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Horst Streugöbel, frischgebackener Abiturient, will Künstler werden. Da macht Patenonkel Robert dem Bohemien erst einmal klar, wie man sein Leid in ein Lied, seinen Kummer in Kohle und seine Gier nach Anerkennung in Ruhm umwandelt. Diese höchst witzige Satire auf den Kulturbetrieb hilft jedem, denn keine Sau, so stellt Gernhardt fest, hat Lust zu rühmen, doch "jedes noch so dumme Schwein will berühmt werden."

Produktbeschreibung
Horst Streugöbel, frischgebackener Abiturient, will Künstler werden. Da macht Patenonkel Robert dem Bohemien erst einmal klar, wie man sein Leid in ein Lied, seinen Kummer in Kohle und seine Gier nach Anerkennung in Ruhm umwandelt. Diese höchst witzige Satire auf den Kulturbetrieb hilft jedem, denn keine Sau, so stellt Gernhardt fest, hat Lust zu rühmen, doch "jedes noch so dumme Schwein will berühmt werden."
Autorenporträt
Gernhardt, RobertRobert Gernhardt (1937-2006) lebte als Dichter und Schriftsteller, Maler und Zeichner in Frankfurt am Main und in der Toskana. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Heinrich-Heine-Preis und den Wilhelm-Busch-Preis. Sein umfangreiches Werk erscheint bei S. Fischer, zuletzt »Toscana mia« (2011), »Hinter der Kurve« (2012) und »Der kleine Gernhardt« (2017).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.09.1995

Der Meister spricht
Robert Gernhardts Irrwege des Ruhms / Von Thomas Steinfeld

Onkel Robert hat ein Patenkind. Als das Abitur des Neffen gefeiert werden soll, zieht die Mutter den Dichter-Onkel beiseite: Der junge Mann, Horst Streugöbel mit Namen, möchte auch Künstler werden, und ob der berühmte Verwandte dem Kleinen nicht einmal hilfreich unter die Arme greifen könne. So sollen, behauptet Robert Gernhardt, die "Wege zum Ruhm" entstanden sein: eine Reihe von Briefen an den Neffen, eine Einführung in das Geheimnis einer künstlerischen Existenz. Das Büchlein kommt schlicht daher, ein Gespräch in vorgespiegelter Naivität. "Ich kann Dir die beruhigende Mitteilung machen, daß auch bei Künstlers nichts so heiß gegessen wird, wie es formuliert wird." Hinter solcher Bescheidenheit lauert der Zweifel.

"Keine Sau will mehr rühmen; jedes noch so dumme Schwein will berühmt werden", lautet einer jener Sätze Robert Gernhardts, die schon auf ihre Zitierbarkeit hin geschrieben wurden und so großen Erfolg hatten, daß sie in den Volksmund eingegangen sind. Und man lacht, zumindest beim ersten Hören, doch das liegt nicht allein an der harmlosen Obszönität des Tiervergleichs. Denn dieser Satz ist wahr. In einer Welt, in der sich, wie Joseph Beuys behauptete, in jedem Wicht ein Künstler verberge, wird zwar nicht die Kunst, aber das Bedürfnis nach Anerkennung großgeschrieben: das Verlangen nach Beifall für ein Ich, das nichts weiter leisten muß, als eben dieses Ich zu sein. Im Leben aber stößt man mit einem solchen Anspruch auf einigen Widerstand. Denn dort treten lauter Ichs mit gleichen Vorhaben auf. Sie schließen einander aus, und daher bedarf es besonderer Fähigkeiten der Durchsetzung, um sich als privilegiertes Ich, und das heißt: als moderner Künstler, zu behaupten.

