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Wie wir in Friedrich dem Großen beinahe zwei Persönlichkeiten unterscheiden, je nachdem er sich deutsch oder französisch ausdrückte, würden wir vielleicht einen volkstümlicheren Stein haben, wenn mehr ursprünglich deutsche Äußerungen von ihm vorhanden wären. In seinen letzten Lebensjahren, da das Handeln ihm abgeschnitten wurde, trat das Sinnende, Grüblerische mehr in ihm hervor. Seine Urteile wurden manchmal zögernder und schattierter, das Vielgestaltige und unendlich Deutbare jeder Erscheinung ging ihm mehr auf. Man sah ihn häufig in Gedanken versunken unter den Bäumen seines Parkes wandeln…mehr

Produktbeschreibung
Wie wir in Friedrich dem Großen beinahe zwei Persönlichkeiten unterscheiden, je nachdem er sich deutsch oder französisch ausdrückte, würden wir vielleicht einen volkstümlicheren Stein haben, wenn mehr ursprünglich deutsche Äußerungen von ihm vorhanden wären. In seinen letzten Lebensjahren, da das Handeln ihm abgeschnitten wurde, trat das Sinnende, Grüblerische mehr in ihm hervor. Seine Urteile wurden manchmal zögernder und schattierter, das Vielgestaltige und unendlich Deutbare jeder Erscheinung ging ihm mehr auf. Man sah ihn häufig in Gedanken versunken unter den Bäumen seines Parkes wandeln oder unter einer Lieblingsbuche sitzen, wo der Blick ins Land hinausschweifte. Die Verbundenheit mit der Natur unterschied von jeher Germanen und Romanen. Wir Deutsche stellen uns Napoleon auf St. Helena von den Elementen des Meeres und des Sturms umgeben vor, als brüderlichen Freunden, die ihm ewige Worte zuraunen, vor denen das Geräusch der Welt und seine Taten selbst verschwinden. So war er in Wirklichkeit nicht. Stein hatte solche Augenblicke, wo seine Seele im Rauschen der Bäume unterging und sich vergaß und die Namen, um die er kämpfte. Aus den Tiefen der Natur wehte es ihm tröstlich und geheimnisvoll zu von einem Paradiese, das den Erwachenden empfängt, während Traum und Irrtum des Lebens schwer unter ihm versinken. (Ricarda Huch)Der Text des Neusatzes folgt der Ausgabe Berlin 1932.Inhalt1 Grundlagen und Anfänge2 Der preußische Minister3 Der Verbannte4 Der Lenker des Zaren5 Der heimliche Kaiser6 Der Tribun7 Enttäuschungen und Mißverständnisse8 Tragisches Ende9 Stein, Napoleon und Bismarck10 Stein und das Mittelalter11 Deutscher Charakter
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Autorenporträt
Ricarda Huch (1864-1947) entstammte einer Kaufmannsfamilie und wuchs in Braunschweig auf. 1886 ging sie nach Zürich, wo sie das Abitur nachholte und Geschichte, Philologie sowie Philosophie studierte. 1892 wurde sie als eine der ersten deutschen Frauen überhaupt an der philosophischen Fakultät der Universität Zürich promoviert. Huch arbeitete zunächst als Bibliothekarin und als Lehrerin in Zürich und Bremen. Ab 1897 lebte sie in Wien, wo sie 1898 den Zahnarzt Ermanno Ceconi heiratete. Ihm folgte sie 1898-1900 in seine Heimatstadt Triest, die damals zu Österreich-Ungarn gehörte. In dieser Zeit erarbeitete sie die Geschichte der italienischen Einigung (Risorgimento) unter der Führung von Giuseppe Garibaldi. Lange lebte sie (1912-1916, 1918-1927) in München , wo viele wichtige Bücher entstanden, wie etwa die Biographie »Michael Bakunin« und die Anarchie (1923). Die Zeit von 1935 bis 1947, in der sie mit ihrer Tochter und ihrem zweiten Ehemann Franz Böhm in Jena lebte, lässt sich bis zum Kriegsende als innere Emigration beschreiben. Ricarda Huch widmete sich seit den 1910er Jahren der italienischen, deutschen und russischen Geschichte. Ihre monumentale deutsche Geschichte entstand zwischen 1934 und 1947 und umfasst sowohl das Mittelalter als auch die Frühe Neuzeit. Huch nahm an den vielfältigen Reformbewegungen der Weimarer Republik Anteil und publizierte unter anderem in der Zeitschrift »Die Neue Generation«. 1924 wurde sie Ehrenbürgerin Münchens; 1931 erhielt sie den Goethepreis der Stadt Frankfurt, 1944 den Wilhelm-Raabe-Preis und 1946 die Ehrendoktorwürde der Universität Jena.