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Lazars 1920 erstmals erschienener Debütroman ist eine eigentümlich faszinierende Mischung aus Sittenroman und autobiographischer Familiengeschichte. Zugleich ist es eine Tour de Force literarischer Selbstbehauptung. In dreizehn, zyklisch angeordneten Kapiteln umkreist der Roman das Leben der zwanzigjährigen Protagonistin Ruth, erzählt von ihren Ängsten, Hoffnungen und Unzulänglichkeiten, von ihrer zerstörerischen Liebe zu einem namenlosen, älteren Mann und ihrem mit brutaler Vehemenz ausgetragenen Kampf gegen die Vereinnahmungsversuche der überdominanten Mutter. Lazar schrieb ihn 1915, als sie…mehr

Produktbeschreibung
Lazars 1920 erstmals erschienener Debütroman ist eine eigentümlich faszinierende Mischung aus Sittenroman und autobiographischer Familiengeschichte. Zugleich ist es eine Tour de Force literarischer Selbstbehauptung. In dreizehn, zyklisch angeordneten Kapiteln umkreist der Roman das Leben der zwanzigjährigen Protagonistin Ruth, erzählt von ihren Ängsten, Hoffnungen und Unzulänglichkeiten, von ihrer zerstörerischen Liebe zu einem namenlosen, älteren Mann und ihrem mit brutaler Vehemenz ausgetragenen Kampf gegen die Vereinnahmungsversuche der überdominanten Mutter. Lazar schrieb ihn 1915, als sie gerademal zwanzig Jahre alt war, in einer mächtigen, vernichtenden Wendung gegen die moralisierend-restaurative Lebenswelt des Wiener Großbürgertums vor Beginn des Ersten Weltkriegs; eine Welt, die sie als das jüngste Kind einer vermögenden, jüdischen Wiener Familie bestens kannte, in der sie sich aber niemals wirklich heimisch fühlte."Man fragt sich, warum und wie das Werk ein Jahrhundert lang der Aufmerksamkeit entgehen konnte."- Sandra Kerschbaumer in der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung'"Eine so eigenwillige und eine so starke Sprache hat man lange nicht mehr vernommen, und wie hier erzählt wird, das verrät Souveränität, Gestaltungsvermögen und auch literarisches Selbstbewusstsein - dreizehn Kapitel, die eigentlich kleine Erzählungen sind, die sich im Laufe der Lektüre allmählich zu einem Ganzen zusammenschließen. Man vergisst bei dieser eindringlichen Bilderfolge schnell alle Versuche einer literaturhistorischen Einordnung ('Expressionismus' oder 'Impressionismus'), aber wenn man die Nachbarschaften dieses außergewöhnlichen kleinen Romans benennen will, dann sind das große Namen wie Ernst Weiss, Hermann Ungar oder Veza Canetti - kurz: es handelt sich um eine kleine Sensation." - Michael Rohrwasser in der 'Wiener Zeitung'Der Herausgeber, Prof. Dr. Johann Sonnleitner von der Universität Wien, ist ein anerkannter Experte auf dem Gebiet der österreichischen Literatur zwischen den Weltkriegen und hat ein umfangreiches und literarhistorisch fundiertes Nachwort zu dem lange vergessenen Werk beigesteuert.
Autorenporträt
Lazar, Maria
Maria Lazar (1895-1948) entstammte einer jüdisch-großbürgerlichen Wiener Familie. Sie absolvierte das berühmte Mädchengymnasium der Eugenia Schwarzwald, in deren Salon Oskar Kokoschka sie 1916 porträtierte und in dem sie mit zahlreichen prominenten Figuren der damaligen Wiener Kulturszene zusammentraf, darunter Adolf Loos, Hermann Broch und Egon Friedell. Seit den frühen 20er Jahren war sie als Übersetzerin tätig und schrieb für renommierte österreichische, skandinavische und Schweizer Zeitungen. Erst als sie 1930 zum nordischen Pseudonym Esther Grenen greift, stellt sich quasi über Nacht ihr verdienter literarischer Ruhm ein; ein Erfolg, der allerdings durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten ein jähes Ende findet. Aufgrund des repressiven Klimas verlässt sie schon 1933 mit ihrer Tochter Österreich und geht zuerst, gemeinsam mit Bertolt Brecht und Helene Weigel, ins Exil nach Dänemark. 1939 flüchtet sie nach Schweden und scheidet 1948 nach einer langwieri

gen, unheilbaren Krankheit freiwillig aus dem Leben. Ihr breitgefächertes und wagemutiges literarisches Oeuvre geriet schon vor 1945 völlig in Vergessenheit.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Franz Haas spürt die Herz- und Seelensäfte brodeln in diesem vergessenen, nun wieder aufgelegten Roman der Wienerin Maria Lazar. Die Autorin stellt er sich beim Lesen als zornige junge Frau vor, die böse und im hämmernden Rhythmus des Expressionismus den Kampf der Klassen und Generationen und die Verlogenheit des Geld-Adels beschreibt. Dass Lazar in ihrem Roman den Topos des Vater-Sohn-Konflikt einfach als weibliche Variante erzählt und sich vermittels ihrer Erzählerin auch sonst bürgerlichen Gepflogenheiten verweigert, macht das Buch für Haas zu einem verblüffenden Zeitzeugnis, das es zu entdecken gilt, wie er findet.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.05.2015

Gedichtet aus trotzigen Kräften
Von Musil empfohlen, von Mann abgetan: Wie liest sich Maria Lazars Roman "Die Vergiftung" heute?

