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13 junge Autorinnen erzählen: Ketino Bachia, Mari Bekauri, Nino Haratischwili, Anna Kordsaia-Samadaschwili, Nestan Nene Kwinikadse, Lia Likokeli, Tamta Melaschwili, Rusudan Ruchadse, Nino Sadghobelaschwili, Nino Tarchnischwili, Irma Tawelidse, Anina Tepnadse, Tea Topuria
Nach siebzig Jahren unter sowjetischer Herrschaft, nach Unabhängigkeitskampf, Bürgerkriegsjahren und Krieg mit Russland wächst in Georgien heute eine Generation heran, die auch in der Literatur neue Töne anschlägt. Dreizehn junge Autorinnen nehmen uns mit auf eine Reise durch ihr Land und vermitteln uns Einblicke in ihren…mehr

Produktbeschreibung
13 junge Autorinnen erzählen:
Ketino Bachia, Mari Bekauri, Nino Haratischwili, Anna Kordsaia-Samadaschwili, Nestan Nene Kwinikadse, Lia Likokeli, Tamta Melaschwili, Rusudan Ruchadse, Nino Sadghobelaschwili, Nino Tarchnischwili, Irma Tawelidse, Anina Tepnadse, Tea Topuria

Nach siebzig Jahren unter sowjetischer Herrschaft, nach Unabhängigkeitskampf, Bürgerkriegsjahren und Krieg mit Russland wächst in Georgien heute eine Generation heran, die auch in der Literatur neue Töne anschlägt. Dreizehn junge Autorinnen nehmen uns mit auf eine Reise durch ihr Land und vermitteln uns Einblicke in ihren Alltag und die besondere Art, in der die wechselvolle Geschichte Georgiens in die Gegenwart und das Seelenleben der Menschen hineinwirkt.

Sie entwerfen teils üppige, teils sparsame, manchmal verstörende, immer aber sinnliche Bilder, die Assoziationen an den magischen Realismus heraufbeschwören - farbenprächtige Bilder einer Gesellschaft, die im Begriff ist, sich neu zu finden. Dabei changieren die Erzählungen zwischen Kindheit und Erwachsenenalter, Wirklichkeit und Traumwelt, Stadt und Land, Gegenwart und Vergangenheit.

Alle Autorinnen sind nach 1968 geboren. Sie umkreisen Aspekte des heutigen Lebens: Geschlechterbeziehungen, Sexualität, Familie, Selbstverwirklichung und Migration - und zeichnen damit ein facettenreiches Porträt eines Landes der starken Gefühle.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2018

Erst mal den Leser durchs Stahlbad ziehen
Ohne Netz, aber mit doppeltem Boden: Erzählungen georgischer Autorinnen

Wer etwas über eine Gesellschaft erfahren will, muss herausfinden, wie es ihren Kindern geht. Daher ist es konsequent, dass diese Zusammenstellung von Geschichten dreizehn georgischer Autorinnen unterschiedlicher Generationen mit mehreren Erzählungen aus der Kindheit beginnt. Sie lassen den Leser in den weiteren Verlauf hineinwachsen, oder besser: Sie härten ihn ab. Denn die ersten Geschichten sind fürchterlich.

Mari Bekauri erzählt von einem Mädchen, das sich auf dem Pausenhof brutal mit den Jungs prügelt und nach der Schule mit ihnen darum wetteifert, wer die meisten Frösche fängt, quält und tötet. Nino Tarchnischwili lässt eine Dreizehnjährige auf ihren Vater einreden, der sich im Garten erhängt hat. "Der Socken ist an der Ferse durchgewetzt. Die aus dem fransigen blauen Pullover baumelnden Hände ähneln toten Rattenpfoten." Vor seinem Suizid hat der Vater die schwangere Mutter mit einer Axt erschlagen, die Älteste bleibt nun mit den kleinen Geschwistern zurück. Lia Likokeli schreibt über ein Waisenmädchen, das weiterlebt, als wäre der Vater noch da, aber zu krank zum Arbeiten - weswegen sie alles tun muss: sich um die Kühe kümmern, Essen machen, für die Schule lernen. Es wirkt fast normal, bis die Lehrerin sie vor einem Besuch in der Kammer versteckt, während die anderen Kinder die Gäste begrüßen dürfen. Dass das Mädchen bereits schlohweiße Haare hat, erfährt der Leser nur beiläufig. Die Geschichte ist ein schönes Beispiel für den doppelbödigen georgischen Erzählstil: Ob der Vater noch lebt oder nicht, wird kaum klar. Er lebt in der Vorstellung des Mädchens, das ist wesentlich.

Noch vor den fürchterlichen Kindheitsgeschichten findet sich eine Art Einführung in die sowjetgeorgische Kindheit von Nino Haratischwili, der bekanntesten Autorin des Autorinnen-Kreises. Es handelt sich um einen Romanauszug, der lakonisch Erinnerungen aufzählt: "Es war der Schmelzkäse Die Freundschaft und die Wackelpuppe Wanka-Stanka, die wie eine missglückte hohle Matrjoschka aus Plastik aussah." Es ist keines der stärksten Stücke aus dem Band, aber ein schöner Einblick, bevor die Wucht einen trifft.

Welche Erwachsene diese Kindheiten hervorgebracht haben, erfahren wir in den folgenden Geschichten. Sie binden sich, gehen fremd und werden betrogen, sie berauschen sich und betrauern ihre Toten. Und sie leben in komplizierten nationalen Geflechten, was sich humoristisch auszahlt: "Ich erklärte ihr, dass ich, ein Sowjetmensch, mich nicht von einer dahergelaufenen portugiesischen Staatsbürgerin Dolores vollquatschen ließe, woraufhin sie rief, dass ich einer in Iwanowo aufgewachsenen deutschen Jüdin nicht dumm kommen solle, ich, ein Überbleibsel der roten Intelligenzija."

Die Verworrenheit ist Konzept: Die wenigsten Geschichten sind linear erzählt, einiges bleibt im Nebel oder unausgesprochen. Die georgische Sprache lädt nach deutschen Maßstäben zu Unklarheiten ein, es gibt etwa kein Genus. Wird da ein Mann oder eine Frau geliebt? Schwer zu sagen. Hauptsache Liebe.

bähr.

"Bittere Bonbons". Georgische Geschichten.

Hrsg. und mit einem Nachwort von Rachel Gratzfeld. Edition fünf, Hamburg 2018. 256 S., geb., 22,- [Euro].

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