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»Trennung von Staat und Kirche im Okzident« versus »Verschmelzung von Politik und Religion in Byzanz und im Islam«: Mit diesen Attributen beschrieb man bislang häufig die globalgeschichtlichen Unterschiede zwischen Europa und dem Nahen Osten im Mittelalter. Almut Höfert wendet sich gegen diese tradierte Vorstellung. In einem Bogen von der Spätantike bis zum Hochmittelalter befasst sie sich mit der Frage, wie das moderne, eurozentristische Konzept von Religion auf vormoderne Verhältnisse angewendet werden kann. Ihre zentrale These lautet: Das römisch-byzantinische Kaisertum, das…mehr

Produktbeschreibung
»Trennung von Staat und Kirche im Okzident« versus »Verschmelzung von Politik und Religion in Byzanz und im Islam«: Mit diesen Attributen beschrieb man bislang häufig die globalgeschichtlichen Unterschiede zwischen Europa und dem Nahen Osten im Mittelalter. Almut Höfert wendet sich gegen diese tradierte Vorstellung. In einem Bogen von der Spätantike bis zum Hochmittelalter befasst sie sich mit der Frage, wie das moderne, eurozentristische Konzept von Religion auf vormoderne Verhältnisse angewendet werden kann. Ihre zentrale These lautet: Das römisch-byzantinische Kaisertum, das umayyadisch-abbasidische Kalifat sowie die karolingisch-ottonische Kaiserherrschaft und das Papsttum entwickelten das spätantike Herrschaftsprinzip des imperialen Monotheismus in verschiedenen, konfliktträchtigen Varianten weiter. Karl der Große erscheint in dieser Perspektive nicht als der Begründer eines einzigartigen Europas, sondern – gemeinsam mit den Kalifen – in der Tradition der Spätantike.
Autorenporträt
Almut Höfert ist Professorin für Geschichte des Mittelalters an der Universität Oldenburg.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Almut Höfert versucht in ihrem Buch "Kaisertum und Kalifat" eine Verbreitung der Idee des "monotheistischen Imperialismus" von der Kaiserzeit Konstantins an auch über die Grenzen der latinisierten, christlichen Welt hinaus nachzuweisen, berichtet Michael Borgolte. Als Islamwissenschaftlerin hat Höfert der bisherigen Forschung auf diesem Gebiet besonders die Kenntnis der arabischen Quellen voraus, und tatsächlich sind einige ideengeschichtliche Parallelen, die sie aufdeckt, ziemlich spannend, findet der Rezensent. Leider opfert die Autorin der Kohärenz ihrer Theorie allerdings deren historische Integrität, kritisiert Borgolte. Die historische Studie müsste sich stärker an der damaligen Praxis orientieren und die jeweiligen kulturellen Unterschiede stärker im Blick behalten, um tatsächliche Einflüsse nachweisen zu können, so der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Der Anspruch der Kalifen

Ein Gott, ein Reich: Haben Mohammeds Nachfolger verwirklicht, was ihnen das römischchristliche Modell vor Augen führte?

Es war vermutlich Al Walid II., der spätere umayyadische Kalif von Damaskus (er regierte 743/744), der im jordanischen Qusair Amra ein Badehaus errichten ließ. Der Kuppelbau erinnert an spätantike Vorbilder, aber die in seinem Gewölbe angebrachte Himmelskarte soll auf das indische Konzept der Erdkuppel zurückgehen. Die "Audienzhalle", die sich dem Badehaus anschließt, bietet eine Darstellung des thronenden Herrschers, die an Christus als Pantokrator erinnert; ihm gegenüber, und das ist das aufregendste Detail der kalifalen Propaganda, stehen sechs Herrscher, die durch Beischriften in arabischer und griechischer Sprache identifiziert werden.

Lesbar sind die Namen des Persers Chosrau, der für das von den islamisierten Arabern unterworfene Reich der Sassaniden steht, und des letzten westgotischen Königs Roderich, der sein Reich in Spanien erst 711 an einen nordafrikanischen Feldherrn des Kalifats verloren hatte. Der Negus von Abessinien und der "Kaisar" von Byzanz repräsentieren namenlos ihre Reiche, während sich zwei nicht sicher erkennbare Figuren auf den Khagan der Turkvölker, den Kaiser von China oder einen indischen Fürsten bezogen haben könnten. Zweifellos sollte das Ensemble den Anspruch des Kalifats auf Herrschaft zum Ausdruck bringen, die neben bereits unterworfenen Reichen künftig die ganze Ökumene erfassen sollte.

