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Mit dem Fall der Mauer wurde Deutschlands Einheit zum Zankapfel in der SPD. Willy Brandt drängte zu einer raschen Vereinigung. Oskar Lafontaine und andere »Enkel« bremsten und blockierten. Pointiert schildert Daniel F. Sturm ihre Kontroversen und liefert tiefe Einblicke in das Innenleben der Sozialdemokratie während dieser spannenden Phase deutscher Nachkriegsgeschichte. Im Herbst 2005 hat die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung die Dissertation mit dem Willy-Brandt-Preis zur Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern ausgezeichnet. Seit Sommer 1989 stritt die SPD intern…mehr

Produktbeschreibung
Mit dem Fall der Mauer wurde Deutschlands Einheit zum Zankapfel in der SPD. Willy Brandt drängte zu einer raschen Vereinigung. Oskar Lafontaine und andere »Enkel« bremsten und blockierten. Pointiert schildert Daniel F. Sturm ihre Kontroversen und liefert tiefe Einblicke in das Innenleben der Sozialdemokratie während dieser spannenden Phase deutscher Nachkriegsgeschichte. Im Herbst 2005 hat die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung die Dissertation mit dem Willy-Brandt-Preis zur Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern ausgezeichnet. Seit Sommer 1989 stritt die SPD intern wie öffentlich über ihren deutschlandpolitischen Kurs. Die Frage der Einheit trieb einen Keil in die Partei. Willy Brandt war bestürzt über die Auffassung Oskar Lafontaines und weiterer »Enkel«, die im Fortbestehen zweier deutscher Staaten eine Voraussetzung für den Frieden in Europa sahen. Obwohl Sozialdemokraten wie Brandt und Hans-Jochen Vogel mahnten, man dürfe diese einmalige historischeChance nach dem Fall der Mauer nicht ungenutzt verstreichen lassen, akzeptierten Teile der SPD nur widerwillig jene politischen Fakten, wie sie von der Regierung Kohl geschaffen wurden: Wirtschafts- und Währungsunion, schließlich die staatliche Einheit selbst. Interviews mit mehr als 50 Akteuren sowie zahlreiche unveröffentlichte Dokumente gestatten eine pointierte, lebendige Zustandsbeschreibung der SPD 1989/90.
Autorenporträt
Daniel Friedrich Sturm, Dr. phil., geb. 1973 in Bochum, studierte Politische Wissenschaft sowie Osteuropäische Geschichte und Volkskunde an der Universität Bonn. Er ist Redakteur bei der Tageszeitung »Die Welt« in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.03.2007