Es ist eigenartig, wenn ein Buch wie aus dem Nichts wiederauftaucht. Eine junge österreichisch-jüdische Schriftstellerin, Maria Lazar, veröffentlichte 1920 ihren ersten Roman: "Die Vergiftung". Das Werk blieb ohne großen Erfolg. Nun hat der neugegründete Wiener Verlag mit Namen DVB (für "Das vergessene Buch") die Erstausgabe wiederaufgelegt und wirbt für ein bedeutendes Werk des weiblichen literarischen Expressionismus. Man fragt sich, warum und wie das Werk ein Jahrhundert lang der Aufmerksamkeit entgehen konnte. Kanonisierungsprozesse sind ja bekanntlich auch von gesellschaftlichen, politischen, also außerliterarischen Faktoren abhängig.

Maria Lazar war Tochter einer vermögenden, zum Katholizismus konvertierten großbürgerlich-jüdischen Familie, die das jüngste Kind zur Ausbildung in die reformpädagogische Mädchenschule der Genia Schwarzwald schickte. Die Pädagogin unterhielt einen berühmten Wiener Salon, in dem die früh von ihr geförderte Maria Lazar Persönlichkeiten des damaligen Kulturlebens traf: Adolf Loos und Elias Canetti, Hermann Broch und Egon Friedell. Es kann also nicht an einer mangelnden Vernetzung gelegen haben, dass das Debüt der damals Fünfundzwanzigjährigen, ebenso wie der ein Jahr später uraufgeführte Einakter "Der Henker", von Publikum und Kritik zurückhaltend aufgenommen wurde. Robert Musil immerhin konstatierte einen "rücksichtslos unbefangenen Blick" - aber auch das Fehlen eines "geistigen Zusammenhalts".

Der Wiener Literaturwissenschaftler Johann Sonnleitner legt im Nachwort ein fatales Zusammenwirken nahe: Ablehnung zeitkritischer Literatur, Erstarken antijüdischer Ressentiments und Misogynie der Männer, speziell der Thomas Manns. "Ging gestern Abend wieder in den Park, saß zum ersten Mal wieder lesend unter einem Baum. Begann mit einem Roman Vergiftung von Maria Lazar, den Karin Michaëlis geschickt, lese aber nicht weiter. Penetranter Weibsgeruch." Damit eine engagierte Forschung diese Vorwürfe nüchtern überprüfen kann, ist es gut, dass das Buch wieder vorliegt und auch ein Schlaglicht auf die Biographie Lazars fällt, die sich bis zu ihrem Gang ins Exil als Journalistin für den "Wiener Tag" und die "Arbeiterzeitung" etablierte. Aber ist ihr Buch für den an kulturellen Exklusionsprozessen weniger interessierten Leser ein Gewinn?

Man liest heute mit einigem Abstand die hochpathetische Leidensgeschichte der jungen Ruth, die in dreizehn grellen, episodenhaften Kapiteln erzählt ist. Die Protagonistin fühlt sich in der Ordnung der modernen Welt dermaßen gefangen, dass sie sich allem verweigert, alles zerschlagen will, zuallererst die "bürgerlich grüne Hängelampe" im Salon der elterlichen Wohnung. Aber es sind nicht die äußeren Auseinandersetzungen mit einer dominanten und zugleich schwachen Mutter, einer sinnenfeindlich-vertrockneten Schwester, einem maskenhaften Bruder, sondern die Zustände der jungen Protagonistin, die den Text prägen. Die titelgebende Vergiftung geht dabei nicht allein von der Familie aus, sondern auch von einem mysteriösen Geliebten, einem alten Chemiker, der die junge Frau in emotionaler Abhängigkeit hält: "Du warst die Phiole für mein kostbarstes Experiment. In dir habe ich mich selbst experimentiert." Eine tiefenpsychologische Interpretation des Romans liegt bereits vor.

Zu den expressionistischen Zügen des Romans zählen nicht nur Bürgerlichkeits- und Generationenhass, sondern auch die Großstadterfahrung. Ruth streift bis in die ärmlichen Außenbezirke der Stadt durch die Straßen. Dabei begegnet sie einem prekär lebenden Volksschullehrer, der sie zugleich anzieht und ekelt. Die Leidensgestalt des Thomas, der zuletzt im Wahn einen Brand legt, ist die wohl imposanteste Nebenfigur des Romans, der sonst eher klischeehafte Schemen aufbietet: "Was wollen alle diese von ihr, diese Lügner, die nur zum Schein ganz leben und an hundert Stellen getötet sind?" Ruths Fremdheit sich selbst, anderen und der Umwelt gegenüber ist bei aller Modernität des Romans nicht suggestiv genug gestaltet, um heutige Leser zu bannen.

Das im Laufe der zwanziger Jahre zunehmend politische Werk der Maria Lazar gewinnt allerdings für die Exilforschung an Interesse, seit diese vermehrt Positionen und Identitätskonflikte jüdischstämmiger Autorinnen betrachtet. Ab 1930 veröffentlichte Lazar unter dem Pseudonym Esther Grenen weitere Theaterstücke und Romane, bevor ihr das Exil den Zugang zum deutschsprachigen literarischen Markt abschnitt. Gemeinsam mit Bertolt Brecht und Helene Weigel bezog sie ein Haus auf Fünen und siedelte zwei Jahre später nach Kopenhagen über. Aus Angst vor dem Vorrücken der Nationalsozialisten floh sie 1939 weiter nach Schweden und starb dort, schwer erkrankt, einen Freitod.

SANDRA KERSCHBAUMER.

Maria Lazar: "Die Vergiftung". Roman.

DVB Verlag, Wien 2014. 168 S., br., 17,90 [Euro].

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