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In seinem rasanten Laptop-Roadmovie ist der Autor den schwindelerregenden Verbindungen von Systemtheorie, Kybernetik, Militär und Bewusstseinsprotokollen auf der Spur. Den Recherchen zu Ursprüngen und Voraussetzungen weltweit vernetzter Systeme ist eine deutsche Übersetzung des sogenannten Unabomber-Manifests angehängt. Die weltweite Vernetzung von Computern, Institutionen, Menschen ist längst Realität. In seinem Film »Das Netz«, der 2004 auf dem »european media art festival« mit dem Hauptpreis ausgezeichnet wurde, hat Lutz Dammbeck den Ursprüngen dieser Entwicklung nachgespürt. Seit den…mehr

Produktbeschreibung
In seinem rasanten Laptop-Roadmovie ist der Autor den schwindelerregenden Verbindungen von Systemtheorie, Kybernetik, Militär und Bewusstseinsprotokollen auf der Spur. Den Recherchen zu Ursprüngen und Voraussetzungen weltweit vernetzter Systeme ist eine deutsche Übersetzung des sogenannten Unabomber-Manifests angehängt. Die weltweite Vernetzung von Computern, Institutionen, Menschen ist längst Realität. In seinem Film »Das Netz«, der 2004 auf dem »european media art festival« mit dem Hauptpreis ausgezeichnet wurde, hat Lutz Dammbeck den Ursprüngen dieser Entwicklung nachgespürt. Seit den 1940er Jahren entwarfen Kybernetik, Multimediakunst, LSD-Versuche und Systemtheorie die faszinierende Vision einer offenen, globalen und vernetzten Weltgesellschaft. Einer der bekanntesten Gegner dieser technologischen Gesellschaft ist der so genannte Unabomber, der von 1978 bis 1995 durch eine Serie von Bombenanschlägen auf namhafte Wissenschaftler die USA erschütterte. Dammbeck hat beeindruckende Dokumente über die Entwicklung der Kybernetik und militärischer Verteidigungsstrategien zu Tage gefördert. Er hat Interviews mit den Protagonisten der Cyber-Elite geführt: dem Verleger John Brockman, den Informatikern Stewart Brand und David Gelernter, dem Physiker Heinz von Foerster u.a. Diesen Stimmen stellt er Auszüge aus Briefen des hochbegabten ehemaligen Harvard-Mathematikprofessors Ted Kaczynski entgegen, mit dem er nach dessen Verhaftung einen jahrelangen Briefwechsel führte. Kaczynski war 1996 als mutmaßlicher Unabomber verhaftet und zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach einer Krebsdiagnose starb er 2023 in der Haft durch Suizid.
Autorenporträt
Lutz Dammbeck, geb. 1948 in Leipzig, Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig, lebt seit 1986 als Maler und Filmemacher in Hamburg. Sein Film und Buch »Das Netz« von 2004/2005 ist Teil seiner künstlerischen Auseinandersetzung mit den Zusammenhängen von Kunst, Macht, Wissenschaft und Philosophie, die er seit 1983 in einer Art Gesamtkunstwerk mit dem Titel HERAKLES KONZEPT reflektiert (www.herakleskonzept.de).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.02.2005

Deckname Joseph Conrad
Lutz Dammbecks vernetzte Recherchen über den Unabomber

Im April 1996 verhafteten FBI-Beamte den ehemaligen Mathematikprofessor Ted Kaczynski in seiner Hütte in den Wäldern von Montana. Sechzehn Briefbombenanschläge mit drei Toten und dreiundzwanzig Verwundeten gehen auf Kaczynskis Konto, der eine lebenslange Haftstrafe verbüßt. Seine Attentate auf Universitäten und Fluggesellschaften trugen ihm den Namen "Unabomber" ein, eine Zusammensetzung aus "University" und "Airline". Doch zu seinen Opfern zählten auch Vertreter der Computerindustrie und der Forstwirtschaft. Sie alle repräsentierten in Kaczynskis Augen das verhaßte technisch-industrielle "System".