Anlagen wie das "Wüstenschlösschen" Qusair Amra sind Zeugnisse einer kulturellen Vermischung ("Hybridisierung"), bei der die Quellen noch bestimmt werden können. Sie werden aber auch einer eigenen Zivilisation zugeordnet, die anglo-amerikanische Historiker auf 250 bis 800 n. Chr. datieren. Prägend für die Epoche seien demnach die beiden Großmächte der Römer und der Sassaniden, die Formierung oder Gründung der beiden Weltreligionen Christentum und Islam sowie die Neuformulierung der älteren Lehren des Judentums und des persischen Zoroastrismus gewesen.

In die noch junge Tradition der "Late Antiquity Studies" ordnet sich Almut Höfert mit ihrem monumentalen Werk "Kaisertum und Kalifat" ein, das eine neue Deutung des frühen und hohen Mittelalters bietet. Höfert repräsentiert den noch ungewohnten Typ einer Historikerin, die Mediävistin und Islamwissenschaftlerin ist und neben lateinischen und griechischen Quellen auch die arabische Überlieferung im Original beherrscht. Mit ihrem Buch will sie die These eines "imperialen Monotheismus" für die ersten Jahrhunderte des sogenannten Mittelalters weiterführen, die Garth Fowden schon 1993 für die Spätantike aufgestellt hat. Nach Fowden war diese Zeit durch das Streben nach universaler kultureller, politischer und religiöser Vereinheitlichung geprägt; Konstantin sei zwar mit seinem Konzept eines christlichen missionarischen Monotheismus, verbunden mit dem imperialen Impetus, noch an der Selbstbehauptung des sassanidischen Reiches gescheitert, aber Mohammed und seine Nachfolger hätten im Anschluss an das christliche Modell mit der Gründung einer neuen Religion und rascher militärischer Expansion und Etablierung des islamischen Reiches Erfolg gehabt.

Wie Höfert darlegt, habe bereits der heidnische Kaiser Diokletian eine exklusive Mittlerfunktion zwischen den Gottheiten und der Welt und die Oberaufsicht über den Kult beansprucht; seit Konstantin seien Christus und der Kaiser gemeinsam in dieses Scharnier getreten. Der persönliche Übertritt des Kaisers zum Christentum habe das Prinzip "ein Gott, ein Kaiser, ein Glaube, ein Weltreich", also den "imperialen Monotheismus", etabliert, das - in unterschiedlicher Weise - später auch die Reiche von Byzanz und des lateinischen Westens geprägt habe.

Wichtiger ist Höfert aber der Nachweis, dass auch das Kalifat in der Tradition des christlichen Kaisertums stand. Entscheidende Voraussetzung dafür sei die Verlagerung der kalifalen Residenz vom arabischen Reich nach dem römisch geprägten Damaskus gewesen. Seit dem siebten Jahrhundert führten die Kalifen den Titel "der Gottesknecht N.N., Befehlshaber der Gläubigen". Nun galt die Formel "Ein Gott, ein Glaube, ein Weltreich, ein Kalif als Stellvertreter Gottes" als muslimische Fortsetzung des christlichen imperialen Monotheismus. Zugleich wurde der Islam in dessen Gewand, einer römisch-christlichen Erfindung, als klar abgegrenzte Religion konstituiert.

Ihre spektakuläre Lehre versucht Almut Höfert durch einen systematischen Vergleich der Kaiserreiche von Byzanz, des Westens seit Karl dem Großen und des Kalifats von Damaskus beziehungsweise Bagdad zu begründen; sie wertet besonders die Titulaturen auf Inschriften, die Selbstaussagen der Herrscher, deren Tätigkeiten als Gesetzgeber und das Verhältnis zu ihren jeweiligen religiösen Eliten aus. Was Byzanz und den Westen betrifft, bietet sie weitere Argumente für die schon länger durchgedrungene Erkenntnis an, dass die Differenzen im Verhältnis von "Staat und Kirche" hier wie dort nicht übertrieben werden dürfen. Im Mittelpunkt ihrer Abhandlung steht aber die Geschichte des Kalifats.

Trotz seiner umsichtigen theoretischen Grundlegung lässt Höferts Buch doch zu viele Fragen offen. Zu bezweifeln ist vor allem ihr Ansatz, den sie freilich anderen verdankt, dass es sich bei den christlichen Reichen und dem Kalifat um zwei (oder drei) Varianten des gleichen "imperialen Monotheismus" gehandelt hat. Defizitär erscheint hier der Versuch, gewiss anzunehmende Wechselbeziehungen von Römern und Sassaniden als gegenseitige Akkulturationen nachzuweisen; so bleibt unklar, welches "Fremde" neben dem angeblich Gemeinsamen wirksam blieb.

