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Der Lehrer ist für Thomas von Aquin (1225-1274) eine Person, die - selbst im Besitz von Erkenntnis - einem anderen zu seiner eigenen oder einer weitergehenden Erkenntnis verhilft, und zwar so, daß der andere selbständig das erkennt, was es zu erkennen gilt. Lehre ist damit eine Tätigkeit, die es dem anderen ermöglicht, vollziehendes Subjekt von Erkenntnis zu werden und auf diesem Wege zugleich Selbsterkenntnis zu erlangen. Um sein Ziel zu erreichen, das heißt, um dem Schüler das selbständige Erkennen, das Lernen heißt, zu ermöglichen, stehen dem Lehrer zwei Wege offen: die mündliche…mehr

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Produktbeschreibung
Der Lehrer ist für Thomas von Aquin (1225-1274) eine Person, die - selbst im Besitz von Erkenntnis - einem anderen zu seiner eigenen oder einer weitergehenden Erkenntnis verhilft, und zwar so, daß der andere selbständig das erkennt, was es zu erkennen gilt. Lehre ist damit eine Tätigkeit, die es dem anderen ermöglicht, vollziehendes Subjekt von Erkenntnis zu werden und auf diesem Wege zugleich Selbsterkenntnis zu erlangen. Um sein Ziel zu erreichen, das heißt, um dem Schüler das selbständige Erkennen, das Lernen heißt, zu ermöglichen, stehen dem Lehrer zwei Wege offen: die mündliche Unterweisung, und sie ist für Thomas die vorzügliche Form der Lehre, und die augenfällige Demonstration. Für das Verständnis dessen, was Lehren und Lernen bedeutet, kommt es aber weniger auf diese zwei Wege an, als darauf, wie auf dem einen und auf dem anderen Wege die geistige Eigenaktivität des Lernenden erreicht wird, die ihm das Lernen ermöglicht.

Dieser Ansatz steht quer zu dem, was heute Didaktik genannt und als Didaktik gepriesen wird - und ist gerade darum (man bedenke: es handelt sich um einen Text aus dem Mittelalter!) höchst aktuell: Lehre ist nur dann erfolgreich und sinnvoll, wenn sie den Lernenden dazu motiviert, aus eigenem Interesse lernen zu wollen.
Die hier angebotene Sonderausgabe auf der Grundlage der Ausgabe dieses Textes in der PhB bietet den vollständigen Text der Quaestio XI (Über den Lehrer) aus den »Quaestiones disputatae de veritate« und - ergänzend - den ersten der vier Artikel der »Summa theologiae, Teil 1, Quaestio 117« in einer parallelgeführten lateinisch-deutschen Edition mit einer sachgerechten Einleitung und einem umfassenden Kommentar.
Autorenporträt
Thomas von Aquin§Thomas von Aquin kommt um 1225 in Roccasecca bei Aquino zur Welt. Gegen den Willen seiner adeligen Familie tritt er während des Studiums in Neapel dem Dominikanerorden bei. Weitere Studienjahre in Paris und Köln bei Albertus Magnus folgen. 1252 beginnt Thomas die eigene Lehrtätigkeit zunächst in Paris, später in Italien, schließlich in Rom mit verschiedenen Ämtern im Vatikan. In seinen Vorlesungen stellt er bedeutende Kommentare zu Aristoteles vor, die bis heute grundlegend für die christliche Glaubenslehre sind. Hatte Thomas bereits in dem Frühwerk Über Seiendes und Wesenheit die Grundzüge seines philosophischen Denkens - den Realunterschied zwischen "Sein" und "Wesen" -dargelegt, folgt mit der Summe der Theologie eine didaktisch-systematische Darlegung fast aller philosophisch-theologischen Lehrgebiete. Dieses Handbuch zur Ausbildung der Dominikaner soll das Ungleichgewicht zu ungunsten der Dogmatik beheben und sich nicht auf Moraltheologie und Beichtpastoral be

schränken. Die Einbeziehung aristotelischer Lehren in die Philosophie und Theologie hat bereits zu Lebzeiten Thomas von Aquins heftigen Widerspruch zur Folge, mehrere Sätze werden als häretisch verurteilt. Dennoch setzt sich seine Lehre durch, 1323 wird er heiliggesprochen und im 16. Jahrhundert in den Rang eines Kirchenlehrers aufgenommen. Thomas von Aquin hinterläßt mehr als 80 Schriften und stirbt 1274 auf einer Reise zum Konzil in Lyon.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.04.2012

Ein Selbstdenker, zur Selbstdiagnose empfohlen
Eine neue Ausgabe der „Quaestionen“ des Thomas von Aquin zeigt: Der Kirchenlehrer und Philosoph ist für restaurative Zwecke nicht zu gebrauchen
Der mittelalterliche Denker und Kirchenlehrer Thomas von Aquin war die Galionsfigur der katholischen Restauration nach dem Ersten Vatikanischen Konzil (1869/70), die sich gegen die neuzeitliche Philosophie und gegen den Niedergang der Monarchien zur Wehr setzte. Besonders seine „Quaestiones Disputatae“, die jetzt im Verlag Felix Meiner in einer magistralen 13-bändigen Edition auf Deutsch herausgegeben werden, können neues Interesse an ihm wecken. Nach den Ausgaben der „Summa theologiae“ und der „Summa contra gentiles“ erscheint damit ein drittes, erwünschtes Großprojekt. In den „Quaestiones“ spricht Thomas von Aquin (1224-1274) authentisch – und lässt sich so wenig wie in keiner anderen Werkgattung für Thomismus und Restauration missbrauchen.