Der Medienkünstler Lutz Dammbeck stieß auf den Ökoterroristen bei seinen Recherchen zur Geschichte der digitalen Vernetzung und der Utopien, die sich um Begriffe wie Kybernetik und Multimedia, Internet und Cyberspace ranken. Sein Buch, hervorgegangen aus einem Dokumentarfilm, ist eine Collage aus Rechercheaufzeichnungen, Interviews, Briefen und Dokumenten. Es spiegelt in seiner assoziativen Struktur den Gegenstand, von dem es handelt: ein über die Jahrzehnte gewachsenes Geflecht aus intellektuellen Wahlverwandtschaften zwischen Computerwissenschaftlern, Militärs, Systemtheoretikern und Experimentalkünstlern, die sich faszinieren ließen von den Möglichkeiten, die das digitale Netz und seine Metaphern eröffnen. Kaczynski, der als Sechzehnjähriger sein Mathematikstudium an der Universität in Harvard begann, erscheint als ein Produkt und ein späterer Todfeind dieses Milieus.

Die Wurzeln des Cyberspace und seiner Mythen verortet Dammbeck im Amerika des Kalten Kriegs. Damals diskutierten Geheimdienstmitarbeiter mit Ingenieuren, Psychologen, Sozialwissenschaftlern und Ethnologen über die Möglichkeiten, die durch die Kybernetik, die Nachrichtentheorie und das "Elektronengehirn" eröffnet wurden. Die Theorie rückgekoppelter Systeme gebar technische Visionen und politische Omnipotenzphantasien: Dazu gehörten elektronische Schlachtfelder ebenso wie die sozialtechnologische Utopie einer globalen Einheitsgesellschaft oder das Ziel, alle menschlichen Gehirne gemäß den Werten des "American way of life" zu programmieren.

Kaczynski kam mit dieser Welt in Berührung, als er sich im Jahr 1959 in Harvard als Versuchsperson für ein psychologisches Experiment zur Verfügung stellte. Dessen Leiter, Henry A. Murray, der zu dieser Zeit mit dem LSD-Apostel Timothy Leary zusammenarbeitete, wollte das Verhalten von Hochbegabten unter psychischem Druck erforschen. Was bedeuteten die dubiosen Versuche für den späteren Unabomber, der unter dem Codenamen "Gesetzestreu" geführt wurde? Die Testunterlagen sind aus den Archiven verschwunden. Kaczynski selbst, der mit Dammbeck in makellosem Deutsch korrespondiert, verweigert jede autobiographische Auskunft.

Gewiß ist, daß er Ende der sechziger Jahre eine verheißungsvolle akademische Karriere abbrach und in die Berge von Montana zog. Zu dieser Zeit begann die Hippie-Kultur zu verblühen, die zwischen technologischen Utopien und nostalgischen Naturmythen oszillierte. Dammbecks Interviewpartner Steward Brand, der den Begriff "Personal Computer" prägte, vereinte in den sechziger Jahren all diese gegenläufigen Strömungen in seiner Person. Er nahm als "alternativer Kybernetiker" an Drogenexperimenten teil, brachte den "Whole Earth Catalog" für alternative Lebensweisen heraus und entwarf später Computernetzwerke. Die Lust auf Grenzüberschreitungen und der Glaube an die Kommune als Weltmodell war der kleinste gemeinsame Nenner dieser disparaten Popkultur. Als sich die Wege trennten, gehörte Kaczynski zu denen, die sich für Thoreaus Hütte in der Einsamkeit und gegen die digitale Zukunft entschieden.

Einige von Dammbecks Gesprächspartnern, die heute zur amerikanischen "Cyberelite" um den Verleger John Brockman gehören, reagierten auf Fragen nach dem Unabomber mit schroffer Ablehnung. Dammbeck vermutet hinter dieser Haltung die versteckte Ächtung eines abtrünnig gewordenen Zunftmitglieds. Das mag ein Teil der Erklärung sein. Aber man muß einem Interviewpartner wie David Gelernter, dem Kaczynskis Paketbombe eine Hand abriß, wohl nicht verdrängte Abwehrmechanismen unterstellen, wenn er auf das Ansinnen, abgeklärt über die Philosophie seines Peinigers zu diskutieren, emotional reagiert. Die Perspektive der Opfer nachzuvollziehen ist Dammbecks Sache nicht. Außer David Gelernter, der als Protagonist des "Netzes" befragt wurde, kommen die Verwundeten oder Hinterbliebenen der Attentate nicht vor.

Weil Dammbeck im Buch auf die suggestiven Bilder seines Films verzichten muß, werden brüchige Stellen im Netz seiner Schilderung deutlicher sichtbar. So spannend die kreuz und quer laufenden Verbindungen zwischen Kunst, Wissenschaft, Industrie, staatlicher Macht und Gegenkultur auch sind - des öfteren bleibt unklar, ob es sich dabei um mehr als um vage Assoziationen handelt. Manch offene Frage wäre vielleicht beantwortet worden, hätte Dammbeck die reichhaltigen Hintergrundinformationen eingearbeitet, die sich auf seiner eigenen Website (www.t-h-e-n-e-t.com) finden lassen. So liefert das Buch immerhin wertvolles Material für eine Kulturgeschichte des digitalen Netzes, die noch zu schreiben ist.