Robert Gernhardts "Wege zum Ruhm" führen in zwei Richtungen. Einmal sind es dreizehn Lehrbriefe, die den Kandidaten für die Künstlerlaufbahn vielleicht sogar zum Ziel lenken. Hier spricht ein erfahrener, ja weiser Dichter und mildert den Schein einer höheren Bedeutung, der sich mit dem Leben eines Künstlers verbindet, auf lauter prosaische Kerne: Vom richtigen Namen bis zum richtigen Nachleben reicht die Kette der Durchsetzungstechniken. Der letzte Brief heißt "Warnung" und führt bis weit hinter den Ausgangspunkt der Lehrbriefe zurück. Er handelt vom Umgang der Künstler miteinander, vom Mißverstehen, vom Anstand, von den Posen und vom Neid, von Nachahmung und Stil, vom Ruhm als dem Zweifelhaften schlechthin. Vom Verfertigen der Kunst, vom Handwerklichen, als dessen Meister sich Robert Gernhardt so oft erwiesen hat, spricht der Künstler nicht: Es ist unter diesen Voraussetzungen das Marginale.

Die Selbsthistorisierung hat bei Robert Gernhardt, wie bei einigen seiner Gefährten aus der Neuen Frankfurter Schule, eine Tradition. Dem "niemals zufriedenstellend beschriebenen Vorgang des Berühmtwerdens" galten schon früh seine literarischen Anstrengungen. Einige sind in dem 1983 erschienenen Band "Glück Glanz Ruhm" nachzulesen. Und der Erfolg scheint zu belegen, daß die Bemühungen den wachsenden Ruhm wenn nicht befördert, so doch zumindest kongenial begleitet haben: Robert Gernhardt hat ein Reclam-Bändchen bekommen, sein Gedichtband "Wörtersee" erschien gerade in einer Jubiläumsausgabe, und auch die "Besternte Ernte", ein Gemeinschaftswerk mit F. W. Bernstein und F. K. Waechter, ist neuerdings in einer Gedächtnis-Edition erhältlich. Der Dichter kann sich dicken Lorbeer um das Haupt flechten.

Im Kapitel "Von Büchern und ihren Schicksalen" erzählt Robert Gernhardt die Frühgeschichte der "Besternten Ernte": Es war eine schmachvolle Wanderung durch die Verlage, und nicht ohne Vergnügen verrät der später so Erfolgreiche, wer ihn damals so unterschätzte. Denn heute sind fünfundachtzigtausend Exemplare von diesem Werk verkauft, in dem so wunderschöne Verse stehen wie: "Der Bär schaut seinen Zieselmann / nie ohne stille Demut an." Doch so angenehm die Genugtuung heute sein mag - man konnte doch nicht damit rechnen. Im Gegenteil, in den sechziger Jahren, als diese Gedichte und Bildgedichte im Umkreis der satirischen Zeitschrift "pardon" entstanden, muß allein der Gedanke, mit den abgründigen Zweideutigkeiten der "Besternten Ernte" könne man dauerhaften Ruhm erwerben, reichlich verwegen gewirkt haben - und mindestens so frivol wie die Vorstellung, "Eleanor Rigby" werde eines Tages und sehr selbstverständlich als Klassiker nicht nur der populären Musik betrachtet.

In solchen Kreisen muß der Ruhm einst das völlig Unwahrscheinliche gewesen sein. Was nicht heißt, daß man den Ruhm nicht doch hätte beanspruchen wollen, hätte er sich angeboten. Diese Zwiespältigkeit gehört zur Eigenart der künstlerischen Berufe, und es gibt sie sogar in Stunden letzter Erfolg- und Haltlosigkeit: Denn verstünden die Schriftsteller die Welt so wenig wie umgekehrt, so müßte die Literatur vollends verzweifeln. Kein Wunder also, wenn sich einer selbst ein wenig auf die Schultern klopft, bevor die Welt nachkommt.

