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Werner Neuer hat dem beeindruckenden Leben und Werk Adolf Schlatters nachgespürt und dabei sämtliche Schriften, unveröffentlichte Manuskripte und Briefe berücksichtigt. Ergebnis seiner mehr als ein Jahrzehnt währenden Forschungsarbeit ist ein detailgetreues, allgemein verständlich geschriebenes Buch, das das Ineinander und Miteinander von Leben und Werk Adolf Schlatters auf faszinierende Weise darzustellen versucht.

Produktbeschreibung
Werner Neuer hat dem beeindruckenden Leben und Werk Adolf Schlatters nachgespürt und dabei sämtliche Schriften, unveröffentlichte Manuskripte und Briefe berücksichtigt. Ergebnis seiner mehr als ein Jahrzehnt währenden Forschungsarbeit ist ein detailgetreues, allgemein verständlich geschriebenes Buch, das das Ineinander und Miteinander von Leben und Werk Adolf Schlatters auf faszinierende Weise darzustellen versucht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.06.1996

Mit den Waffen der Wissenschaft den Freisinn bekämpfen
Schrecken der Liberalen und frommer Vulkan: Der Theologe Adolf Schlatter, von Werner Neuer aus allzu großer Nähe betrachtet

"Nur selten stolpert mein Fuß, wenn ich Ihre Wege nachzugehen versuche", schrieb ein gelehrter Benediktinerpater aus Maria Laach dem protestantischen Theologieprofessor Adolf Schlatter wenige Wochen vor dessen Tod im Jahr 1938. Anderen fällt es schwerer, auf den Pfaden Schlatters zu wandeln. Der rasche Wechsel von Tageshelligkeit und Dämmerlicht erzeugt perspektivische Irritationen.

1852 in einer pietistischen Familie im schweizerischen St. Gallen geboren, entwickelte sich Schlatter seit den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zum Repräsentanten der biblisch-konservativen Theologie. Er benutzte die historisch-kritische Methode und bereicherte die neutestamentliche Wissenschaft um scharfsinnige Beiträge, hielt aber gegen alle Einwände des modernen Bewußtseins an der "Theologie der Tatsachen" fest. Bei erweckten Christen in der Schweiz, in Westfalen, Württemberg und anderswo besaß er ein weites Hinterland. Die Bodelschwinghs, Vater und Sohn, zählten zu seinen engen Freunden. Ganze Studenten-und Pfarrergenerationen saßen über Schlatters Kommentare gebeugt.

Was Schlatter ins Zwielicht geraten ließ - und das zeigt Werner Neuers Biographie nolens volens sehr deutlich -, war seine Protegierung, um nicht zu sagen Instrumentalisierung durch kirchenfromme Kreise. Die Theologische Fakultät Bern, ein Hort der freisinnigen Theologie, bekam den jungen Landpfarrer, ohne sich ernstlich wehren zu können, um die Jahreswende 1880/81 einfach vorgesetzt. Der Kirchenhistoriker Friedrich Nippold machte seiner Empörung in sechs Artikeln in der "Berner Post" Luft. Im "Rückblick auf meine Lebensarbeit" schrieb Schlatter von einem "Kampf", für den er sich habe "anwerben" lassen. Kaum anders als in Bern verliefen Schlatters akademische Premieren in Greifswald, Berlin und Tübingen.

Beabsichtigte er als "Strafprofessor" zu wirken, um die Liberalen in ihre Löcher zu scheuchen, oder einfach nur, um die richtungspolitische Balance zu halten? Ein weniger nervenstarker Professor als Schlatter hätte diesen Kampfkurs möglicherweise nicht durchgehalten. An seinen universitären Berufungsorten umwehte ihn die Eiseskälte der Ablehnung. Sogar in Tübingen, wo er später Triumphe feierte, fror ihn anfangs. "Es ist immer noch etwas kalt in Tübingen, resp. meine Haut empfindlicher als vordem."

Schlatter war ohne Zweifel eine fulminante theologische Begabung, dazu ein bestechender Philologe. Nicht auszudenken, was er der geistigen Welt bei weniger enger Anbindung an sein eher kleinteiliges Milieu hätte geben können. Ihn in einem Atemzug mit den überragenden theologischen Größen der Epoche zu nennen, mit Harnack, mit Troeltsch oder mit den Häuptern der nachrückenden Generation Tillich und Barth, fällt gleichwohl schwer. Auf seine Art eine Leuchte und Zierde der evangelischen Theologie, mangelte es dem Bibeltheologen aus St. Gallen am Bewußtsein der Zeitgenossenschaft.

