsonade ohne Aussicht auf Rettung bedeutet, versteht sich eigentlich von selbst; nur Östlunds Figuren wissen es nicht. Und dass ein Kapitänsdinner bei schwerem Wetter mit Erbrechen an der Reling endet, kann jeder bezeugen, der schon einmal auf See unterwegs war; nur die Reichen in "Triangle of Sadness", die Crème der Kreuzfahrt-Klientel, haben davon keinen Schimmer.
Aber diese Blindheit für handlungslogische Details gehört bei Östlund zum Programm. Mit Wahrscheinlichkeiten alltäglicher Art kann er sich nicht aufhalten, weil er etwas Höheres im Sinn hat: eine Farce mit moralischem Mehrwert. In der zweiten Hälfte seines zweieinhalbstündigen Films lässt er dieses Konzept von der Leine. Jetzt müssen die Figuren für alles bezahlen, was sie sich zuvor von ihrem Geld leisten zu können glaubten. Die Oligarchengattin (Sunnyi Melles) wird wie eine kotzende Puppe durch ihre Kabine geschleudert. Der schwedische Software-Nabob erschlägt unter Ächzen und Stöhnen einen verirrten Esel. Die Schlaganfallpatientin (Iris Berben) kräht auch als Schiffbrüchige in ihrer Wasserpfütze weiter unentwegt "In den Wolken!" Der Film zwingt uns, über diese Karikaturen zu lachen, aber es ist eine unfrohe, erpresste Komik, weil sie von Gespenstern und Popanzen ausgeht, nicht von Abbildern der Wirklichkeit.
Im Mai hat Östlund für "Triangle of Sadness" in Cannes die Goldene Palme gewonnen. Vor fünf Jahren bekam er dieselbe Auszeichnung für "The Square", eine Satire auf den Kunstbetrieb. Wenn man beide Filme nebeneinanderhält, sieht man, wie sich Östlunds Erzählstil zur Methode verfestigt hat. Hier wie dort reiht er Versatzstücke aneinander, die er durch Mittlerfiguren wie Carl und Yaya zusammenhält. Östlund ist ein Konstrukteur von Szenen, kein Erzähler von Geschichten. Seine Filme bilden den größtmöglichen Kontrast zu denen seines großen Vorgängers Ingmar Bergman, für den die Menschen alles, die Pointen nur ein Nebeneffekt waren. Vielleicht steckt darin ja auch eine Geschichte des Kinos - der Weg von der Tiefe zur Glätte und von der Seelenkunde zum Klischee.
Ein Zeitfilm ist "Triangle of Sadness" allemal, und sei es nur deshalb, weil er uns der Mühe enthebt, die Themen, die er berührt, wirklich ernst zu nehmen. Denn wir sind ja nicht mit an Bord von Östlunds Narrenschiff, und die Reichen und Schönen, die mit ihm untergehen, haben ihr Schicksal allemal verdient. Markgängigen Problemfilmen wie diesem war der Erfolg schon in vergangenen Zeiten sicher. Und das Vergessen auch. ANDREAS KILB
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