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In "Geographien" vereint Andreas Münzner Prosaskizzen von einer Welt, in der die Entfernungen zwischen Orten geringer werden und die Abstände zwischen den Menschen größer. Lakonisch, distanziert und mit schwarzem Humor beschreibt er Personen und deren geographische Affinität, er erzählt von Freundschaft und Einsamkeit, Fernweh und Heimat. So entstehen literarische Landkarten, die auf ebenso behutsame wie eindringliche Weise unsere Gegenwart abbilden.

Produktbeschreibung
In "Geographien" vereint Andreas Münzner Prosaskizzen von einer Welt, in der die Entfernungen zwischen Orten geringer werden und die Abstände zwischen den Menschen größer. Lakonisch, distanziert und mit schwarzem Humor beschreibt er Personen und deren geographische Affinität, er erzählt von Freundschaft und Einsamkeit, Fernweh und Heimat. So entstehen literarische Landkarten, die auf ebenso behutsame wie eindringliche Weise unsere Gegenwart abbilden.
Autorenporträt
Andreas Münzner, geboren 1967, bei Zürich aufgewachsen. Studien in Zürich, Lausanne und Genf. Lebt als Autor und Übersetzer in Hamburg und in der Schweiz. Veröffentlichte Prosa und Gedichte in Zeitschriften und Anthologien. Von ihm erschien im Jahre 2002 der Roman Die Höhe der Alpen. Erster Preis Hamburger Lyrik- Wettbewerb 2001, Förderpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung 2002, Irmgard-Heilmann-Preis 2003.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.02.2006

Eile mit Weile
Trampelpfadfinder: Andreas Münzner reist im globalen Dorf

Schon Goethe klagte über die Hektik seiner Zeit: "Alles veloziferisch", kritisierte er die Aufbruchsstimmung der frühen Moderne. Was als Wortneuschöpfung aus velocitas und Luzifer schlicht meinte: "alles teuflisch schnell". Viele Autoren folgten ihm im Plädoyer für eine Entschleunigung. Vor allem passionierte Spaziergänger wie Robert Walser oder Peter Handke betonten in ihren Büchern immer wieder, wie sehr das gemächliche Flanieren doch der nervösen Hast vorzuziehen sei. Denn, während ersteres "tausend brauchbare, nützliche Gedanken" (Walser) hervorbringt, bedroht letzteres nichts Geringeres als den Seelenfrieden.

Das gilt nun auch für das schmale Büchlein von Andreas Münzner, dessen Titel "Geographien" weniger auf äußere als auf innere Landschaften anspielt. Auch hier "zieht die Seele nur langsam mit", während die Welt um sie herum, dank Internet und Globalisierung, immer schnellebiger wird. Und ausgerechnet das, was allgemein als große Errungenschaft des elektronischen Zeitalters gefeiert wird, macht Münzners Protagonisten in den insgesamt vierundachtzig Klein- und Kleinstepisoden schwer zu schaffen: das Schrumpfen der Entfernungen.

Die Ferne nämlich blinkt seinem Personal nur allzuoft trügerisch nah entgegen, während das Nahe ihm wiederum häufig merkwürdig fern erscheint. So wie in Paolas Fall, die sich in eine Internet-Bekanntschaft verliebt. Als sie nach fünf E-Mails und zwei Telefonaten spontan nach Deutschland reist, um ihr Gegenüber endlich persönlich kennenzulernen, läßt sie der Bildschirm-Bekannte vor verschlossener Tür schmählich abblitzen, da er sich durch die vorschnell hergestellte Pseudointimität offenkundig überrumpelt fühlt.

Unüberlegtes Vorpreschen hat unangenehme Nachwirkungen. An anderer Stelle liest man da etwa auch von einem namenlosen Schweizer, der nach Caracas fliegt, um an einem Urwald-Trekking teilzunehmen. Vorbei an Goldgräber-Siedlungen und Indio-Dörfern schlägt er sich seinen Pfad mit der Machete frei. Doch zum besonderen Erlebnis-Kick wird für diesen Elendstouristen eine gruselige Mordgeschichte, die ihm die Einheimischen immer wieder genußvoll auftischen. Kurz vor seiner Ankunft, so erzählen sie, hätten Goldgräber angeblich an einer Stelle, an der der Urlauber vorbeigekommen ist, eine Frau bei lebendigem Leib in Stücke gehackt. Das Bild der Verstümmelten läßt den Schweizer daraufhin nicht mehr los. "Und dann", endet sein Bericht lapidar, "reist man auf genau demselben Weg wieder zurück, sitzt ein paar Tage später zu Hause am Küchentisch und wundert sich über seine Welt."

Münzners Buch ist aber weniger Kulturkritik als eine nüchterne Bestandsaufnahme, in der sich eine biographische Skizze an die nächste reiht. Manchmal lassen sich Parallelen erkennen, manchmal auch Gegenläufigkeiten. Doch was die Anekdoten miteinander zu tun haben, muß sich der Leser weitgehend selbst zusammenreimen. Münzner verzichtet nicht nur auf Erklärungen. Er spart auch ein dramaturgisches Gerüst samt fortlaufender Charaktere und eines übergreifenden Handlungsstrangs aus. Das mag als Ausdruck für die postmodern-entgrenzte Gesellschaft des dritten Jahrtausends vielleicht beabsichtigt sein: Seine Auflistung immer neuer Fälle wirkt indes auf Dauer doch etwas monoton.

