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DER FLUCH DER GLEICHGÜLTIGKEIT
Das Denken der deutsch-jüdischen Philosophin Hannah Arendt ist aktueller denn je. Vor dem Hintergrund des Eichmann-Prozesses und der »Verbrechen, die niemand für möglich gehalten hätte«, denkt Hannah Arendt 1965 in einer New Yorker Vorlesung über Fragen der Ethik und vor allem über das Böse nach. Eine Ethik »nach Auschwitz« kann, so Arendt, nur auf dem Denken und Erinnern gründen. Denn die größten Verbrecher sind, so sagt sie, diejenigen, die beides verweigern.
Ein wichtiger Text zu einem zentralen Thema im Werk Hannah Arendts wird hier erstmals auf deutsch
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Produktbeschreibung
DER FLUCH DER GLEICHGÜLTIGKEIT

Das Denken der deutsch-jüdischen Philosophin Hannah Arendt ist aktueller denn je. Vor dem Hintergrund des Eichmann-Prozesses und der »Verbrechen, die niemand für möglich gehalten hätte«, denkt Hannah Arendt 1965 in einer New Yorker Vorlesung über Fragen der Ethik und vor allem über das Böse nach. Eine Ethik »nach Auschwitz« kann, so Arendt, nur auf dem Denken und Erinnern gründen. Denn die größten Verbrecher sind, so sagt sie, diejenigen, die beides verweigern.

Ein wichtiger Text zu einem zentralen Thema im Werk Hannah Arendts wird hier erstmals auf deutsch zugänglich gemacht. Franziska Augsteins Nachwort »Taten und Täter« nimmt Arendts Argumentation auf und führt sie weiter zum Thema Widerstand.
Autorenporträt
Hannah Arendt, am 14. Oktober 1906 im heutigen Hannover geboren und am 4. Dezember 1975 in New York gestorben, studierte unter anderem Philosophie bei Martin Heidegger und Karl Jaspers, bei dem sie 1928 promovierte. 1933 emigrierte Arendt nach Paris, 1941 nach New York. Von 1946 bis 1948 arbeitete sie als Lektorin, danach als freie Autorin. Sie war Gastprofessorin in Princeton und Professorin an der University of Chicago. Ab 1967 lehrte sie an der New School for Social Research in New York.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.08.2006