Eine spätantike Mutterkultur für drei politische Formationen bis ins zwölfte Jahrhundert in Anspruch zu nehmen beruht zudem auf einer teleologischen Perspektive, die dem kulturalistischen Selbstverständnis der Autorin eigentlich zuwiderläuft. Wie wenig Höfert dem kulturell Anderen oder Fremden in ihrem Geschichtsbild Raum gibt, wird besonders daran deutlich, dass sie den verstärkten Einfluss aus Chorasan auf die zweite Kalifendynastie der Abbasiden seit Mitte des achten Jahrhunderts ebenso wenig würdigt wie die Herausforderung der Araber durch die turksprachigen Völker. Das erste große türkische Reich hatte aber schon vom Amur im Osten bis zur Wolga reichend zwischen 552 bis 745/66 bestanden, und in der eurasischen Grassteppe, die bis nach China reichte, haben andere Historiker unter türkischen und mongolischen Stämmen viele günstigere Voraussetzungen für Großreichbildungen konstatiert als im Westen von Iran.

Mit anderen Worten, Höfert ist wohl der Suggestion eines geschlossenen historischen Deutungskonzepts erlegen. Dabei ist der Begriff "imperialer Monotheismus" selbst mehr als anfechtbar. Zum einen legt er den Eingottglauben in seinen Varianten viel zu einseitig auf das Streben nach universaler Herrschaft und Gewalt auf Kosten anderer fest, statt sein Potential auch für eine Verständigung der beteiligten Völker und Gruppen zu würdigen; zum anderen evoziert er die historisch verfehlte Annahme, dass die Idee politischer Universalherrschaft tatsächlich politische Praxis gewesen sei.

Dies trifft indessen weder für Byzanz zu, wo dafür schlicht die Mittel fehlten, noch für den Westen, wo kein mittelalterlicher Kaiser daran denken konnte, noch für das Kalifat. Die Bildung des sogenannten islamischen Reiches war nie zentral, also vom Kalifen, geplant und gesteuert, sondern lässt sich schon für die Frühzeit besser als autokatalytischer Prozess begreifen, bei dem die wirkungsvollsten Akteure die Militärs und Gouverneure an den Grenzen gewesen sind. Die Geschichte von Reichen kann als kulturwissenschaftlich umgeprägte Geistesgeschichte ohne Rücksicht auf die verstörenden Taten ihrer Akteure letztlich nicht überzeugen.

MICHAEL BORGOLTE.

Almut Höfert: "Kaisertum und Kalifat". Der imperiale Monotheismus im Früh- und Hochmittelalter.

Campus Verlag, Frankfurt/ New York 2015. 645 S., Abb., br., 59,- [Euro].

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»In die noch junge Tradition der »Late Antiquity Studies« ordnet sich Almut Höfert mit ihrem monumentalen Werk »Kaisertum und Kalifat« ein, das eine neue Deutung des frühen und hohen Mittelalters bietet.« Michael Borgolte, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.10.2015»Höferts Studie besticht durch ihre theoretische Grundlage und überzeugt durch eine strukturierte, nachvollziehbare Analyse. [...] Eine absolute Leseempfehlung.« Florian Saalfeld, Sehepunkte, 15.05.2017»Eine ausgesprochen anregende Arbeit, die dokumentiert, welche Optionen in der kulturvergleichenden Forschung stecken [...] Weil die Autorin auf durchgehend sehr hohem Niveau schreibt, eröffnet sie die Möglichkeit, sich mit Inhalt und Methode ihres Werkes kritisch auseinanderzusetzen. Wir brauchen Bücher wie dieses.« Helmut Zander, H-Soz-Kult, 07.06.2017»Das inhaltlich anspruchsvolle Werk eignet sich für Leser, die sich für eine Geschichtsschreibung mit globalem Blick und für interkulturelle Vergleich interessieren.«, Spektrum der Wissenschaft, 16.11.2015»Wie Almut Höfert in ihrem fundamentalen Werk »Kaisertum und Kalifat« gezeigt hat, ist es gerade die Idee des imperialen Monotheismus, der als wichtiges antikes Erbe die drei auf den ersten Blick so disparat erscheinenden Reiche als spätantike Herrschaftsgebilde ausweist.« Prof. Dr. Thomas Bauer