GISA FUNCK.

Andreas Münzner: "Geographien". Liebeskind Verlag, München 2005. 128 S., geb., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.02.2006

Im Oberstübchen
Andreas Münzners Miniaturen „Geographien”
Lebensläufe, hat Alexander Kluge einmal geschrieben, sind die Häuser, in denen die Menschen sich einrichten. Und wie noch dem stilvollsten Haus seine Verankerung im Zeitgeschmack anzusehen ist, so kommt auch die eigene Geschichte nicht ohne Allgemeines aus. Die Figuren dieses Buches erleben es immer wieder. Sie leiden unter den Zwängen der Herkunft oder des Berufs, können aber auch nicht ohne sie sein: „Gut, dass es bestimmte Bindungen wie Familie gibt, sonst zerstöbe man wie ein Komet.”
Der 1967 geborene Schweizer Andreas Münzner versucht in seinen Erzählminiaturen, die Koordinaten und Muster zu zeigen, die etwas so scheinbar Individuelles wie den Lebenslauf bestimmen. Viele der hier versammelten Lebensentwürfe muten selbständig an, wie kleine Systeme, sie bekommen aber sofort Risse, wenn sie thematisiert werden oder sich Änderungen ankündigen, mögen diese noch so harmlos sein. Manchmal genügt schon ein abrasierter Bart, um eine Sekretärin aus der Fassung zu bringen. All die Vorannahmen und Denkweisen, die Erinnerungen und vor allem die Gefühle bilden eine eigene Sphäre, die mit dem Ort und der Zeit nicht viel zu tun haben muss. Für die einen wird diese Welt zum Gefängnis. Ein Soldat aus dem Bosnienkrieg weiß davon: „In diesen vier Wänden gefangen bin ich, sagte er und tippte mit dem Mittelfinger auf den glattrasierten Scheitel, hier im Oberstübchen.” Andere Figuren sind Getriebene, sie überlegen nicht zu viel und wandern von Ort zu Ort.
Die traurigen Augen
Die Tradition, in der ein solches Schreiben steht, speist sich aus Kleists „Berliner Abendblättern” oder den Kalendergeschichten Johann Peter Hebels. Manche der Stücke erinnern auch ein wenig an Thomas Bernhards Sammlung „Der Stimmenimitator”. Hier wie dort stehen Wirkliches und Mögliches gleichwertig nebeneinander, Dokumente können fingiert sein und Erzählungen aus Berichten gemacht. So hinterfragen die Texte den Glauben an die Eindeutigkeit der so genannten Fakten sowie die Autorität des Zitats. Aber wo Bernhard das scheinbar Vertraute zu Parabeln des Schreckens zuspitzt, begnügt sich Münzner oft mit einem Inventar oder der kleinen Anekdote.
Der Verzicht auf das Kuriose, wie es in der Zeitung unter „Vermischtes” zu finden ist, macht Münzners Geschichten zunächst einmal sympathisch. An seinen besten Stellen schafft er es, aus dem Gerüst weniger allgemeiner Daten eine individuelle Geschichte hervorzutreiben. Da kann selbst ein Lexikoneintrag zu einer ausgestorbenen Spezies literarisch werden: „Ihre Augen waren gut entwickelt, häufig durch viele Linsen facettiert und lagen meist leicht in den Panzer eingesunken, was ihnen ein trauriges Aussehen verlieh.”
Manche der Winzlinge indes scheinen zu sehr mit Bedeutung aufgeladen. Die absehbare Pointe oder die kleine Moral sind hier schnell zur Hand. Umgekehrt vertrauen einige Texte zu stark auf das ausgelegte biografische Material: „R.s Vater war damals als Junge auf der Flucht, seinen kleinen Leiterwagen hinter sich herziehend, an der Hand der Mutter aus Schlesien (. . .) bis an den Rhein marschiert, wo sie sich niederließen und er nach Jahren, nachdem er jeden Morgen und jeden Abend an ihrem Fenster vorbeigegangen war, in seinem typischen, weit ausgreifenden Schritt, irgendwann einmal diese Frau ansprach, R.s spätere Mutter eben.”
Walter Benjamin hatte da eine andere Vorstellung. Er glaubte, wenn er das Material in Konstellationen bringe, beginne es tatsächlich zu sprechen. Adorno prügelte ihn dafür, das sei „dialektischer Kitsch”. Doch Benjamin hielt dagegen: Nur so entstehe mehr als die bloße Summe der erzählten Geschichten. NICO BLEUTGE
ANDREAS MÜNZNER: Geographien. Verlag Liebeskind, München 2005. 128 Seiten, 14,90 Euro.
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Zwiespältig beschreibt Rezensentin Gisa Funck ihr Leserlebnis mit den vierundachtzig Miniepisoden dieses Buches. Die darin beschriebenen Befindlichkeiten eines Mannes, dessen Seele "nur langsam mitzieht", während die Welt, die er per E-Mail und als real Reisender durchquert, dank Internet und Globalisierung immer schneller wird, hat sie zwar nicht ganz unbeeindruckt gelassen, aber wie sich hier eine biografische Skizze an die nächste reiht, findet sie auf die Dauer dann doch zu bemüht postmodern und letztlich monoton.

© Perlentaucher Medien GmbH