Immanuel Kant, der als „Selbstdenker“ Epoche gemacht hat (weniger als Kenner der Philosophiegeschichte), diskreditierte die Methode der Scholastiker des 11. und 12. Jahrhunderts in seiner Logik-Vorlesung als „After-Philosophieren“. Die Scholastiker seien dem Aristoteles „auf eine sklavische Weise“ gefolgt, hätten ihn nur erläutert und dabei „seine Subtilitäten ins Unendliche“ getrieben. In Wahrheit hat Thomas von Aquin aber den aufsehenerregenden Umbruch von der augustinistisch verfestigten Tradition zur Neuaneignung der Philosophie des Aristoteles betrieben – ein wichtiges Ereignis im abendländischen Denken –, und zwar zunächst gegen den erklärten Willen der Kirchenleitung.
Am 19. März 1227 hatte Papst Gregor IX. einen Brief an die Theologen in Paris geschrieben, in dem er schädliche Neuerungen beklagt, „von Schmerz im Herzen innerlich berührt“. Der Papst bekämpfte das Eindringen des (arabisch geprägten) Aristotelismus, da er fürchtete, dass dessen Verfechter an der Pariser Universität sich von der Tradition der „heiligen Väter“ lösten und zu einer „philosophischen Lehre von den natürlichen Dingen“ übergingen, die er für „leichtfertig“ und „gottlos“ hielt. Thomas von Aquin aber hat die Philosophie des Aristoteles nur wenige Jahrzehnte später so gründlich durchdacht, dass ihre Erschließungskraft für die christliche Theologie und auch ihre Kompatibilität mit der richtig verstandenen Platonisch-Augustinischen Tradition hervortrat. Hätte es den „Index librorum prohibitorum“ zur Zeit Gregors IX. schon gegeben, wäre das Werk des Aristoteles indiziert worden (und sogar Thomas von Aquin ist später eine Art Indizierung widerfahren).
Durch Thomas aber ist Aristoteles innerkirchlich zur Autorität des „Philosophen“ schlechthin avanciert. Und Thomas wurde, nachdem lokale kirchliche Amtsträger (in Paris und in Oxford) im Jahr 1277 einige seiner Lehren verurteilt hatten, 1323 heiliggesprochen und 1567 zum Kirchenlehrer erhoben. Verfehlt ist es, ihn für kulturpessimistische Absichten heranzuziehen und sein Werk machtpolitisch zu instrumentalisieren, wie das die Thomisten getan haben: Wahrzunehmen ist auch er als „Selbstdenker“, der er mehr war, als Immanuel Kants Bemerkungen insinuieren.
Bisher sind in der Neuausgabe der „Quaestiones“ in jeweils zwei Teilbänden „Über Gottes Vermögen/De potentia Dei“ sowie „Vom Übel/De malo“ erschienen. Die Übersetzung des Titels „Über Gottes Vermögen“ kommt dabei etwas blass daher: „potentia“ heißt „Kraft“, „Macht“, „Wirksamkeit“ – und bedeutet im Blick auf Gott „Allmacht“. In Gott gibt es nach Thomas kein „Vermögen“, überhaupt nichts „Mögliches“, das erst noch zu aktualisieren wäre. Von daher wird es für Mitdenkende spannend, wie Gott sich zur niemals „fertigen“ Welt verhält. In der Beantwortung der Frage, ob es in Gott eine „potentia“ gebe, spricht Thomas Gott „ein aktives Vermögen im höchsten Grade“ zu, ein „aktives Können“. Übersetzen ist bekanntlich immer Sisyphus-Arbeit, was der Übersetzer Stephan Grotz im Nachwort auch andeutet.