Frieden statt Einheit
Der erbitterte Streit in der SPD während der Wendezeit
Als der heutige Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) im August 1989 seine Partei aufforderte, jegliche Rücksicht auf die DDR aufzugeben, stand er auf ziemlich verlorenem Posten. Durch seine Äußerungen haben sich, wie das der Politikwissenschaftler und Zeithistoriker Daniel Friedrich Sturm in seiner als Buch erschienenen Dissertation schreibt, die deutschlandpolitischen Akteure in der Berliner SPD angegriffen gefühlt. Körting wurde, wie er gegenüber Sturm beklagte, „lautstark gemaßregelt” und zuweilen als „Schmuddelkind” behandelt.
Wie in der Berliner SPD dachte auch in der Bundes-SPD zunächst kaum jemand daran, die Politik zu korrigieren. Parteichef Hans-Jochen Vogel hielt (noch) an den „Prinzipien der sozialdemokratischen Ost-und Deutschlandpolitik” fest, bei der die „Sicherung des Friedens” vor „Erhaltung und Ausbau der Freiheit” rangierte. Widerstand regte sich gleichwohl innerhalb der SPD gegen die auf den Status quo ausgerichtete Ostpolitik. Während Egon Bahr weiterhin auf der Position verharrte, Veränderungen könne es nur mit dem System, also auch mit der SED geben, forderte der damalige Vorsitzende des SPD-Parteirates, Norbert Gansel, seine Partei auf, die SPD „müsse den von Bahr im Jahre 1963 begründeten ,Wandel durch Annäherung‘ angesichts der Unfähigkeit der SED zu Reformen durch einen ,Wandel durch Abstand‘ ersetzen”. Wie Körting erntete auch Gansel wenig bis kein Verständnis. Der Abgeordnete und Präses der Synode der EKD, Jürgen Schmude, sah in Gansel „einen Mann, der sich lange nicht für die DDR interessiert hatte und plötzlich ,die damals populäre Auffassung‘ vertreten habe, nun müsse man da kräftig draufhauen”.
Kritik an der SPD-Deutschlandpolitik kam schon Anfang 1989 aus den eigenen Reihen. So forderte der Parlamentarier Hans Büchler mit Blick auf Bahr, die Deutschlandpolitik müsse „soweit wie möglich aus der Grauzone vertraulicher und diplomatischer Absprachen heraus”. Der Architekt der Ostverträge, der 1988 betonte, dass der europäische Friede wichtiger sei als die deutsche Einheit, habe jedoch keinen Anlass für eine Kurskorrektur gesehen.
Nach dem Fall der Mauer trieb die Frage der Einheit den Keil noch tiefer in die Partei. Während Willy Brandt auf das Zusammengehen, die Gemeinsamkeit setzte, pochte der damalige Berliner Regierende Bürgermeister Walter Momper auf die Eigenständigkeit der DDR. Eine Wiedervereinigungskampagne, gab er zu bedenken, mobilisiere allein nationalistische Gefühle, aber widme sich nicht dem, was den Menschen wichtig sei. Die deutsche Frage sei europäisch zu lösen.
Dafür, auf die am 7. Oktober 1989 in Schwante gegründete Ost-SPD (SDP) zuzugehen, wurde zunächst kein Anlass gesehen. Auf dem Parteitag der SPD im Dezember 1989 sprach Oskar Lafontaine sogar davon, dass er den Sozialismus nicht als gescheitert betrachte und verwies darauf, das Christentum sei nicht tot, nur weil im Namen des Glaubens Verbrechen begangen wurden. Für Sturm war dieser Parteitag der Höhepunkt deutschlandpolitischer Verirrungen.
Besonders hart wurde in der SPD um die Zustimmung zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion (WWU) gerungen. Während etwa Klaus von Dohnanyi warnte, wer sich gegen die rasche Gründung der WWU wende, erhöhe die Zahl der Übersiedler, habe bei anderen „das ökonomische Denken dominiert, aus dem heraus die offensichtlichen Gefahren der WWU ins Visier genommen wurden”. So haben etwa der damalige Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl und Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt auf den absehbaren Zusammenbruch des Comecon und den Kollaps vieler Betriebe in der DDR hingewiesen. Andere wehrten sich aus ideologischen Gründen gegen eine deutsch-deutsche Annäherung. Für Horst Ehmke war „der nachhaltigste Eindruck”, den der Ressortentwurf des Staatsvertrages mit der DDR hinterließ, „dessen Anschlusscharakter”. Schröder und Lafontaine, damals noch im Einklang, lehnten die WWU als einzige im Bundesrat ab. Beide betonten, keine Einheitsgegner zu sein, hielten aber den eingeschlagenen Weg für falsch.
Sturm, Redakteur bei der Welt, gibt eine profunde und gut belegte Darstellung über sozialdemokratisches Denken und Handeln in der Wendezeit 1989/90. Mit den Einheitsgegnern geht er hart ins Gericht. Dass es denen womöglich tatsächlich nur um die Vermeidung von Blutvergießen ging und sie die Einheit lediglich aus guten Gründen in eine europäische Einheit eingebunden wissen wollten, lässt der zur Wendezeit 16-jährige Sturm nur bedingt gelten. DIETMAR JOCHUM
DANIEL FRIEDRICH STURM: Uneinig in die Einheit. Die Sozialdemokratie und die Vereinigung Deutschlands 1989/90. Verlag J.H.W. Dietz Nachf., Bonn 2006. 520 Seiten, 29,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Ausgesprochen umfassend ist das Bild, das diese Studie dem Rezensenten Peter Merseburger über die Sackgasse der Deutschlandpolitik der sogenannten Willy-Brandt-Enkel-Geneneration rund um die Wendejahre vermittelt hat. "Sorgsam und gut lesbar" habe der Autor darin die damals kursierenden Fehleinschätzungen und misslungenen Analysen seitens der SPD-Politiker aufgelistet und damit erstmals ein besonders unrühmliches Kapitel in der Geschichte der Sozialdemokratie "akribisch" aufgearbeitet. Einziger Lichtblick in dem Meer bornierter, einheitsfeindlicher Enkelfinsternis: der damals noch lebende Willy Brandt und Querdenker Erhard Eppler.

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