Von schwäbischen Hausfrauen und anderen Irrlichtern der aktuellen Politik
Der Nachdenkseiten-Autor und langjährige Polit-Blogger Jens Berger (z. B. "Spiegelfechter") hat das heutige Deutschland einer Prüfung unterzogen, und sein wenig schmeichelhaftes Ergebnis ausführlich und sachkundig in seinem
Erstlingswerk "Stresstest Deutschland - Wie gut sind wirklich?" niedergelegt. Berger verfolgt in…mehrVon schwäbischen Hausfrauen und anderen Irrlichtern der aktuellen Politik
Der Nachdenkseiten-Autor und langjährige Polit-Blogger Jens Berger (z. B. "Spiegelfechter") hat das heutige Deutschland einer Prüfung unterzogen, und sein wenig schmeichelhaftes Ergebnis ausführlich und sachkundig in seinem Erstlingswerk "Stresstest Deutschland - Wie gut sind wirklich?" niedergelegt. Berger verfolgt in diesem Buch, wie auch im Blog, spürbar den Anspruch, seinen Lesern komplexe politische und ökonomische Inhalte und Vorgänge auf verständliche Weise nahezubringen, was ihm auch sehr gut gelingt. Das Buch ist randvoll mit Informationen, der Autor argumentiert sauber und klar, gelegentlich an passender Stelle auch ironisch bis sarkastisch - einige Male konnte ich kräftig lachen.
Was vor rund 30 Jahren begann hat seit Ende der 90er Jahre des vorigen Jhdts., namentlich durch die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Schröder, so richtig Fahrt aufgenommen: Die neoliberale Umgestaltung unserer Republik. Die Folgen sind mittlerweile mehr als deutlich sicht- und spürbar: Dieser Irrsinn auf Milton Friedmans Spuren hat Schneisen der Verwüstung durch die Gemeinwesen Deutschlands und Europas gezogen. Ob Privatisierungs-Orgien, endlose Milliardenhilfen für Zockerbanken, massiver Abbau des Sozialstaats, politische Willkür und Korruption, ob schwere Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt, u. a. durch Lohn-Dumping bis auf Hungerlohn-Niveau und ausgeuferte Leih- und Zeit-Arbeit hervorgerufen, bei gleichzeitigen drastischen Steuersenkungen überwiegend für Reiche, sowie finanziell ausgebluteten Gemeinwesen - Länder und Kommunen können ihren Aufgaben zunehmend weniger gerecht werden, in Städten und Gemeinden erleben wir tagtäglich, daß z. B. Theater, Bibliotheken, Schwimmbäder geschlossen, aber in Generationen aufgebautes Kommunal- und Landes-Eigentum zugunsten privater Interessenten verschleudert wird, und riskante PPP-Projekte vereinbart - die Liste ließe sich lange fortsetzen, und die Entwicklung ist längst nicht am Ende. Auch den anderen EU-Staaten soll nun auf unseren Druck hin das deutsche Programm verordnet werden: Schuldenbremse, Fiskalpakt, Privatisierungen, Exportsteigerung und drastisches Lohndumping heißen einige der aktuellen Stichworte - wie sagte doch Volker Kauder in kaum zu überbietender Arroganz: In Europa werde wieder DEUTSCH gesprochen, oder, mit anderen Worten: Die "schwäbische Hausfrau", Kanzlerin Merkels Propaganda-Metapher von 2008, führt erbarmungslos und frei von Sachkenntnis das Regiment. Jens Berger erklärt, welcher Unsinn sich hinter diesem Begriff verbirgt.
Auch die Vokabel "Kostenexplosion" im Gesundheitswesen entlarvt der Autor als simplen Propaganda-Begriff, die gerne verwendet wird, wenn es darum geht, Leistungskürzungen in der GKV zu rechtfertigen. Das von Rot-Grün zugunsten der Spitzenverdiener geänderte Steuersystem und die immer stärker stattfindende Verteilung von "unten" nach "oben" werden ebenso untersucht, wie das meinungsmachende "Macht-Kartell Bertelsmann", Stuttgart 21, Rufmord-Kampagnen wie "Porsche-Klaus", das Versagen der 4. Gewalt, der Medien, angesichts der politischen Wirklichkeit, der reale und gefährliche Pflegenotstand. An Bespielen wie den wenig appetitlichen Herrschaften Friedrich Merz und Wolfgang Clement wird beschrieben, wie Lobbyismus funktioniert, und darüberhinaus der Begriff "Drehtür-Effekt" (Direkter Wechsel von der Politik in ein Wirtschafts-Unternehmen, das in "seinem" bisherigen Fachbereich tätig ist bei Mitnahme aller Kontakte ohne Schamfrist) genauso geklärt, wie der "Schwindel mit der Schuldenuhr".
Am Schluß möchte der Autor die Leser ermutigen, aktiv zu werden, nicht in die innere Emigration abzutauchen, z. B. seine zuständigen Abgeordneten zur Rede zu stellen, sich Organisationen und/oder Initiativen anzuschließen, kurz: sich in die ureigenen Angelegenheiten einzumischen. Jens Bergers "Stresstest" journalistische und fachlich versierte Aufklärung im besten Sinne. Lesenswert!