Für eine Weile tut das gut. Doch nur für eine Weile: Denn die Befriedigung, die durch Anerkennung gewährt wird, läßt eine Seele nicht zur Ruhe kommen, und vom Beifall gibt es nie genug. Ruhm wird von Zweifeln begleitet, weshalb man, wenn man ehrlich ist, die eigene Geschichte als unendliche Reihe von Zuspruch und Demütigung darstellen kann und doch immer vom Durchbruch träumt. Auch das schildert Robert Gernhardt. Er erzählt die Geschichte, wie er den Rilke-Weg von Duino nach Sistiana geht und ihm der Gernhardt-Gedächtnis-Felsen fehlt: "Immer rasender näherte ich mich dem Abgrund, die Arme wie zum Fliegen ausgebreitet und die Augen trunken in die Septembersonne gerichtet, in den goldnen Überfluß der Welt, von wem war das noch mal, dachte ich und wollte bereits zum letzten Sprung ansetzen..." Was am Ende zählt, sind nur die Zweideutigkeiten.

Aber der Erfolg ist eindeutig. Man kann ihn zum Beispiel in Auflagenhöhen messen. Oder in Geld. Literarischer Ruhm ist dagegen ein altmodischer Titel, der vor allem mit großen Werken und wenn mit Gedichten, so doch eher mit Elegien und anderen ernsten Formen erworben werden konnte. Müßte nicht auch ein zeitgenössischer Dichters, um berühmt zu werden, etwas Gewaltiges verfassen, damit man es bewundern kann?

Berühmt sind Goethe und Schiller. Ihnen widmet Robert Gernhardt eine lange Passage seines Büchleins, wobei ihn weniger die Wege interessieren, auf denen die beiden ihren Ruf erreicht haben. Nein, wie sie gewesen sein müssen, interessiert den Theoretiker des Ruhms. Vergleichbar Gutartiges habe die Geschichte nicht hervorgebracht, "da das beiderseitige Bemühen um Verständnis wirklich nicht ganz von dieser Welt ist". Und gutartig, wie Robert Gernhardt ist, nimmt er die beiden in Schutz: vor den Germanisten, die behaupten, die Klassiker hätten nicht genügend für Friedrich Hölderlin getan, vor Karin Struck, die mehr als Werther gelitten haben will, und vor Heinrich von Kleist, der rücksichtsvoll behandelt wurde und Goethe dann doch wegen Dramenmißhandlung zum Duell fordern wollte. Zwei wahre Meister, in der Kunst wie im Leben.

Ein großes Werk hat Robert Gernhardt noch nicht geschrieben, eins, an dem das Leben sich zu messen hätte. Ihm gehören, bis heute jedenfalls, die kleinen Formen, und auf ihnen lastet das Genie in ganz anderer Weise als auf den Großen: In Fragmenten wird der Geist verschwendet, und in blitzender Flüchtigkeit muß alles gesagt sein. Wer damit dauerhaften Ruhm begehrt, dichtet sich selber mit, und dann ist die Reflexion auf Erfolg und Ruhm nicht nur Stoff für ein Buch oder zwei, sondern durchlaufendes Motiv eines ganzes Werkes.

"Mit Dorle im Bett Marzipan essen" lautet die letzte Botschaft für das richtige Leben am Ende der "Warnung". Sie ist ohne Ernst. Es gibt keinen Halt in dieser Geschichte, und nachdem alle Möglichkeiten durchgespielt sind, bleibt der Künstler, den es doch zum Ruhme trieb, als weltabgewandte Gestalt zurück. Ganz einfach hat Robert Gernhardt dahingeplaudert, ganz dicht am Leben. Aber dann hat sich die Geschichte auf unglaubliche Weise verselbständigt. Robert Gernhardts "Wege zum Ruhm" sind ein wunderbares Buch. Denn es ist alles wahr.

Robert Gernhardt: "Wege zum Ruhm". Dreizehn Hilfestellungen für Künstler und eine Warnung. Haffmans Verlag, Zürich 1995. 192 S., geb., 36,- DM.

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