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J. M. Coetzee zählt zu den bekanntesten Schriftstellern Südafrikas. Sein Roman "Eiserne Zeit" ist ein beunruhigendes und zugleich tröstliches Buch. Es schildert die Schicksalsgemeinschaft einer alten Frau und eines Obdachlosen. Die Frau, Elizabeth Curren, lebt mit einer schwarzen Dienerin allein in ihrem Haus am Stadtrand von Kapstadt. An dem Tag, als ihr der Arzt eröffnet, daß sie unheilbar an Krebs erkrankt ist, entdeckt sie einen Mann in ihrem Garten, der ohne Wohnsitz ist. Sie erlaubt ihm zu bleiben, und je mehr sie unter der Krankheit leidet, desto wichtiger wird ihr die Gegenwart des Fremden.…mehr

Produktbeschreibung
J. M. Coetzee zählt zu den bekanntesten Schriftstellern Südafrikas. Sein Roman "Eiserne Zeit" ist ein beunruhigendes und zugleich tröstliches Buch. Es schildert die Schicksalsgemeinschaft einer alten Frau und eines Obdachlosen. Die Frau, Elizabeth Curren, lebt mit einer schwarzen Dienerin allein in ihrem Haus am Stadtrand von Kapstadt. An dem Tag, als ihr der Arzt eröffnet, daß sie unheilbar an Krebs erkrankt ist, entdeckt sie einen Mann in ihrem Garten, der ohne Wohnsitz ist. Sie erlaubt ihm zu bleiben, und je mehr sie unter der Krankheit leidet, desto wichtiger wird ihr die Gegenwart des Fremden.
Autorenporträt
J. M. Coetzee, der 1940 in Kapstadt geboren wurde und von 1972 bis 2002 als Literaturprofessor in seiner Heimatstadt lehrte, gehört zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart. Er wurde für seine Romane und sein umfangreiches essayistisches Werk mit vielen internationalen Preisen ausgezeichnet, u. a. zweimal mit dem Booker Prize, 1983 für »Leben und Zeit des Michael K.« und 1999 für »Schande«. 2003 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen. Coetzee lebt seit 2002 in Adelaide, Australien.Literaturpreise:u.a.:Lannan Literary Award 1998, Booker Prize 1983 (für »Leben und Zeit des Michael K«.), Booker Prize 1999 (für »Schande«), Commonwealth Writers Prize 1999 (für »Schande«), 'Königreich von Redonda-Preis' 2001, Literaturnobelpreis 2003
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.08.1995

Das Herz der Geschichte
Von Doktrinen befreit: J. M. Coetzees Roman "Eiserne Zeit"

Elizabeth Curren kommt vom Arzt nach Hause. Sie hat erfahren, daß sie bald sterben wird. Sie ist allein. So beginnt Elizabeth Curren einen Brief an ihre Tochter in Übersee. Und schreibend erzählt sie, daß sie heute neben der Garage - "Du erinnerst Dich vielleicht, Ihr habt da manchmal gespielt, Du und Deine Freundinnen. Jetzt ist das ein toter Ort, verödet, nutzlos, wo windverwehtes Laub sich häuft und fault" - einen schlafenden Mann entdeckt hat, einen Landstreicher, der sich nicht vertreiben ließ. Es ist August, Regenmonat im Südafrika der Apartheid. Mit der gleichen Vehemenz, mit der andere Autoren die Aufladung ihrer Texte durch das Sujet zur Beglaubigung des Erzählens benutzen, versucht Jean Marie Coetzee, diesem Mechanismus zu entkommen.