Als lesenswerter Text und als Einstieg sei der 7. Artikel zur „Allmacht Gottes“ empfohlen. Wir leben ja heute in einer Zeit, die Machbares und Verfügbares bevorzugt. Lesern, denen der Gedanke an Unverfügbares noch nicht fremd geworden ist, kann die nüchterne Untersuchung der Frage, „aus welchem Grund Gott allmächtig genannt werden kann“, eine anregende Lektüre sein, schon mit der Unterscheidung, mit der Thomas Gott zwar „allmächtig“ (omnipotens) und „allwissend“ (omnisciens) nennt, aber eben nicht „allwollend“ (omnivolens). Ein Disput zwischen Albert Camus’ Dr. Rieux, den die Leiden der Welt bedrängen, und Thomas von Aquin ließe sich lebhaft ausmalen. Ein Keim der Hoffnung, der in uns allen steckt, lässt uns trotz der faktisch oft schrecklichen Weltverhältnisse wollen, dass am Ende doch die Gerechtigkeit siege: durch ein Zurechtrücken aller Ungerechtigkeiten, die seit Kain und Abel in der Welt herrschen. Obwohl „Potentia Dei“ die „Allmacht Gottes“ bedeutet, hat der Allmächtige, wie täglich zu sehen ist, Übles und Böses (malum) nicht verhindert – was Zweifel an seiner Allmacht und Güte hervorruft und wenigstens Anlass zum Denken gibt.
Im ersten Teilband von „De malo“ werden Grundsatzfragen behandelt und überlieferte Antworten untersucht, zum Beispiel, ob und wie Gott, der nur Gott ist, sofern er allmächtig und gut ist, Übles zugelassen haben kann und ob die Übel zutreffend in Schuld und Strafe einzuteilen sind. Solche Theodizee-Fragen quälen nicht nur Philosophen, Theologen und Juristen, sondern alle Menschen, wenn sie von Übeln und Bosheit getroffen werden. Der zweite Teilband bearbeitet kasuistische Fragen und enthält einen Lasterkatalog, der auch heute noch zu kritischer Selbstbesinnung ermuntern kann. Nach der Darstellung der Hauptsünden, der „hauptsächlichen Fehler“ der Menschen, werden Eitelkeit, Neid, Trägheit, Zorn, HabgierVöllerei und Wollust (Luxuria) untersucht. Die nüchterne Betrachtung üppiger Lebensformen, die uns einen Spiegel vorhält, kann gewiss lästig sein, aber auch die Ambivalenz des Fortschritts offenlegen und der Selbstdiagnose dienen.
Thomas war kein Verächter des Lebens und der Welt, schon weil er sonst gezwungen gewesen wäre, deren Schöpfer gering zu schätzen. Im zweiten Artikel der 15. Quaestio heißt es sachlich: „Anfassen, Umarmen und Küssen, insofern sie das Vorspiel zum Verkehr bilden, setzen die innere Zustimmung zu ihm voraus.“ „Anfassen, Umarmen und Küssen“ sind nach Thomas gut, an sich schlecht sind hingegen „Unzucht und Ehebruch“. Thomas weist damit auf Haltungen, die in den vom Überfluss geprägten Industriestaaten ungewohnt geworden sind. Seine „Quaestiones disputatae“ führen uns zwar sicherlich Luft von anderen Planeten zu, können Bedächtige aber stutzig machen und dadurch heilsam sein. Martin Heidegger hat „Kopfzerbrechen“ ja einmal „ganz gesund“ genannt.
Mit restaurativer Sicherung von Macht oder mit „Thomismus“ haben die „Quaestiones“ des Thomas von Aquin jedenfalls nichts zu tun. Das wird auch in den Quaestionen „Über die Wahrheit“ („De veritate“) erneut deutlich, deren Erscheinen in der Edition für den Sommer 2012 angekündigt ist. Der Bearbeiter des Bandes, Anselm Tilman Ramelow, geht bei Thomas von einer „Metaphysik des Seins“ aus, das auf sein Gutsein hin befragt wird. Man kann gespannt sein, wie sich dieser Ansatz zur Grundlegung der Metaphysik der Sitten verhält, wie Immanuel Kant sie ausgearbeitet hat.
NORBERT FISCHER
THOMAS VON AQUIN: Quaestiones Dis-putatae. Vollständige Ausgabe der Quaestionen in deutscher Übersetzung. Herausgegeben von Rolf Schönberger. Felix Meiner Verlag, Hamburg 2009 ff. Bisher erschienen:
Bd. 7 und Bd. 8: Über Gottes Vermögen/De potentia Dei, übersetzt und herausgegeben von Stephan Grotz. 349 und 327 Seiten, pro Band 78 Euro.
Bd. 11 und 12: Vom Übel/De malo, übersetzt und herausgegeben von Stefan Schick (Bd.11) und Christian Schäfer (Bd.12). 505 Seiten, 118 Euro und 405 Seiten, 98 Euro.(Bei Subskription der gesamten Edition gelten andere Preise.)
Eine Wende im abendländischen
Denken: Erst wurde Aristoteles
verdammt, dann zur Autorität
Thomas von Aquin – so dargestellt in San Marco in Florenz SZ Photo
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