Der Fluch der Gleichgültigkeit
Hannah Arendt fragt nach dem Bösen
Wer an Hannah Arendt denkt, hat zumeist ihr Buch über den Eichmann-Prozess mit dem eingängigen Untertitel „Ein Bericht von der Banalität des Bösen” im Sinn. Konkurrenz hat das simple Wahrnehmungsschema einzig seit der Veröffentlichung des Briefwechsels mit Martin Heidegger erhalten. Seitdem findet man sie immer öfter mit „seine Geliebte” offenbar ausreichend charakterisiert. Dass Arendt eine bedeutende politische Theoretikerin des zwanzigsten Jahrhunderts war, dass sie mit ihren Werken einen wesentlichen Beitrag zur Moralphilosophie im „Zeitalter der Extreme” lieferte, dringt hingegen immer weniger in der Öffentlichkeit durch.
Es war daher eine kluge Entscheidung des Piper Verlages, im Jahr des 100. Geburtstages einen Text aus Arendts Nachlass erstmals auf Deutsch vorzulegen. Nach all dem Erbaulichen, was das Jubiläumsjahr bisher in Deutschland hervorbrachte, ist man dankbar für die Klarheit und unverblümte Direktheit mit der sie dachte - auch wenn sie dabei irrte.
Man mag es aus dieser Perspektive zunächst bedauern, dass die vierteilige, 1965 an der New Yorker „New School for Social Research” gehaltene Vorlesung „Some Questions of Moral Philosophy” nunmehr unter dem Titel „Über das Böse” greifbar ist. Und dennoch ist er präzise gewählt. Denn Arendt erlegt sich selbst die Aufgabe auf, den in ihrem Eichmann-Buch fahrlässig benutzten Begriff des „Bösen” philosophisch aufzuklären.
Nachdem zunächst die fünfteilige Reportageserie im „New Yorker” im Februar und März 1963 nur wenig beachtet wurde, schlugen nach der Buchpublikation im selben Jahr die Wellen der Empörung, aber auch der argumentativen Widerlegungen über Arendt zusammen. Ihre Rechtfertigungsversuche, warum sie an der Kategorie des „Bösen” festhalte, waren im Folgenden auch wenig überzeugend, zumal die zahllosen historischen Fehler im Eichmann-Buch ihr politiktheoretisches und philosophisches Interesse an dem Prozess überdeckten.
Mut zum Urteil
Vor diesem Hintergrund müssen die mit kräftigen Strichen gezeichneten Linien verstanden werden, mit denen sie Sokrates, Platon, Kant und ihre Gegenwart mittels moralphilosophischer Reflexionen verbinden möchte. Die zentrale Frage dabei lautet: Wie lassen sich die immensen Ansprüche, die die sokratische Formel, es sei besser, Unrecht zu erleiden als Unrecht zu tun und Kants universalistisches Konzept des kategorischen Imperativs beinhalten, als Handlungsanleitungen übersetzen?
Doch so generell ausgedrückt, wächst die Frage ins Riesenhafte und entzieht sich der diskursiven Auseinandersetzung. Arendt setzt genaue Lektüre jener Texte dagegen, an denen sie sich festhält in der stürmischen See ethischer Sorglosigkeit. So pocht sie auf die Mahnung im platonischen „Gorgias”, dass der Mensch zwar ein Individuum sei, aber im „Ich”-Sagen gleichzeitig eine Instanz aufrufe, die das überprüfe, was dieses „Ich” von sich behauptet.
Genau diese Zweiteilung, die einen Widerspruch, zumindest aber einen Prozess der Auseinandersetzung in Gang setzt, wird unterbrochen, wenn der Mensch Böses tut. Dieser fatale Riss im Verhältnis zu sich weitet sich aus, kann durchschneidend und entzweiend werden, bis er schließlich zum „skandalon” wird, das heißt, zu etwas, das der Mensch selbst nicht mehr verzeihen kann. Arendt bringt in diesem Zusammenhang die Rede auf Jesus von Nazareth und jene schwierigen Stellen des Römerbriefes, in denen Paulus die Konsequenzen aus seiner Rechtfertigungslehre zieht, nach der alle Menschen Sünder seien.
Mit einem leider in der Ausgabe falsch verorteten Zitat aus Kants „Anthropologie in pragmatischer Hinsicht” geht Arendt einen Schritt weiter. Wenn Kant schreibt „Denken ist Reden mit sich selbst, folglich auch innerlich Hören”, erwächst der Zwiesprache mit sich selbst eine moralische Dimension. Eine Idee, die Kant anthropologisch und nicht metaphysisch verstanden wissen möchte.
Der „bloße Weltenbürger”, der laut dem Königsberger Philosophen den „kategorischen Imperativ” ertragen kann, ist einer, der für sich urteilt, das heißt: nur im Hinblick auf die Welt. Anders als Atlas muss er nicht die Last des ganzen Globus mittragen.
Arendt gefällt am Ende ihrer konzentrierten Vorlesung dieses Bild auch deshalb, weil sie darin den Mut zum Urteil wiedererkennt, eine Eigenschaft, weswegen sie Kant letztlich zu ihrem entscheidenden philosophischen Gesprächspartner erkor. Für sie stellte daher „Indifferenz” gegenüber der Urteilsfähigkeit „die größte Gefahr dar, auch wenn sie verbreitet ist.” Aus dieser „Indifferenz” entstehen für sie die „wirklichen ‚skandala‘”. Die Zumutungen von Sokrates und Kant muss man also aushalten, will man sich nicht partikularer Verbohrtheit wegen plötzlich am Grab des Tyrannen wiederfinden.
Arendts Unerschrockenheit würde man sich heute häufig wünschen. Mag sie auch die „Banalität des Bösen” nicht aufgeklärt haben, das Primat der Ethik ist selten welthaltiger verteidigt worden.
THOMAS MEYER
HANNAH ARENDT: Über das Böse. Eine Vorlesung zu Fragen der Ethik. Aus dem Nachlass herausgegeben von Jerome Kohn. Übersetzt von Ursula Ludz. Nachwort von Franziska Augstein. Piper Verlag, München Zürich 2006, 200 Seiten, 19,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Wer Hannah Arendt als bedeutende politische Theoretikerin und Moralphilosophin erleben möchte, dem empfiehlt Thomas Meyer diesen Band, der eine ursprünglich als "Fragen der Moralphilosophie" betitelte 1965 in New York gehaltene Vorlesung enthält, mit der Arendt im Rekurs auf ihr Eichmann-Buch eine Begriffspräzisierung des Bösen vornimmt. Meyer verweist auf die kontroverse Rezeptionsgeschichte des Eichmann-Buches als Hintergrund für die "mit kräftigen Strichen" entworfene moralphilosophische, handlungstaugliche Verbindung von Sokrates, Platon, Kant und Arendts eigener Gegenwart. Und obgleich auch diese Vorlesung für ihn keine Aufklärung der "Banalität des Bösen" zuwege bringt, schätzt Meyer doch Arendts von ihr wiederum an Kant so geschätzte "Unerschrockenheit" im Urteil. Welthaltiger, findet er, sei Ethik selten verteidigt worden.

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