In der zweiten Hälfte des Buches findet sich als Zeugnis für die dunkle Seite dieser Geschichte Ted Kaczynskis Manifest "Die industrielle Gesellschaft und ihre Zukunft", das amerikanische Zeitungen kurz vor seiner Festnahme auf sein Verlangen hin veröffentlicht hatten. Dem Leser begegnet hier nicht der verwirrte Ökomystiker, als den Medienberichte Kaczynski gern porträtieren: Die Natur als Ersatzreligion ist für ihn nur ein nützliches Propagandamittel. Es ist vielmehr der Traktat eines Fanatikers, für den die moderne Gesellschaft keine Fehler hat, sondern selbst der Fehler ist. In diesem Weltbild, das streckenweise an die Technikkritik Friedrich Georg Jüngers aus den vierziger Jahren erinnert, verdichten sich Hochtechnologie, Massenmedien und Wissenschaft zu einer undurchdringlichen Struktur, die die Natur aussaugt, den Menschen ihre Autonomie raubt und sie mit Ersatzbefriedigungen ruhigstellt. Demokratische Kontrollmechanismen und ökologische Reformen dienen nur der Perfektionierung dieses Systems. Dessen völlige Auslöschung ist jede Katastrophe, die daraus resultieren mag, wert. Eine darüber hinausweisende politische Utopie fehlt.

Der Unabomber, der unter dem Decknamen "Joseph Conrad" operierte, weil er den Roman "Der Geheimagent" liebte, hat aus der Geschichte die Lehre gezogen, daß eine künftige Gesellschaft sich nicht planen läßt, wohl aber die Destruktion der bestehenden. Eine Lehre, die die Wissenschaftsgesellschaft ziehen könnte, ist, nicht zu vergessen, daß es neben dem religiösen auch einen nihilistischen Terrorismus gibt, der direkt aus ihrer Mitte kommt. Das Internet, für Kaczynski der Inbegriff des totalitären "Systems", dient ihm jetzt, da er im wörtlichen Sinne dessen Gefangener ist, als Plattform für seine Thesen: Das ist die Dialektik des Netzes.

WOLFGANG KRISCHKE

Lutz Dammbeck: "Das Netz - die Konstruktion des Unabombers". Mit einem Anhang: "Die industrielle Gesellschaft und ihre Zukunft" (Unabomber-Manifest) von FC. Edition Nautilus, Hamburg 2005. 160 S., 38 S/W-Fotos, br., 13,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein anregendes, aber auch spekulatives Buch. So kann man Wolfgang Krischkes Kritik von Lutz Dammbecks "Das Netz - die Konstruktion des Unabombers" zusammenfassen. Dieses Fazit verwundert nicht, hat das Buch doch einen so anregenden wie zwiespältigen Gegenstand, nämlich den Thoreau-artigen einstigen Mathematikprofessor Ted Kaczynski, der 1996 von FBI-Beamten in den Wäldern von Montana verhaftet wurde. Der "Unabomber" hat drei Tote und 23 Verwundete zu verantworten. Dass der Briefbombenattentäter heute eine lebenslängliche Haftstrafe absitzen muss, bringt Dammbeck damit in Verbindung, dass Kaczynski 1959 in Harvard an einem psychologischen Experiment teilnahm, in dessen Rahmen ein Freund und Wegbegleiter von LSD-Apostel Timothy Leary "das Verhalten von Hochbegabten unter psychischem Druck" erforschen wollte. Ging dabei etwas schief? Die moderne hochtechnologische Cyberspace- und Informationsgesellschaft lehnt Kaczynski jedenfalls rundum und radikal ab, wie man in seinem im Buch abgedruckten Manifest "Die industrielle Gesellschaft und ihre Zukunft" nachlesen kann - denn ihre Zukunft kann, so der "Unabomber", nur die Auslöschung der industriellen Gesellschaft sein. Dammbecks Werk, das auf einem Dokumentarfilm basiert, liefert, das betont Krischke, "immerhin wertvolles Material für eine Kulturgeschichte des digitalen Netzes, die noch zu schreiben ist".

© Perlentaucher Medien GmbH…mehr