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Polizei und Polizeiarbeit von 1933 bis 1945 und von 1945 bis 1949 - wie haben sie sich verändert durch die großen Einschnitte am Anfang und am Ende des NS-Regimes, nach der Machtergreifung, nach dem Zusammenbruch und während der Besatzungszeit? Welche Kontinuitäten und Brüche gab es ? Blieb vieles beim alten oder kam es zu grundlegenden Veränderungen des Polizeipersonals sowie des Verständnisses von Polizeiarbeit?
Linck untersucht die Veränderung von Polizei und Polizeiarbeit während des Nationalsozialismus und der nachfolgenden Besatzungszeit bis zur Gründung der Bundesrepublik. Im
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Produktbeschreibung
Polizei und Polizeiarbeit von 1933 bis 1945 und von 1945 bis 1949 - wie haben sie sich verändert durch die großen Einschnitte am Anfang und am Ende des NS-Regimes, nach der Machtergreifung, nach dem Zusammenbruch und während der Besatzungszeit? Welche Kontinuitäten und Brüche gab es ? Blieb vieles beim alten oder kam es zu grundlegenden Veränderungen des Polizeipersonals sowie des Verständnisses von Polizeiarbeit?

Linck untersucht die Veränderung von Polizei und Polizeiarbeit während des Nationalsozialismus und der nachfolgenden Besatzungszeit bis zur Gründung der Bundesrepublik. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen dabei die großen Umbrüche 1933 und 1945 und die Fragen nach der jeweiligen Veränderung des Polizeipersonals sowie des Verständnisses von Polizeiarbeit.

Der Autor weist am Beispiel der Polizei in Flensburg exemplarisch nach, daß die personelle Säuberung der Nationalsozialisten wie auch der Militärregierung nach Kriegsende sich im wesentlichen auf die höheren Ränge beschränkte. Daß die Polizei sich im NS-Staat zum wich-tigsten Instrument des Terrors entwickeln konnte, liegt - so die Studie- weitgehend in Ordnungs-vorstellungen begründet, die bereits die Polizei der Weimarer Republik auszeichneten und die auch nach 1945 fortbestanden.

Prägend für die Zeit des NS war ein Polizeikorps, das größtenteils bereits zu Zeiten der Weimarer Republik im Polizeidienst stand. Dennoch folgte die Polizei widerspruchslos den Maximen der nationalsozialistischen Gegnerverfolgung, die sich gegen alle richtete, die nicht den Vorstellungen der "Volksgemeinschaft" entsprachen.

Zu Kriegsende war Flensburg Ziel der höchsten SS- und Polizeiführung. Es war das Flensburger Polizeipräsidium, in dem Himmler seine letzten Besprechungen abhielt und von wo aus die Größen von Polizei und SS untertauchten. Flensburg war aber auch der Ort, wo die Nachkriegskarrieren von vielen NS-Tätern begannen.

Dieses war möglich, weil die britische Besatzungsmacht "erfahrene Beamte" für einen schnell funktionierenden Polizeiapparat benötigte. Eine konsequente Entnazifizierung war zweitrangig und geriet nach der Übernahme der Polizeigewalt durch die neuen Länder endgültig in den Hintergrund. Die Kontinuitäten im Polizeiapparat wirkten sich auch auf die Dienstauffassung aus, die weitgehend von vordemokratischen Denkstrukturen geprägt blieb. So bestimmten autoritäre Einstellungen und Verhaltensmuster die Schwerpunkte der Nachkriegspolizeiarbeit mehr als die tatsächliche Kriminalitätsentwicklung.


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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.01.2001

Orpo, Sipo, Schupo
Vom "Dritten Reich" zur Bundesrepublik: Die Flensburger Polizei

Stephan Linck: Der Ordnung verpflichtet. Deutsche Polizei 1933-1949. Der Fall Flensburg. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2000. 368 Seiten, 78,- Mark.

Kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges kam es im Flensburger Polizeipräsidium zu einem merkwürdigen Schauspiel. Jeden Morgen ließ ein britischer Offizier die ihm unterstellten deutschen Polizeioffiziere antreten. Im Dienstzimmer standen sie stramm, während der Brite am Schreibtisch saß, die Füße auf dem Tisch, und genüßlich eine Zigarre rauchte. Erst nach einer ganzen Weile ließ er die vor Wut kochenden Deutschen wieder gehen. Eines Tages war auch ein junger Polizeileutnant unter den Antretenden. Er wartete einige Minuten und fragte dann, ob etwas für ihn vorläge. "Nein", antwortete der britische Offizier, "Sie können wegtreten." Nichts verdeutlicht besser die Kontinuität im Denken deutscher Polizisten als diese Anekdote. Sie waren das Strammstehen gewöhnt. Sie hatten nicht gelernt, Fragen zu stellen.