Coetzee, 1940 in Kapstadt geboren, wo er lebt und Literatur lehrt, ist neben den Galionsfiguren der politisch korrekten südafrikanischen Literatur, Breyten Breytenbach und Nadine Gordimer, derjenige Autor, der am ernsthaftesten in immer neuen Ansätzen versucht, dem Dilemma der Teilhabe am Unrecht zu entgehen, das er als Zeuge zugleich ausnutzt. Im delirierenden Monolog der Farmerstochter in "Heart of the country" (1977) wie in der Figur des alternden Richters in "Waiting for the Barbarians" (1980) erzählte Coetzee von der scheinbar unauflöslichen Verklammerung von Schwarz und Weiß in der lebensfeindlichen Natur am Kap, die jede Erzählung unausweichlich in das Spannungsfeld von Gewalt und Freiheit stellt.

"Für mich liegt die Moral darin, daß der das letzte Wort hat, der über die größte Kraft verfügt. Ich meine den Henker." Coetzee weiß sehr wohl, daß im Erzählen er selbst es ist, der das letzte Wort hat, und so bringt er beides zusammen, die Macht des Erzählers und die Gewalt der Unterdrückung. Eindrücklicher noch als in seinem letzten Roman "Foe" (1990) entwickelte er in "Life and Times of Michael K" (1983) daraus seine Utopie des Erzählens im Windschatten jeglicher Macht. Der Held des Romans, Michael K., eine "menschliche Seele außerhalb von Klassifikationen, eine von Doktrinen, von Geschichte verschonte Seele", ist etwas, was es in den klaren Dichotomien einer rassistischen Gesellschaft nicht geben kann. Michael K. muß scheitern, und indem Coetzee von diesem Scheitern erzählt, erzählt er von einem glaubhaften Erzählen, das erst, wenn die Moral aus den Geschichten und aus der Geschichte verschwindet, möglich sein wird. "In jeder Geschichte gibt es, glaube ich, ein Schweigen, irgend etwas der Sicht Verborgenes, irgendein ungesagtes Wort. Solange wir das Ungesagte nicht gesagt haben, sind wir nicht an das Herz der Geschichte gekommen."

Konstruktion und Geschichte sind diesem Autor stets nur Weisen der Annäherung an das Herz der jeweiligen Geschichte. Seine Romane versuchen einen Raum zu schaffen, in dem das Geschehen endlich von "Doktrinen, von Geschichte" befreit wäre. Und so beginnt auch "Eiserne Zeit" nicht zufällig in jenem Windschatten neben der Garage, wo das Laub sich sammelt und der Landstreicher sich verkriecht. Mit ihm bricht die südafrikanische Gegenwart in das kleine, verlassene Haus ein, das wie seine Besitzerin keine Kraft mehr hat, sich gegen die Eindringlinge zu wehren. In der Krankheit Mrs. Currens reflektiert der Roman wie in einer zerbrochenen Brille südafrikanische Wirklichkeit. Während ihr Körper sich im Schmerz auflöst, erlebt Elizabeth Curren die Verfolgung des Sohns ihrer Hausangestellten durch die Polizei, wird mit dem kalten Haß der jungen Schwarzen konfrontiert, macht sich, wohl zum ersten Mal in ihrem Leben, in das Labyrinth der vom Bürgerkrieg beherrschten Townships auf und findet dort schließlich den toten Jungen. "Das ist das Schlimmste, was ich je in meinem Leben sah", schreibt sie ihrer Tochter in diesem Roman, der ein Brief ist, ein Geständnis, eine Anklageschrift gegen den Tod, die ihren Adressaten erst erreichen kann, wenn Elizabeth Curren tot sein wird.

Der Bote, den sie sich aussucht oder den man ihr geschickt hat, ist jener Landstreicher, von dem der Leser im Laufe des Romans wenig mehr als den Namen erfahren hat: Mr. Vercueil. Totenengel und Beobachter zugleich, begleitet er Elizabeth Curren schweigsam bis zu ihrem Tod, den er ihr schließlich gibt. "Er nahm mich in seine Arme und hielt mich mit mächtiger Kraft, so daß der Atem mir mit einem Schnaufen ausging. Von dieser Umarmung war keine Wärme zu haben."

THOMAS HETTCHE

J. M. Coetzee: "Eiserne Zeit". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Wulf Teichmann. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1995. 240 S., geb., 39,80 DM.

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