Der Sturz in die Moderne ließ ihn keineswegs unberührt. Doch Zeitgenossenschaft bedeutete noch anderes. In der Metropole des Deutschen Reiches empfand sich Schlatter als ein Verlorener. Zur zeitgenössischen Kultur war sein Verhältnis distanziert. Theateraufführungen mied er seit der Jahrhundertwende. Ein Kino hat er nie betreten. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme ein Gegner des Dritten Reiches, ging er mit manchen seiner Urteile trotzdem gründlich fehl. Im nationalsozialistischen Staat, fand er, seien die Christen stärker bedroht als die Juden - geschrieben wenige Wochen nach den Nürnberger Rassegesetzen ("Wird der Jude über uns siegen?"). Vielleicht ist Schlatters Leben mehr als die individuelle Geschichte eines bibelorientierten, in erkenntnistheoretischer Hinsicht in vorkantischen Bahnen verharrenden Theologen. Möglicherweise spiegelt seine Vita einen bestimmten protestantischen Habitus mit all seinen Stärken und Schwächen.

Das Lektürequantum, das unser Schlatter-Biograph dem lesenden Publikum zugedacht hat, ist erheblich. Vorsorglich hat er sein voluminöses Werk in Groß- und Kleingedrucktes aufgeteilt. Der "Laie", so empfiehlt er, möge das Kleingedruckte überschlagen. Ein etwas schulmeisterlicher Ratschlag. Ebenfalls wenig geschickt verhält sich der Biograph bei der Austeilung einer Gebrauchsanleitung mit der Überschrift: "Einige Hinweise zur wissenschaftlichen Benutzung der Biographie." Interessanter sind die Passagen des Buches, in denen Werner Neuer, gestützt auf reichlich vorhandenes Quellenmaterial, Schlatters persönliche Eigenarten charakterisiert, etwa sein Erscheinungsbild als akademischer Lehrer. Die Studenten Berlins erlebten Schlatter als ein "kleines, behendes, schwarzes Männlein mit immer etwas bestäubten Brillengläsern und nicht vorhandenen Manschetten, beweglich wie Quecksilber, mit den zierlichen, aber wenig gepflegten Händen in der Luft herumfuchtelnd". Schlatter schritt nicht, er hüpfte ans Vorlesungspult und begann schon unterwegs unter "heftigsten Gestikulationen" mit dem Dozieren.

In seiner wissenschaftlichen Produktion war Schlatter nicht quecksilbrig, sondern vulkanisch. Bis in sein hohes Alter schleuderte er Massen von Büchern und Schriften aus sich heraus, mitunter allerdings auch taubes Gestein. Sein empfindlichster Fehlschlag war die mehr als vierhundert Seiten umfassende Studie "Zur Topographie und Geschichte Palästinas" (1893), eilig hingeworfen nach einer Reise zu Pferde durchs Heilige Land. Das Buch hätte ihn in der gelehrten Welt beinahe vernichtet. Ungeachtet seiner eruptiven Entstehungsart hat Schlatters Werk in Teilen seine Bedeutung bewahrt, vor allem gilt das für die exegetischen Arbeiten zum Neuen Testament mit ihrem für die damaligen Verhältnisse bemerkenswert intensiv ausgeleuchteten jüdischen Hintergrund.

Werner Neuer macht aus seiner Schlatter-Verehrung kein Hehl. Auch die englisch sprechende Welt wird von ihm versorgt ("Adolf Schlatter: A Biography of Germany's Premier Biblical Theologian". Grand Rapids 1996). Verehrung ist nicht der schlechteste, doch nicht immer der verläßlichste Wegweiser im schwierigen Gelände der Biographie. Schlatter bloß durch die Brille von Schlatter zu betrachten reicht nicht. Der Biograph will "authentisch", "dokumentarisch" und "verstehend" verfahren. Die Arbeit darauf zu beschränken, heißt die literarische Aufgabe des Biographen nur halb zu bewältigen. Die im Vorwort versprochene kritische Analyse versandet auf den ersten Blättern. Das ist schade. Denn mit seinen lebendigen Schilderungen und seinem Materialreichtum vermag Neuers Buch durchaus für sich einzunehmen. Auf jene Schlatter-Biographie, die das Leben und Werk des großen Gelehrten so darstellt, daß sie nicht nur Schlatters Anhänger bereichert, werden wir noch warten müssen. KURT NOWAK

Werner Neuer: "Adolf Schlatter". Ein Leben für Theologie und Kirche. Calwer Verlag, Stuttgart 1996. 937 S., geb., Abb., 68,- DM.

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