Um Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der deutschen Polizei zwischen 1933 und 1949 am Beispiel Flensburgs geht es auch in der Studie von Stephan Linck. Schon der Übergang von der Weimarer Republik zum "Dritten Reich" hatte eine weitreichende Umorganisation der Polizei zur Folge. 1933 begann die Umformung der Politischen Polizei in die Geheime Staatspolizei. Zwei Jahre später wurden die kasernierten Polizeibereitschaften in die Wehrmacht überführt. Dadurch verlor die Schutzpolizei auf einen Schlag 50 Prozent ihres Bestandes. 1936 schließlich unterstellte Adolf Hitler die gesamte Polizei dem "Reichsführer SS".

Heinrich Himmler teilte sie in die Ordnungspolizei (Orpo), zu der die Gendarmerie sowie die Schutz- und die Gemeindepolizei gehörten, und die Sicherheitspolizei (Sipo), die aus der Geheimen Staatspolizei und der Kriminalpolizei bestand. Die Zentralisierung der Polizei war nötig, weil sich deren Aufgaben unter den Nationalsozialisten grundlegend änderten. Von nun an ging es nicht nur um die Bekämpfung von Kriminalität. Ebenso wichtig wurde der Kampf gegen politische Gegner und gegen abweichendes Verhalten einzelner zur "Sicherung der Volksordnung gegen Störung und Zerstörung", wie es der Vordenker der NS-Polizei, Werner Best, formulierte. Doch das bedeutete, so Linck, "nichts anderes als eine Entrechtlichung der Polizeiarbeit".

Der völligen Umgestaltung der Polizei stand eine weitgehende personelle Kontinuität gegenüber. Zwar wurde nach 1933 eine Reihe republikanisch eingestellter Beamter in Führungspositionen durch regimetreue Männer ersetzt. In den unteren Rängen waren Entlassungen aber die Ausnahme. Dennoch funktionierte die Polizei in der neuen Aufgabenstellung reibungslos und ging mit äußerster Härte gegen "Feinde der Volksgemeinschaft" vor, wie das Beispiel Flensburg zeigt.

So wies die Flensburger Kriminalpolizei aus eigener Initiative als "minderwertig" Klassifizierte in Konzentrationslager ein, und die Schutzpolizei stellte wie selbstverständlich die Wachmannschaften für den Transport. Auch während des Zweiten Weltkrieges beteiligten sich Polizisten aus Flensburg in den besetzten Gebieten als Angehörige von Polizei-Bataillonen aktiv an der Vernichtungspolitik. Dabei waren die meisten Beamten nach Einschätzung Lincks nicht einmal überzeugte Nationalsozialisten. Jedoch deckten sich ihre Vorstellungen von Ordnung in wichtigen Punkten mit den Zielsetzungen des "Dritten Reiches". Verweigerungen waren die Ausnahme, obwohl sie keine lebensbedrohenden Konsequenzen zur Folge hatten.

Als britische Truppen im Mai 1945 Schleswig-Holstein besetzten, übernahmen sie die deutsche Polizei in ihre Dienste, um ein Mindestmaß an Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten. Dabei stand die britische Militärverwaltung vor dem Problem, die in Jalta formulierten Vorgaben - Denazifizierung, Demilitarisierung, Dezentralisierung und Demokratisierung - zu erfüllen. Gleichzeitig sollte eine effiziente Verwaltung aufgebaut werden.

Angesichts des herrschenden Chaos entschied man sich zunächst für das "Primat der Effektivität". Deshalb beschränkten sich die zwischen Mai und September 1945 vorgenommenen Entlassungen von Polizeibeamten in Flensburg auf Reservisten, Polizisten im Pensionsalter und aus anderen Städten stammende Beamte. Erst im Sommer 1946 begannen die britischen Behörden mit der gründlichen Überprüfung von Polizeibeamten auf ihre nationalsozialistische Vergangenheit, was eine Reihe von Entlassungen zur Folge hatte.

Bei Übernahme der Polizeigewalt durch das Land Schleswig-Holstein im Dezember 1946 wurden viele der Entlassenen wieder eingestellt, die dann zum Teil erstaunliche Karrieren in der Polizei machen konnten. Bei dieser personellen Kontinuität verwundert es nicht, daß auch eine Kontinuität des Denkens in den Reihen der Polizisten bestand. Dies zeigte sich beispielsweise bei dem Vorgehen gegen die meist aus Osteuropa stammenden Displaced Persons. Es sollte noch eine Weile dauern, bis sich die Polizei nicht mehr der Ordnung, sondern der Demokratie verpflichtet fühlte.

THOMAS MORLANG

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perlentaucher.de Notiz

Der Rezensent Thomas Morlang hat die Studie von Stephan Link über die Flensburger Polizei in den Jahren 1933 bis1949 gründlich gelesen. Und sie scheint ihm gut gefallen zu haben. Jedenfalls enthält er sich jeglicher Kritik und unterrichtet stattdessen den Leser ausführlich über die zentralen Ergebnisse der Untersuchung. Fazit: die Deutsche Polizei sei gekennzeichnet gewesen von einem Ordnungsdenken, das sich erst sehr langsam zugunsten einer Verpflichtung gegenüber demokratischen Grundsätzen verändert habe, meint Morlang.

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